Chemische Wasserstoffspeicher werden als neue Medien zur Speicherung und zum Transport von Wasserstoff erforscht. Dabei dienen diese Stoffe nur als Transportmedium und werden nicht verbraucht, sondern im Kreislauf geführt. Beispiele für derartige Stoffe sind flüssige Wasserstoffträgermaterialien („Liquid Organic Hydrogen Carriers“, LOHC). Großflächige Forschungen an chemischen Energiespeichern betreibt das Mülheimer Max-PMax-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (CEC).
Chemische Wasserstoffspeicher „beladen“ die energiearme Form des Trägerstoffs in einer chemischen Reaktion mit Energie, z.B. elektrolytisch hergestelltem Wasserstoff. Durch die Anreicherung speichert das Medium dessen chemische Energie und kann dann verlustfrei über große Zeiträume gelagert, mit hoher Energiedichte transportiert und verteilt werden. Am Ort und zur Zeit des Energiebedarfs wird die energiereiche Form unter Freisetzung von Wasserstoff wieder energetisch entladen und zum Ort der Energieerzeugung zurückgebracht. Dort steht sie zur erneuten Energieaufnahme bereit.
Hierdurch lassen sich Leistungsschwankungen bei der Energieerzeugung auffangen. Somit kann die ursprünglich als elektrischer Strom vorliegende Energie gespeichert, transportiert und z.B. in Verbindung mit Brennstoffzellen wieder in Strom rückverwandelt werden. Bei geeigneter Integration der entsprechenden Speichersystem, beispielsweise in Wohnhäusern, kann die Abwärme des Prozesses genutzt werden, um das Gebäude zu beheizen.
Als Wasserstoffspeicherung im engeren Sinne können chemische Konversionen von Wasserstoff gezählt werden, bei denen der Wasserstoff wieder als solcher zurückgewonnen wird und nicht irreversibel in einen anderen Brennstoff umgewandelt wird. Die wichtigsten Typen sind Metallhydride und Flüssige organische Wasserstoffträger.
N-Ethylcarbazol
Gegenwärtig steht im Kern der aktuellen Forschung an Flüssigen Organischen Wasserstoffträgern N-Ethylcarbazol. Es wurde Mitte der 2000er-Jahre von der US-Firma Air Products als Wasserstoffspeicher vorgeschlagen, patentiert und im Rahmen öffentlich geförderter Projekte untersucht. Dieses wird in einem exothermen Prozess unter Druck und mit erhöhter Temperatur in die mit Wasserstoff „beladene“ Perhydro-Verbindung hydriert, Das mit Energie angereicherte Material kann mit hoher Energiedichte über Pipelines, Tankschiffe und Tankstellen verteilt werden. An der Verbrauchsstelle, z. B. in einem Brennstoffzellenfahrzeug wird unter Zufuhr von Wärme bei zwischen 100 und 200 °C der Wasserstoff wieder frei. Bei beiden Prozessen werden neuartige Katalysatoren eingesetzt.
Die Perhydro-Verbindung hat einen Heizwert von 1,9 kWh/kg. Für die Erzeugung aus N-Ethylcarbazol müssen dem Prozess 2,8 kWh/kg zugeführt werden. Die Differenz (0,9 kWh/kg) fällt als Abwärme an und könnte an Ort und Stelle genutzt werden, um den Wirkungsgrad zu erhöhen. Der Heizwert der Perhydro-Verbindung liegt damit etwa bei einem Fünftel von Benzin. Da Brennstoffzellen aber erheblich effizienter arbeiten als Verbrennungsmotoren, ließen sich mit Carbazol die Reichweiten konventioneller Pkw mit verdoppeltem Tankvolumen erreichen. Bei der Speicherung elektrischer Energie mit Hilfe von N-Ethylcarbazol kann ein deutlich höherer energetischer Wirkungsgrad erreicht werden als bei vergleichbaren Ansätzen wie dem Sabatier-Prozess. Die Perhydro-Form von N-Ethylcarbazol ist wesentlich sicherer als der hochentzündliche Wasserstoff.
Dibenzyltoluol
Seit Mitte 2016 ist Dibenzyltoluol, auch als Marlotherm bezeichnet, kommerziell als Wasserstoffspeicher in Anwendung. Ob mit Hilfe dieses LOHC diejenigen Heizungskeller mit Wasserstoff für die Hydrobox (Brennstoffzellen-System als Mikro-KWK-Anlage) beliefert werden können, die keinen Gasanschluss haben, steht noch nicht fest.
Methylcyclohexan
Toluol wurde schon in den 80er JAhren durch Hydrierung zu Methylcyclohexan umgewandelt. Die Grundidee des Methylcyclohexan-Toluol-H2-Systems (MTH) kam 1975 aus den USA und wurde 1979 am Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz zusammen mit der ETH Zürich weiterentwickelt. Aufgrund der schwierigen Dehydrierbarkeit von nicht-heterocyclischen Verbindungen hat sich der Schwerpunkt der Forschung aber zu anderen Trägermaterialien hin verschoben.
Amminborane
Amminborane lassen sich prinzipiell ebenfalls hydrieren und dehydrieren. Die einfachste Form davon ist das Amminboran (NBH4 bzw. NBH6 im hydriertem Zustand). Im sauren Medium lässt sich hydriertes Amminboran hydrolysieren, wobei Wasserstoff freigesetzt wird. Weil aber der Wasserstoff technisch nicht mehr aus der entstehenden Ammonium-Borsäure-Lösung rückgewonnen werden kann, handelt sich eher um eine Art Einweg-Wasserstoffspeicher. Eine katalytische Dehydrierung ohne Zersetzung des Ammoniumborans ist prinzipiell zwar möglich, aber dennoch schwierig. Als Alternative werden deshalb seit einiger Zeit heterocyclische Aminborane als potenzielle Wasserstoffspeicher untersucht. Der Schwerpunkt der entsprechenden Forschung liegt hier aber gegenwärtig noch auf der Synthese der Verbindungen, die sehr anspruchsvoll ist. Die Speicherdichte von Amminboranen wäre prinzipiell sehr hoch (12,1 Gew.-% bei NBH6; 7,1 Gew.-% bei C4NBH12). Da Amminborane aber nicht ohne Lösungsmittel handhabbar sind, ist die faktische Speicherdichte erheblich geringer.
Wasserstoff in Ammoniak speichern
Seit kurzem kommt immer häufiger die Option Energie-, sprich Wasserstoffspeicherung mittels Ammoniak in die Diskussion, bzw. der Einsatz von Ammoniak in Brennstoffzellen. Weil es kohlenstofffrei ist, wäre Ammoniak ein günstiges Speichermolekül für Wasserstoff zum Betrieb von Brennstoffzellen. Durch eine praktikable und sichere Übertragung der industriellen Logistik in den Endverbraucherbereich stünde eine leistungsfähige Alternative zur Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffzellen zu den heute umstrittenen Kohlenwasserstoffen zur Verfügung. Dazu, vor allem zur katalytischen Synthese des Ammoniaks, hat der Chemiker Robert Schlögl bereits 2003 einen Aufsatz in Angewandte Chemie veröffentlicht.
Ameisensäure
Auch Ameisensäure könnte als Trägersubstanz für Wasserstoff dienen. Durch katalytische Zersetzung lässt sich daraus Wasserstoff freisetzen. Allerdings ist die Bildung von Ameisensäure aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid thermodynamisch sehr ungünstig und die Synthese daher mit zu hohem Energieaufwand verbunden.
Wasserstoffspeicher im weiteren Sinne
Daneben existieren auch Ansätze zur chemischen Wasserstoffspeicherung bei denen in der Nutzungsphase der Wasserstoff nicht zurückgewonnen wird, sondern der „Wasserstoffspeicher“ umgesetzt (verbrannt) wird. Der Träger wird bei all diesen Ansätzen nicht recycelt. Beispiele für mögliche Konversionsmethoden sind:
- Die Herstellung von Methan aus H2 und CO2 (vergl. Sabatier-Prozess, Windgas)
- Die Herstellung von Methanol aus H2 und CO2 bzw. CO
- Die Herstellung von Ammoniak aus H2 und N2 (vergl. Haber-Bosch-Verfahren)
- Die Hydrierung von Kohle (Bergius-Verfahren oder Fischer-Tropsch-Verfahren)
Dadurch dass kein elementarer Wasserstoff zurückgewonnen wird, weicht die Art der Nutzung der gespeicherten Energie unter Umständen von der Wasserstoffspeicherung im engeren Sinne ab.
Die Mission des MPI CEC
Das MPI für Chemische Energiekonversion sieht seine Aufgabe darin, die grundlegenden chemischen Prozesse der Energieumwandlung zu erforschen, um somit zur Entwicklung neuer und leistungsfähiger Katalysatoren beizutragen. Unser Zugang zu diesem Problem beruht auf dem tiefgreifenden Verständnis der zugrundeliegenden chemischen Reaktionen. Erst wenn wir im Detail wissen, wie der Reaktionsmechanismus aussieht, und v.a. wie der Katalysator daran beteiligt ist, können wir auf rationaler Basis verbesserte nachhaltige Katalysatoren entwickeln. Denn wie Max Planck schon sagte: „Dem Anwenden muss das Erkennen voraus gehen.“
Interdisziplinarität ist für dieses Ziel Voraussetzung. Am MPI CEC werden derzeit intensiv die Gebiete der heterogenen Katalyse, der homogenen Katalyse und der Biophysikalischen Chemie im Zusammenspiel mit modernsten experimentellen und theoretischen Analysemethoden miteinander kombiniert. Es ist unsere Überzeugung, dass diese Kombination der Schlüssel zum Verständnis und schlussendlich zur Kontrolle der grundlegenden chemischen Prozesse ist.
Herausforderungen für das Forschungsgebiet der chemischen Energiekonversion
Ob Elektroautos, Wasserstoffspeicher oder Brennstoffzellen: Die Herausforderungen im Gebiet der chemischen Energiekonversion sind mannigfaltig. Die folgende Auflistung gibt einen kurzen Überblick über einige beteiligte chemische Reaktionen, die es näher zu ergründen gilt.
- Umwandlung von Licht in elektrische Energie – Energie ist Lichtenergie. Diese Energie muss eingesammelt und in elektrische Energie umgesetzt werden. Entscheidende Fortschritte auf dem Gebiet der Photovoltaik sind bereits erzielt worden, aber weitere Fortschritte sind notwendig.
- Wasserstoff als Energiespeicher – Da elektrische Energie nicht in befriedigender Form gespeichert und transportiert werden kann, ist es notwendig, sie in Form von chemischen Bindungen zu speichern. Eine zentrale Rolle fällt dabei der Erzeugung von Wasserstoff aus Protonen und Elektronen zu. Wir sind der Überzeugung, dass dieser primär photochemisch erzeugte Wasserstoff in der Energiewirtschaft der Zukunft eine zentrale Rolle spielen muss.
- Speichermaterialien für Wasserstoff – Der photochemisch erzeugte Wasserstoff kann gespeichert werden. Dies ist bekanntlich ein schwieriges Unterfangen, da das Wasserstoffmolekül in Form eines sehr kleinen, flüchtigen Gases vorliegt, welches sich nur schwer speichern lässt. Die Entwicklung geeigneter Speichermaterialien ist ein wichtiges Forschungsunterfangen.
- Katalytische Spaltung von Wasser – Die für die Wasserstofferzeugung benötigten Elektronen gewinnt man aus Oxidationsprozessen. Idealerweise stammen die Elektronen der Oxidation von Wasser. Bei der Reaktion entstehen Sauerstoff, Elektronen und Protonen. Die elektrochemische Spaltung von Wasser ist zwar seit langem bekannt, ist aber für den großtechnischen Maßstab zu ineffizient. Katalytische Systeme zur Oxidation von Wasser befinden sich im Fokus der modernen Energieforschung.
- Weiterentwicklung von Brennstoffzellen – Die im photochemisch erzeugten Wasserstoff gespeicherte Energie kann in einer Brennstoffzelle wieder nutzbar gemacht werden. Die Entwicklung von effizienteren Brennstoffzellen ist ein weiteres wichtiges Forschungsfeld.
- Kleine Moleküle als Wasserstoffspeicher – Alternativ kann der photochemisch generierte Wasserstoff direkt mit anderen Molekülen in Energiespeicherstoffe umgesetzt werden. Besonders attraktiv ist es, dabei Kohlendioxid zu aktivieren, um zu organischen Säuren oder Alkoholen zu gelangen. So ist z.B. Methanol (CH3OH) ein attraktiver Energieträger, da er in flüssiger Form vorliegt und eine hohe Energiedichte aufweist. Eine alternative Möglichkeit ist die Umsetzung von Luftstickstoff zu Ammoniak (NH3). In beiden Fällen sind geeignete katalytische Systeme notwendig. Beide bieten den Vorteil, dass die bestehende Pipeline Infrastruktur zu ihrem Transport genutzt werden könnte.
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