Grundlagenforschung und Industrie

Partner für Innovation und Transformation

„Grundlagenfroschung als Partner und Innovator für die Industrie beim Klimaschutz“ – und „Forschung und Innovation zur Transformation systemrelevanter Industrien“ – lauteten die Überschriften zweier Vorträge zum Auftakt der 1. Konferenz zur nachhaltigen chemischen Konversion in der Industriegehalten wurden sie von Prof. Ferdi Schüth, Max-Planck-Institut für Kohlenstoffforschung und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, und Georg Rosenfeld, Vorstand für Technologiemarketing und Geschäftsmodelle der Fraunhofer-Gesellschaft.

Schüth zeigte zunächst auf, was derzeit ein Kilo Wasserstoff kostet – ein Euro – später sollte sich die Bedeutung dieses Preises herausstellen. Der niedrigste Preis für aus Elektrolyse gewonnenem H2 liege dagegen zwischen 3,30 €/kg bis 10 € . Das sei zu teuer, warum sollte man aber dennoch forschen? Schüth holte aus und brachte das ursprünglich von Desertec eingeführte Sahara-Beispiel: In der nordafrikanischen Wüste könne  1 kW/m² Solarstrom gewonnen werden.

Im Prinzip ist EE (genug) da – Grafik © LBST_MPI-KoFo_Schüth

Nun seien Tag und Nacht allerdings unterschiedlich: Wenn man mit nur 10% Effizienz rechne, brauche man für 5 kW 100 m² Saharafläche – jeder von uns schafft etwa 100 W durch eigene Aktivität – könne also etwa 10 m² Saharafläche „ersetzen“, also habe jeder 49 „Sklaven“, die für ihn strampeln müssen. 100 m² pro Mensch bedeuten 700.000 km² – doppelt so viel wie die Fläche von Deutschland – alles bei 10% Effizienz – das sei „eigentlich gar nicht so viel“.

Dann kam Schüth auf ein weiteres jüngstes Solarforschungsergebnis zu sprechen: Die sogenannten auf Perowskit basierenden Solarzellen. Zwar sei offen, ob sie je technologisch ernsthaft relevant würden, aber effizient seien sie schon, und billig in der Herstellung. Wichtig sei, sie wasserresistent zu machen und vor Wasserkorrosion zu schützen – sonst seien sie in wenigen Minuten kaputt.

Ein weiterer Grundlagenforschungsbereich sei Biomasse als vielseitiger Energie- und Chemikalienrohstoff. Mit dieser Energiequelle könne man 20  Prozent des Energiebedarfs decken, beispielsweise, indem man die Zucker heraushole. Bei Biomasse wie Zellulose aus Holz sei mit 75 Prozent Über-Alles-Ausbeute an Biotreibstoffen noch Einiges zu gewinnen, aber zuerst sei noch Grundlagenforschung notwendig.

Es gebe keine billigere Energieumwandlung als den Tauchsieder – aber warum Strom mit hoher Exergie in niedrige Exergiewärme verwandeln? Das Stichwort: „Wärmespeicherung“. Und Schüth zeigte mehrere Systeme der Wärmespeicherung, vom Groß-Wasser-Wärmespeicher in München, mit dem durch unterirdische Speicherung 350 Etagenwohnungen mit Wärme versorgt würden – bis zur Wärmespeicherung bei CSP-Kraftwerken in geschmolzenem Salz – letzteres beispielsweise  im Großkraftwerk im spanischen Andasol im Einsatz; einem 50 MW-Kraftwerk mit 28.500 Tonnen Natrium- oder Kaliumnitrat – Kostenpunkt: ca. 20 Mio. Euro – dafür aber manchen Ansatzpunkt für chemische Untersuchungen bietend: etwa die Salze für den Einsatz bei höheren Temperaturen, deren Stabilität und Korrosivität, oder die Keramikpartikel, ihre Stabilität und ihre Sinterung; schließlich das Schmelzen von Metallen infolge der Hitzeübertragung und die Widerstandfähigkeit der Konstruktionsmaterialien.

Magnesiumhydride als Speichermedien nicht nur von Wärme, sondern auch von Wasserstoff seien Ergebnis reiner Grundlagenforschung. Sie könnten möglicherweise auch in Andasol eingesetzt werden.

Und dann wieder der Wasserstoff: Für die Elektrolyse braucht es neue Materialien als Anoden und Kathoden: Beispielsweise Platin und Iridium – auch hier hilft die  Forschung an absoluten Grundlagen weiter. „Irgendwann kostet der Wasserstoff dann nicht mehr 10 sondern nur noch 2 Euro!“.

Es gebe andere große Stromverbraucher in der chemischen Industrie – zum Beispiel entspreche der Energiebedarf der Chlorproduktion in Deutschland (ca. 4 Mio. t) einem großen Kraftwerk. Dabei sei der Einsatz zur Lastverteilung oft nicht wirtschaftlich durch ungünstige Aufteilung zwischen Capex (Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter) und Opex (laufende Ausgaben für den operativen Geschäftsbetrieb). Schüth nannte hier als „großartiges Beispiel für weitere Grundlagenforschung die sauerstofffreie Anodenreaktion“. Die Grundlagenforschung müsse nach anderen Anodenreaktionen suchen. Denn bisher werde der Sauerstoff bei der Elektrolyse „weggeworfen, er geht in die Luft“.

Weitere strom- oder CO2-intensive Felder für die  Grundlagenforschung seien etwa die Azetylen-Oligomerisation oder neue Formen der Zementherstellung mit weniger CO2-Emissionen durch Verringerung des Calciumoxid-Anteils (aktuell immerhin 2,8 Mrd. Tonnen Weltjahresverbrauch – 5% der menschengemachten CO2-Emissionen kommen aus der Zementproduktion).

Folgt: Rosenfeld: „Forschung und Innovation zur Transformation systemrelevanter Industrien“