Brexit-Auswirkungen auf Energiewirtschaft – zwei Studien

„Begrenzte Auswirkungen“ oder „dramatische“

„Für den Energiesektor in Großbritannien kann der Brexit dramatische Folgen haben“- so „Brexit Energy Insights“ ein gemeinsame Studie, die Becker Büttner Held (BBH) und die britische Partnerkanzlei Shakespeare Martineau am 22.11.2017 veröffentlicht haben. Ganz anders die am gleichen Tag erschienene Untersuchung der Universität Cambridge und des Centre on Regulation in Europe (Cerre), der zufolge der Brexit laut Euractiv lediglich „begrenzte Auswirkungen auf den britischen sowie den EU-Energiemarkt haben“. Der EU-Rechnungshof warne dennoch, dass die experimentelle Energieforschung leiden könnte.

Brexit Energy Insights – Titel © bbh, Shakespeare Martineau

In ihrer Aussicht auf das Jahr 2025 beziehen sich Michael G. Pollitt von Cerre und Kong Chyong (Cambridge) auf die bestehenden Energieverbindungen zwischen Großbritannien und Irland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien. Obwohl die Pläne für die europäische Energieunion, vor allem eine engere Integration aufgrund des Brexits leiden könnten, werde diese Gefahr durch die bereits im Bau befindlichen Verbindungskapazitäten „minimiert“. „Offensichtliche Lösung“ für Irland nach dem Brexit: Die EU stellt vier Millionen Euro für ein Projekt bereit, das die französischen und irischen Stromnetze über ein Unterwasserkabel miteinander verbinden soll.

Die britische Mitgliedschaft im EU-Emissionshandel (ETS) sei nicht zu vernachlässigen, denn Großbritannien sei ein „Netto-Käufer von Emissionsrechten und sorge mit seiner Teilnahme für billige CO2-Minderung in anderen Ländern.” Insgesamt profitierten das Königreich und die EU wechelseitig von ihrem Engagement im gemeinsamen Elektrizitäts-, Gas- und CO2-Markt, schließt der Bericht. Darüber hinaus spiele der Energiemarkt im Vergleich zu anderen Themen in den Austrittsverhandlungen bisher eine eher untergeordnete Rolle. Die Forscher erwarten, dass die Atomenergie ohne das Gewicht der britischen Befürworter bzw. ihres Vetorechts bei einigen Themen an Popularität verlieren könnte. Dadurch könnte aber auch der Wille, Marktmechanismen zur CO2-Reduzierung einzusetzen, weiter sinken.

Die BBH- und Shakespeare Martineau- Studie: „steigende Energiepreise, ein Rückgang der Investitionen in Erneuerbare Energien und Versorgungssicherheitsprobleme“

Anlässlich der Veröffentlichung fand am 22.11.2017 bei BBH Brüssel eine Roundtable-Diskussion mit ausgewählten Experten aus Großbritannien und Brüssel statt. Die Studie und die gestrige Diskussion machen deutlich:  Falls es zu keiner Einigung im Rahmen der Brexit-Verhandlungen kommt, sind insbesondere steigende Energiepreise, ein Rückgang der Investitionen in Erneuerbare Energien und Versorgungssicherheitsprobleme zu erwarten.

Am 29.03.2019 ist es soweit. Dann wird Großbritannien nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein. Noch ist völlig unklar, ob und wie Großbritannien Teil des Energiebinnenmarkts bleiben wird. So oder so – der Brexit wird nicht spurlos am Energiesektor vorbeigehen. „Für Unternehmen aus dem Energiesektor bedeutet das aktuell eine erhebliche Unsicherheit. Mit unserer Studie haben wir ermittelt, wie die Stimmungslage bei den Entscheidungsträgern ist und worauf sich die Energiewirtschaft einstellt“, erläutert Rechtsanwältin und BBH-Partnerin Dr. Dörte Fouquet, welche die Studie für BBH begleitet hat.

Die im Brüsseler Büro von BBH zusammengekommene Expertenrunde bestätigte diese Aussage. Während auf EU-Seite deutlich gelassener zu Versorgungssicherheit und Preisentwicklung diskutiert wird, wachsen bei den Experten aus Großbritannien die Bedenken: Alle Optionen würden geprüft, um bedenkliche Situationen und Preisausschläge zu vermeiden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Probleme, die von der Gasversorgungssicherheit Irlands über die Streichung von Fördergeldern bis zur Zeitbombe der weltgrößten Plutoniumhalde in Sellafield reichen. Auch die Frage der Akzeptanz Großbritanniens der Europäischen Gerichtsbarkeit und nachwirkender Verpflichtungen bis zu einem eigenständigen Katalog von Vereinbarungen mit dem Königreich als Drittstaat bleiben Herausforderungen, in erster Linie für die Insel.

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