EU treibt Energie-Union langsam voran

Umgestaltung des Elektrizitätsmarktes: „Reibungslos funktionierend, für Wettbewerb gerüstet und unverzerrt“

Am späten Abend des 18.12.2017 – so eine EU-Medienmitteilung – vereinbarte der Europäische Rat der Energieminister seine Verhandlungsposition (die sogenannte „allgemeine Ausrichtung“) in Sachen Schaffung des Rahmens für einen EU-weiten Elektrizitätsbinnenmarkt. Diese Verordnung ist einer der Gesetzgebungsvorschläge des Pakets „Saubere Energie“ und ist der Eckpfeiler der Umgestaltung des Elektrizitätsmarktes. Hierin werden die Regeln und Grundsätze zur Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden, für den Wettbewerb gerüsteten und unverzerrten Elektrizitätsmarktes überarbeitet, um Flexibilität, Dekarbonisierung und Innovation zu verbessern.

„Saubere Energie“ –  Eckpfeiler der Umgestaltung des europäischen Elektrizitätsmarktes – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Auf diese Weise leistet die Verordnung einen Beitrag zum Übergang der EU zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und zur Verwirklichung der Ziele der Energieunion, vor allem des Rahmens für die Klima- und Energiepolitik bis 2030.

[note „Die Gestaltung des Strommarkts war eine Priorität des estnischen Vorsitzes, und ich bin überaus erfreut darüber, dass der Rat eine Einigung über diese sehr wichtige Verordnung erzielt hat, zu der die Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten haben. Ich möchte allen meinen Kollegen und ihren Teams danken, dass sie uns geholfen haben, dieses Ergebnis zu erreichen. Der Strommarkt der EU hat sich aufgrund der Digitalisierung, der erneuerbaren Energien und aktiver Verbraucher gewandelt, und wir brauchen neue Vorschriften, um den neuen Gegebenheiten gerecht zu werden. Mit der heutigen Entscheidung haben wir einen gewaltigen Schritt in diese Richtung getan.“ Kadri Simson, Ministerin für Wirtschaft und Infrastruktur der Republik Estland]

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) kritisierte diesen Beschluss als untauglich, um den dringend notwendigen Umbau des Energiesystems voranzutreiben.

[note Sam Morgan schreibt auf EURACTIV, „die Energieminister brauchten über 15 Stunden, um gemeinsame Positionen zu den Entwürfen für vier EU-Vorschriften über saubere Energie zu vereinbaren“. Der Rat verfüge jetzt immerhin über eine offizielle Verhandlungsposition. Es liegt nun am EU-Parlament, seine Positionen festzulegen. Bei der Marathonsitzung  konnten sich die Energieminister zwar erstmals auf eine gemeinsame Position zur Elektromarkt-Richtlinie einigen, die es den Lieferanten erlaubt, die Elektrizitätspreise frei festzulegen. Die Mitgliedsstaaten billigten den Text jedoch nur unter der Bedingung, dass Preisregulierung unter bestimmten Voraussetzungen möglich bleibt. EU-Klima- und Energiekommissar Miguel Arias Cañete, der bei allen Sitzungen des Tages anwesend war, sagte in einer Pressekonferenz dass die trilateralen Gespräche der EU es ermöglichen würden „regulierte Preise vollständig abzuschaffen“ nachdem die Kommission und das Parlament ihre Positionen zur Geltung gebracht hätten.]

Diese allgemeine Ausrichtung bedeutet, dass der Rat im nächsten Jahr Verhandlungen mit dem Parlament aufnehmen kann. Dies sind die zentralen Elemente des Standpunkts des Rates:

  • Im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission sollen mit neuen Vorschriften geeignete Bedingungen für den Stromhandel innerhalb unterschiedlicher Zeitrahmen geschaffen werden, aber mit dem klaren Ziel, dass der Handel echtzeitnäher wird. Dies ermöglicht einen höheren Anteil der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in den Energiesystemen. Mit den neuen Bestimmungen über Dispatch und Bilanzkreisverantwortung sollen die Marktverzerrungen dadurch eingeschränkt werden, dass im Vergleich zur jetzigen Situation weniger Ausnahmen gestattet werden.
  • Die Grundsätze für die Festlegung von „Gebotszonen“, mit anderen Worten von Stromhandelszonen, werden klarer definiert. Die Vorschriften über die Kapazitätsvergabe gemäß dem Kommissionsvorschlag verlangen, dass die maximale Kapazität den Marktteilnehmern an der Grenze einer Gebotszone zugeteilt wird. Im Text des Rates wird für die maximale Kapazität an der Grenze ein Richtwert festgelegt, der eingehalten werden muss. Länder unterhalb des Richtwerts müssen Abhilfemaßnahmen ergreifen oder die Gebotszonen umgestalten. Für den gesamten Prozess wurde eine Frist festgelegt, und die Kommission erhält die Möglichkeit einzugreifen, wenn der Richtwert nicht bis zu dem vorgesehenen Zeitpunkt erreicht worden ist.

Kapazitätsmechanismen

  • Anlagen werden auch weiterhin belohnt, wenn sie Stromerzeugungskapazität durch Kapazitätsmechanismen zur Verfügung stellen, damit Nachfragespitzen bewältigt werden können. Zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes müssen die Vorschriften für diese Mechanismen harmonisiert werden. Der Standpunkt des Rates enthält die Gestaltungsgrundsätze für Kapazitätsmechanismen sowie die Bedingungen für ihre Umsetzung. Ein wichtiges Element ist, dass sich neue Anlagen nach 2025 nur beteiligen können, wenn ihre Emissionen im Jahresdurchschnitt unter 550 g CO2/kWh oder unter 700 kg CO2 pro installierte Leistung (kW) liegen. Auch gibt es eine Obergrenze für die Beteiligung bestehender Kraftwerke, die keinen Anspruch auf Zahlungen nach 2030 haben, und nach 2025 müssen die Zahlungen zurückgehen.
  • Eine europäische Abschätzung der Angemessenheit der Ressourcen wird eingeführt und zusammen mit den einzelstaatlichen Vorschriften als Grundlage für Entscheidungen über die Kapazitätsmechanismen herangezogen.
  • Der allgemeinen Ausrichtung zufolge wird die Kommission bis 2025 einen Bewertungsbericht darüber erstellen, welche Elemente der bestehenden Netzkodizes in Rechtsakte der EU über den Elektrizitätsbinnenmarkt aufgenommen werden könnten. Die Netzkodizes können bis Ende 2027 geändert werden.
  • Darüber hinaus wird mit der allgemeinen Ausrichtung die Einrichtung einer europäischen Organisation der Verteilernetzbetreiber unterstützt und die Rolle der regionalen Sicherheitskoordinatoren gestärkt, indem deren geografischer Zuständigkeitsbereich und deren konkrete Aufgaben festgelegt werden.

->Quellen und Pressemitteilungen: