Erneuter Nachweis: Erhebliche Gesundheitsbelastungen durch NO2

UBA-Studie ordnet  Stickstoffdioxid-Gefahren in Deutschland ein

Die NO2-Konzentrationen in der Außenluft in Deutschland führen zu erheblichen Gesundheitsbelastungen. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München (EPI) und der IVU GmbH Freiburg im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA). Demnach lassen sich für das Jahr 2014 statistisch etwa 6.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die NO2-Hintergrund-Belastung im ländlichen und städtischen Raum zurückführen. Die Studie sei die erste kleinräumige Schätzung der Folgen einer NO2-Langzeitexposition für Deutschland und zeige außerdem: Die Belastung mit Stickstoffdioxid steht im Zusammenhang mit Krankheiten wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), Asthma und Schlaganfällen – so die Forscher.

Durch NO2 verursachte Krankheitslasten Studientitel © Umweltbundesamt 01/2018

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger: „Die Studie zeigt, wie sehr Stickstoffdioxid der Gesundheit in Deutschland schadet. Wir sollten alles unternehmen, damit unsere Luft sauber und gesund ist. Gerade in den verkehrsreichen Städten besteht Handlungsbedarf. Das hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Selbst Fahrverbote sind als letztes Mittel demnach möglich.“

„Unsere Arbeit liefert ein solides Datenfundament für die Frage, welche gesundheitlichen Konsequenzen die teilweise hohe Stickoxid-Belastung in deutschen Städten haben kann“, erklärte EPI-Direktorin Prof. Annette Peters.

Die Studie zeigt laut UBA unter anderem, dass acht Prozent der bestehenden Diabetes mellitus-Erkrankungen in Deutschland im Jahr 2014 auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückzuführen waren. Dies entspreche etwa 437.000 Krankheitsfällen. Bei bestehenden Asthmaerkrankungen liege der prozentuale Anteil der Erkrankungen, die auf die Belastung mit NO2 zurückzuführen sind, mit rund 14 Prozent sogar noch höher, nämlich bei etwa 439.000.

„Epidemiologische Studien ermöglichen zwar keine Aussagen über ursächliche Beziehungen. Jedoch liefern sie zahlreiche konsistente Ergebnisse über die statistischen Zusammenhänge zwischen negativen gesundheitlichen Auswirkungen und NO2-Belastungen.“

Den im Rahmen der Studie verwendeten Modellrechnungen lägen dabei bewusst vorsichtige Annahmen zugrunde: Zum einen seien nur Krankheiten berücksichtigt worden, die mit hoher Gewissheit in Zusammenhang mit Stickstoffdioxidbelastungen stehen. Zum anderen seien für NO2-Belastungen unterhalb von 10 µg/m³ keine gesundheitlichen Auswirkungen berechnet worden, da hier aktuell nicht ausreichend verlässliche Studien vorlägen, die den Zusammenhang zwischen diesen niedrigen Konzentrationen und gesundheitlichen Effekten zweifelsfrei bestätigen. Zudem sei für die Gesamtbevölkerung in Deutschland, aufgrund methodischer Limitationen, lediglich die NO2-Belastung des städtischen und ländlichen Hintergrunds berücksichtigt und bestehende Spitzenbelastungen an verkehrsreichen Straßen („Hot Spots“) nicht miteinbezogen worden.

Um auch den Einfluss von Spitzenbelastungen beurteilen zu können, wurde laut UBA zusätzlich der verkehrsbezogene Anteil an der Krankheitslast durch NO2 exemplarisch für ausgewählte Modellregionen sowohl in Ballungsgebieten als auch in einem Flächenland geschätzt. Hier habe sich eine Erhöhung der Krankheitslast um bis zu 50 Prozent gegenüber den Regionen ergeben, in denen nur die Hintergrundbelastung zugrunde gelegt worden sei. „Dies belegt, dass die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle im Zusammenhang mit Stickstoffdioxid an stark belasteten Standorten deutlich höher liegt“, so Krautzberger.

Die Studie spricht von „attributablen Todesfällen“. Neben den attributablen Todesfällen kann die Krankheitslast auch als „YLL“ dargestellt werden. YLL steht für Years of Life lost, verlorene Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Versterbens. Die YLLs können auch als Rate in YLL pro 100.000 Einwohner dargestellt werden. Auf diese Weise lassen sich Krankheitslasten verschiedener Risikofaktoren leichter vergleichen. Die Berechnung der Krankheitslast von NO2 basiert auf der wissenschaftlich begründeten Annahme, dass mit einem linearen Anstieg der NO2-Konzentration im Jahresmittel von 10 µg/m³ das Risiko, an Herzkreislauferkrankungen zu versterben, um 3 Prozent ansteigt.

Insgesamt sinkt die Belastung mit Stickstoffdioxid seit einigen Jahren leicht, allerdings werden die Grenzwerte vielerorts immer noch nicht eingehalten, wie auch die aktuellen Daten für das Jahr 2017 zeigen. „Eine bedeutende Ursache für schädliche Stickoxide in der Atemluft sind eindeutig Diesel-Pkw – auch außerhalb der hochbelasteten Straßen“ (Krautzberger).

Viele Studien ausgewertet

Zur Arbeitsweise: „Für die aktuelle Studie wurden viele bereits publizierte wissenschaftliche Untersuchungen ausgewertet. Es wurde zunächst geprüft, für welche gesundheitlichen Auswirkungen verlässliche statistische Zusammenhänge mit NO2-Belastungen nachgewiesen wurden. Hierzu wurden epidemiologische Studien recherchiert, deren Ergebnisse auf die deutsche Bevölkerung übertragbar sind.

Mess- und Modelldaten zur Stickstoffdioxid-Konzentration wurden mit Informationen zur Bevölkerungsdichte kombiniert. Die Verschneidung dieser Daten erlaubte eine Aussage über die Höhe der NO2-Belastungen, der die Menschen in Deutschland im Jahresdurchschnitt ausgesetzt waren. Verknüpft mit relevanten Statistiken zur Gesundheit der Bevölkerung (zum Beispiel der Todesursachenstatistik) und unter Nutzung des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelten Konzepts zur Berechnung der umweltbedingten Krankheitslast (EBD – Environmental Burden of Disease) wurde berechnet, wie viele Erkrankungen und Todesfälle in Deutschland statistisch gesehen auf die Belastung durch Stickstoffdioxid zurückzuführen sind.“

Die Studie wurde für das UBA vom Helmholtz Zentrum München und der IVU Umwelt GmbH durchgeführt. Aus der Mitteilung des EPI II (Helmholtz München): „Einen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang wird die Epidemiologie nicht liefern können, denn es handelte sich nicht um ein kontrolliertes Experiment. Die Epidemiologie ist aber laut den Autoren die einzige Möglichkeit, die Auswirkungen von NO2 auf die Bevölkerung direkt zu quantifizieren. Zudem fehlen diagnostische Möglichkeiten, den Tod von Menschen direkt dem Reizgas zuzuordnen. Hier werden künftig gemeinsame Arbeiten mit weiteren Disziplinen wie etwa der Toxikologie gefragt sein, um den Zusammenhang weiter aufzuklären. „Bis dahin bleibt die Epidemiologie das beste Werkzeug was wir haben, um die Auswirkungen von NO2 zu beschreiben“, erklärt Annette Peters. Ebenfalls an der UBA Studie beteiligt war die IVU Umwelt GmbH Freiburg. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Epidemiologie befassen sich seit vielen Jahren mit den Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit. 2016 konnte ein Team um Dr. Kathrin Wolf beispielsweise zeigen, dass das Risiko, eine Insulinresistenz als Vorstufe von Typ-2-Diabetes zu entwickeln, steigt, wenn die Luft am eigenen Wohnort belastet ist.“

->Quellen: