Audi-CEO Stadler in U-Haft

Staatsanwalt: Verdunkelungsgefahr

Rupert Stadler, der Chef der VW-Tochter Audi (Die Welt: „Keimzelle des Dieselbetrugs“), ist am 18.06.2018 wegen Verdunkelungsgefahr, so die Staatsanwaltschaft, in Untersuchungshaft genommen worden. Damit sitzt der erste Top-Manager der Autobranche wegen des Dieselskandals in U-Haft. Audi und die VW-Mutter bestehen auf der Unschuldsvermutung.

Die vier Audi-Ringe – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Ermittler werfen dem Audi-Chef unter anderem Betrug vor: Er habe Hunderttausende von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgasreinigung in Verkehr gebracht. Der Audi-Chef soll nach Beginn der Abgasaffäre im Herbst 2015 im eigenen Unternehmen Hinweise bekommen haben, dass außer bei Volkswagen auch bei der Ingolstädter VW-Tochter Autos mit betrügerischer Abgassoftware gebaut und verkauft würden. Wegen dieser Vorwürfe hatte die Münchner Staatsanwaltschaft jüngst Stadlers Wohnung durchsucht. Außerdem sind seine Telefonate vor und nach der Razzia abgehört worden. Das erfuhren NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ aus Kreisen von Verfahrensbeteiligten.

Bereits am 27.09.2016 berichtete Solarify unter dem Titel „Audi Mutter des Abgas-Betrugs“ über Recherchenergebnisse von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, wonach Audi entgegen bisherigen Angaben offenbar über Jahre hinweg gezielt eine Manipulationssoftware eingesetzt, um die Abgas-Grenzwerte in den USA einhalten zu können. Die betrügerische Software sei in den Dreiliter-Motoren eingesetzt worden. Bereits 2007 soll ein Audi-Ingenieur an einen größeren Kreis von Managern per E-Mail geschrieben haben, dass man die strengen US-Normen nicht „ganz ohne Bescheissen“ einhalten könne. Ingolstädter Ingenieure sollen auch maßgeblich an den Manipulationen im Mutterkonzern VW beteiligt gewesen sein, so dass Audi mittlerweile im Konzern als „Mutter des Betrugs“ galt.

Einem Medienbericht zufolge übte Bayerns damaliger Ministerpräsident Horst Seehofer bereits fast ein Jahr zuvor Druck auf das Bundeskanzleramt aus. Mit einem vertraulichen Positionspapier hatte die Münchner Staatskanzlei Einfluss auf die anstehende EU-Entscheidung zu Abgas-Grenzwerten zu nehmen versucht – und dabei eins zu eins die Positionen von BMW übernommen – so der Münchner FOCUS. Über dieses Positionspapier vom 27.10.2015 berichteten die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR. Darin seien vor allem die „wichtigsten Forderungen der BMW Group“ herausgestellt worden, die eine deutliche Lockerung der geplanten Abgas-Grenzwerte für Dieselmotoren in der EU darstellten. Der VW-Skandal war zu dieser Zeit gerade mal einen Monat alt. Die Intervention aus Bayern über Berlin bei der EU war demnach äußerst erfolgreich: Die in Brüssel später beschlossenen Grenzwerte hätten laut SZ im Detail den BMW-Forderungen entsprochen. Konkret sei es darum gegangen, einen höheren Ausstoß von Stickoxiden zu erlauben, als ursprünglich geplant.

Die Welt: „Die Quelle für Dieselgate ist offenbar das Audi-Werk Neckarsulm. Dort wurden schon 1999 für TDI-Motoren die ersten – legalen – Abschalteinrichtungen entwickelt. Diese Software wurde dann weiterentwickelt, um den Abgasausstoß immer zu reduzieren, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand war. Die Audi-Techniker hatten damit in Neckarsulm das entwickelt, was inzwischen verharmlosend als Schummelsoftware bezeichnet wird und den Konzern in die tiefste Krise seiner Existenz gestürzt hatte.“

„Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat“, teilte die Staatsanwaltschaft München II mit. Ein VW-Sprecher bestätigte den Vorgang. „Darüber hinaus können wir uns vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen inhaltlich nicht äußern. Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.“

Personalkarussell – Winterkorn…?

Interimschef soll laut Süddeutscher Zeitung Vertriebsvorstand Bram Schot werden. Der VW-Aufsichtsrat konnte sich in einer ersten Krisensitzung noch nicht auf eine Personalentscheidung einigen.

„Ende vergangener Woche überraschte Audi mit einer Pressemitteilung, die irgendwie ganz anders war als die sonst übliche Marketing-Lyrik über tolle neue Autos. Es ging um die Abgasaffäre. Genauer: um ihre Aufarbeitung,“ schrieb die Süddeutsche am 17.06.2018 – kurz bevor Stadler festgenommen worden war. „Audi arbeitet weiter mit Hochdruck an systematischem Mess- und Prüfprogramm“ hieß es da; man arbeite „mit Hochdruck daran, die systematischen Messungen aller Motor-Getriebekombinationen bei V6-Dieselmotoren zum Abschluss zu bringen.“ Im Juli wolle man dem Kraftfahrt-Bundesamt Ergebnisse zur Bewertung vorlegen. Bernd Martens, Vorstand Beschaffung und Leiter der Taskforce der Audi AG und noch auf freiem Fuß, ließ sich zitieren: „Das systematische Prüfen der Motorsteuerungssoftware von allen Motor-Getriebekombinationen bei Dieselmotoren und die gleichzeitige Umsetzung des neuen Prüfverfahrens WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) stellen eine große Herausforderung für die Prüfstände und die Audi-Mitarbeiter dar. Trotzdem soll das systematische Prüfprogramm bald abgeschlossen und die Ergebnisse mit dem Kraftfahrt-Bundesamt besprochen werden.“ Als Ergebnis seiner Aufklärungsarbeit habe Audi „viele Prozesse neu aufgesetzt und sogenannte ‚Golden Rules‘ für den Bereich der Fahrzeugentwicklung eingeführt. Zusammen mit neuen Verhaltensgrundsätzen, gibt es nun ein konzernweit einheitliches Regelwerk. Das alles dient dazu, mit einem Mehraugenprinzip und klaren und verteilten Zuständigkeiten die vielen Schritte auf dem Weg zur Typprüfung im Detail zu beschreiben und präzise zu dokumentieren und deren Einhaltung sicherzustellen.

Vorwurf: Betrug und mittelbare Falschbeurkundung

Gegen Stadler, seit elf Jahren Audi-Chef, und Martens waren vor kurzem Ermittlungsverfahren wegen „Betrugs sowie mittelbarer Falschbeurkundung“ eingeleitet worden. Zur Beweissicherung waren die Privatwohnungen durchsucht worden. Nach SPIEGEL-Informationen hatten die Ermittler dabei Hinweise gefunden, dass der Audi-Chef die Beseitigung von Beweismitteln und auch die Beeinflussung von Zeugen und anderen Beschuldigten planen könnte. Martens leitet die Audi-Diesel-Taskforce, mit der eigentlich die Manipulationen an den Dieselautos intern aufgearbeitet werden sollten. Anderen Berichten zufolge soll Stadler bereits aktiv versucht haben, Zeugen zu beeinflussen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die Ermittler Telefonate des Audi-Chefs abgehört und sollen dabei auf den Versuch der Vertuschung gestoßen sein.

Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Gegen Stadler waren immer wieder Rücktrittforderungen laut geworden. Im März 2017 und im Februar 2018 waren die Audi-Zentrale in Ingolstadt und das Werk Neckarsulm durchsucht worden. Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützen sich auf die diesbezügliche Korrespondenz. In den USA wurden bereits zwei ehemalige VW-Manager wegen des Dieselskandals zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt

Der 55-jährige Stadler konnte sich elf Jahre lang auf die Rückendeckung der Familien Porsche und Piech verlassen, die werden offenbar jetzt zurückhaltender. Es gebe keine „Nibelungentreue“ zu Stadler, hieß es. Die Familien sollen im Moment allerdings noch nicht von Stadler abrücken. Selbst bei einer Anklage könne der Aufsichtsrat ihm das Vertrauen aussprechen, so eine Stimme aus dem Familienumfeld. Immerhin hat der millionenfache Abgasbetrug den VW-Konzern inzwischen mehr als 25 Milliarden Euro gekostet.

Für Winterkorn kann es auch eng werden

In der Welt schrieben der Verantwortliche für die Schummelsoftware sei damals bei Audi Martin Winterkorn gewesen: „Der trat erst Anfang 2007 den Job als Vorstandschef der Volkswagen AG an, als der EA 189 serienreif war. Wenn nun wegen der Abgasaffäre Rupert Stadler in U-Haft genommen wird, könnte es schnell auch ganz eng für Martin Winterkorn werden – wenn sich die Ermittler auf den Keim von Dieselgate konzentrieren, die Entwicklung der Betrugssoftware, gerät automatisch nicht Stadler in den Fokus, sondern Winterkorn“.

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