„Sputet Euch!“

Wissenschaft befürchtet schon bei 1,5° Erwärmung weltweit Risiken für Mensch und Natur

Der neue IPCC-Sonderbericht, der am 08.10.2018 in Incheon, Südkorea, veröffentlicht wurde, zeigt, dass bereits bei 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung weltweit hohe Risiken durch die Klimafolgen bestehen, so eine gemeinsame Medienmitteilung von BMBF und BMU. Der in Paris anlässlich der COP21 in Auftrag gegebene Bericht fasst den wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Folgen einer Erwärmung von 1,5°C  und darüber zusammen und definiert die damit einhergehenden nötigen Emissionsverringerungen. Er untersucht außerdem konkrete Maßnahmen zur Verstärkung und Beschleunigung des Kampfes gegen den Klimawandel. Im Rahmen einer Pressekonferenz zum IPCC Sonderbericht betonten die beiden Staatssekretäre der Ministerien, Jochen Flasbarth und Michael Meister im Berliner BMU die Dringlichkeit der Maßnahmen.

Prof. Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II und Mitautor des Berichts, aus Incheon, Korea, zugeschaltet, erläuterte zunächst den Arbeitsablauf: 41 Autoren aus 40 Ländern und 133 sogenannte beitragende Experten hätten am Bericht mitgeschrieben, 6.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen seien eingesehen und 43.000 Kommentare berücksichtigt worden, schließlich 1.113 Gutachten – das sei „eine durchaus solide wissenschaftliche Grundlage“.

Pörtner sagte dann als Kurzergebnis des Berichts, die Erwärmung gehe schneller vonstatten, als bisher befürchtet – aber sie sei noch aufzuhalten – wenn wir schnell handelten: „Bereits jetzt sind Auswirkungen der Erwärmung um eine Grad festzustellen – insgesamt ist bis zum Ende des Jahrhunderts ein Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter nicht auszuschließen.“ Auf jeden Fall sei bis 2050 eine Nettoreduzierung der Treibhausgas-Emissionen „auf 45% des Standes von 1990 nötig“. Nie dagewesene Veränderungen seien erforderlich: Auf jeden Fall müsse die Menschheit weg kommen von den Subventionen für fossile Energieträger – und negative Emissionen (CO2-Entnahme aus der Luft) würden notwendig. Die derzeitigen nationalen Ziele reichten nicht aus: Mit denen landen wir bei 3 Grad Erwärmung – also müssen wir die CO2-Emmissionen deutlich vor 2030 entscheidend senken.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium bekannte sein Erstaunen: „Der IPCC-Bericht hat eine völlig andere Dimension, als das, was wir 2015 in Paris beschlossen haben“. Er enthalte zwei Botschaften:

  1. „Es ist noch möglich, 1,5 Grad zu erreichen – diese Aussage ist positiv.
  2. Aber die Unterschiede zwischen 1,5 und 2 Grad sind gewaltig  – diese Aussage ist erschütternd.“

Wir hätten aber die Technologien, Nicht nur CCS und CCU, sondern vor allem seien wir auf dem Weg zu den Erneuerbaren Energien  sehr sehr weit vorangeschritten. „Noch nicht so gut ist, dass wir zwar eine neues Konzeption haben, ohne uns aber vom Alten zu verabschieden.“ Letzteres sei immer das Schwerste – aber: „Jeder, der meint, dass man das fossile Zeitalter weiter verlängern könnte, der irrt einfach!“ Die EU-Kommission habe bis jetzt noch keine Erhöhung der Werte vorgeschlagen – der Brüsseler Beschlussentwurf bilde die aktuelle Lage noch nicht ab. Flasbarths Fazit: „Sputet Euch!“

Michael Meister, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF betonte, der IPCC-Bericht sei kein politischer, sondern ein wissenschaftlicher Bericht. „Für politische Entscheidungen ist aber die Akzeptanz entscheidend, und zwar weltweit, deshalb würde es mich freuen, wenn die Bereitschaft, wissenschaftliche Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen, wachsen würde. Wir brauchen einen offenen Umgang mit neuen Technologien, müssen einen ideologiefreien Zugang finden. Sozial und ökologisch muss begleitend geforscht werden.“ Die Regierung habe 1,7 Mrd. Euro in die Nachhaltigkeitsforschung gesteckt, davon 60 Millionen in Klimaforschung. Nachdem die Klimaschutz-Maßnahmen nicht ausreichen, bedürfe es aber „keiner Veränderung der Zielvereinbarung, sondern Verstärkung der Maßnahmen“.

[note Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Risiken für Natur und Mensch zwischen 1,5 Grad Celsius und 2 Grad Celsius globaler Erwärmung stärker ansteigen als bisher bekannt. Extremereignisse nehmen deutlich zu. Insbesondere wird es weltweit zu verstärkten Hitzewellen kommen, Starkregenereignisse werden vermehrt auftreten sowie in manchen Regionen extreme Dürren. Sensible Ökosysteme wie beispielsweise die tropischen Korallenriffe oder auch die der Arktis sind besonders bedroht. Alle mit dem 1,5 Grad Celsius-Ziel kompatiblen Emissionspfade erfordern weltweit eine radikale Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, um bis zur Mitte des Jahrhunderts CO2-Neutralität zu erreichen. Mit den derzeitigen Emissionsraten würden 1,5 Grad Celsius in den 2040er Jahren bereits überschritten werden.]

Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (bei der Pressekonferenz nicht anwesend) sehen in dem Bericht einen weiteren Beleg für die Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels, da die derzeitigen Anstrengungen im Klimaschutz nicht ausreichten. Dem Bericht zufolge liegt die aktuelle globale Erwärmung bereits bei etwa 1 Grad Celsius und die derzeitigen Anstrengungen im Klimaschutz reichten nicht aus, um die internationalen Klimaziele zu erreichen.

Schulze: „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren. Das ist die Kernbotschaft des Berichts. Die nächsten Jahre sind entscheidend, damit unser Planet nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Dafür trägt gerade unsere Generation eine herausragende Verantwortung. Wir müssen den Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen. Jede vermiedene Tonne CO2, jedes vermiedene Zehntel Grad Erderwärmung zählt. Dieser Umbau bringt viele Veränderungen mit sich und die große Chance, unsere Wirtschaft zukunftsfähiger und unsere Gesellschaft lebenswerter zu machen.“

Karliczek: „Der Bericht zeigt: Der Klimawandel stellt uns als Gesellschaft in Deutschland, aber auch weltweit vor große Herausforderungen. Wir brauchen starke Beiträge aus der Forschung und müssen das Potenzial der Wissenschaft noch stärker ausschöpfen, um ihn in den Griff zu bekommen. Gute Ideen aus der Forschung und ein entschlossenes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können die notwendigen Veränderungen voranbringen. Diese müssen den Klimawandel mindern, gleichzeitig sozialverträglich gelingen und Innovationsschübe für die Wirtschaft liefern.“

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