Auch Kleinwind macht Strom

Kleinwindbranche wartet nach wie vor auf den großen Durchbruch

Von der Politik chronisch vernachlässigt, sortiert sich derweil die Kleinwindanlagen-Branche. Je kostengünstiger Stromspeicher sind, desto interessanter werden auch Kleinwindanlagen, da der Selbstversorgungsgrad der Betreiber angehoben wird. Zwar wächst der Markt – doch Euphorie sieht anders aus. Der freie Autor Dierk Jensen hat am 16.11.2018 für energiezukunft Probleme, Potenziale bzw. Erfolgsaussichten der Branche beleuchtet. – Mit freundlicher Genehmigung –

Politik erkennt Potenzial von Kleinwindanlagen für Energiewende nicht – Foto © Dierk Jensen

Wenn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) irgendwann nicht mehr da sein sollte, wird es die Betreiber von Kleinwindanlagen kaum stören. „Das ist sinnbildlich ungefähr so, als würden sie Insekten fragen, ob es sie jucken würde, wenn sich Elefanten kratzen“,  bekräftigt Stephan Schwartzkopff, Vorsitzender des Bundesverbandes Kleinwindanlagen (BVKW). Die Pointe ist ganz bei ihm, denn in der Tat haben sich die Energiepolitiker, aber auch die Akteure der Großen Windenergie und überhaupt die Lobbyisten der Energiewende bisher wenig engagiert für die kleine Windenergie.

Wozu klein, wenn es auch groß geht? Das war häufig die Replik, die den Herstellern und Entrepreneuren von Kleinwindanlagen in den letzten Jahren um die Ohren geschlagen wurde. Und tatsächlich bewegt sich der Wind-Mainstream nur noch im Multimegawatt-Bereich und bricht dabei einen Installationsrekord nach dem anderen. Unterdessen treten Kleinwindanlagen, ob sie nun von Antaris, EasyWind, PSW oder Lely Aircon sind, allenfalls als schmückendes Beiwerk in Erscheinung.

„Wir sind auf den großen Windmessen peu à peu verdrängt worden“, konstatiert Schwartzkopff. Daher freut er sich umso mehr, dass die Kleinwind-Community jetzt bei der Intersolar-Messe angekommen ist.  Sogar erfolgreich, wie Schwartzkopff betont, „die Leute merken, dass Kleinwind und Speicher und Solar zueinander passen.“

„Die leere Mitte der Windenergie“

Dabei definiert der BVKW „alle Anlagen, die unter 50 Kilowatt Leistung und unter 50 Meter Nabenhöhe liegen als Kleinwindanlagen“. Alles was darüber hinausgeht brauche zusätzliche bauliche, schallschutz- und umweltrechtliche Genehmigungen (BimschG), die den Aufwand in ein Missverhältnis brächten und das Konzept von Eigenverbrauchssystemen überspanne. Deshalb betrachtet sich der BVKW nicht als Interessenvertreter für Anlagen über 50 kW Leistung, obgleich sich Schwartzkopff über die, wie er formuliert, „leere Mitte der Windenergie“ von 50 kW bis zu einer Leistung von einem Megawatt sehr wundert.

„Die deutsche Windenergie-Industrie verabschiedet sich von diesem Segment gänzlich, diese Anlagenklasse wird hierzulande abgebaut, verschifft und fertig“, kritisiert der BVWK-Vorsitzende, „obwohl gerade diese Größendimension in vielen Teilen der Welt genau die richtige ist.“ Aber das würden die Granden der Windindustrie ignorieren. Insofern versucht der BVWK zumindest das untere Segment der „leeren Mitte“ zu beleben.

Was einigen der insgesamt 86 Verbandsmitglieder auch gelingt. So gehört beispielsweise die EasyWind GmbH aus Nordfriesland zu den Herstellern, die schon länger am Markt sind; insbesondere kann EasyWind mit ihrer 6-kW-Anlage schon auf viele gute Erfahrungswerte zurückgreifen. Rund 400 Anlagen haben die Nordfriesen in der Vergangenheit schon ausgeliefert. Vor allem in Schleswig-Holstein ist der Vierflügler weit verstreut zu entdecken, aber auch in Dänemark drehen sich welche und ebenso in anderen Bundesländern, wie in Niedersachsen.

„Dort gibt es aber wegen der niedersächsischen Landesbauordnung einen ziemlich schweren Genehmigungsprozess zu überwinden“, bemerkt EasyWind-Mitarbeiterin Heidi Paulsen kritisch an. Dabei steht die 6-kW-Anlage optisch unauffällig auf einem kleinen, schlanken Stahlrohr, der mit Seilen abgesteift wird. Rund 30.000 Euro müssen die Betreiber für das Modell auf den Tisch blättern. Nicht wenig, allerdings erntet die schlicht konzipierte EasyWind an guten Windstandorten, wie beispielsweise auf der Nordseeinsel Pellworm, gute Erträge: 15.000 Kilowattstunden und mehr liefert sie dort pro Jahr. Darüber hinaus investieren bereits einige Kunden beim Kauf einer Kleinwindanlage zugleich in einen Stromspeicher. „Damit erreicht man einen Selbstversorgungsgrad von über 75 Prozent“, unterstreicht Heidi Paulsen.

Trotz dieser einzelnen Erfolgsgeschichten wartet die Kleinwindbranche nach wie vor auf den großen Durchbruch. Dies zeigt sich auch an der installierten Leistung, die kumuliert im Jahr 2017 bei rund drei Megawatt liegen soll; das entspricht ungefähr tausend  neu errichteten Anlagen, wie in den Reihen des BVWK vorsichtig geschätzt wird. Schätzung deshalb, weil es bislang gar keine zentrale Statistiken gibt und viele Inselanlagen im Kilowatt-Bereich einfach nicht gemeldet werden. Hinzu kommt das strukturelle Problem der Kleinwindanlagen-Branche: Zwischen den ganz kleinen Anlagen um ein Kilowatt Leistung herum bis zu denen, die fünf Kilowatt oder denen, die zehn Kilowatt und mehr Leistung aufweisen, liegen technisch betrachtet Welten. Daher sind Stromgestehungskosten zwischen diesen Größen nur sehr eingeschränkt vergleichbar.

Technik wird besser, Erträge steigen

Allerdings ist bei allen Größenordnungen im Kleinwind-Spektrum eine Gemeinsamkeit in der technischen „Die Branche entwickelt sich zwar langsam, aber organisch“ Weiterentwicklung festzustellen. „Die Flügel werden im Verhältnis zur Nennleistung immer länger, so dass am Ende mehr Strom erzeugt wird“, konstatiert Patrick Jüttemann. Der Diplom-Geograph aus Bad Honnef gibt den „Kleinwind-Marktreport 2018“ heraus, der einen guten Überblick über das deutsche Marktgeschehen bietet. Rund 30 Hersteller mit ihren jeweiligen Produktportfolios stellt Jüttemann en Detail vor. „Die Branche entwickelt sich zwar langsam, aber organisch“, attestiert Jüttemann der Kleinwind-Technologie eine insgesamt positive Lernkurve.

Die hat auf jeden Fall auch die Lely Aircon schon durchschritten, die nach der Übernahme der früheren Aircon-Produktion durch das niederländische Agrartechnologie-Unternehmen Lely vor einigen Jahren neu durchstartete. Nach Aussage von Maximilian Schäfer, Vertriebsleiter der Lely Aircon, entwickele sich das Geschäft derzeit positiv. Da Lely weltweit ein führender Hersteller im Melkroboter-Bau ist, landet das Tochterunternehmen aus Leer vor allem bei „Wir decken mit unserer 30-kW-Anlage etwas mehr als die Hälfte unseres Strombedarfs“, Milchviehhaltern gut. Weil der Melkroboter rund um die Uhr gleichmäßig Strom bezieht, bietet sich eine direkt am Stall installierte Windenergieanlage zur Deckung des Eigenverbrauchs ziemlich gut an.

„Wir decken mit unserer 30-kW-Anlage etwas mehr als die Hälfte unseres Strombedarfs“, zeigt sich Landwirt Gerhard Hanneken aus dem emsländischen Bockhorst zufrieden mit seiner im Februar 2017 installierten Lely mit einer Nabenhöhe von 42 Metern. Der auf einem Gittermast montierte Dreiflügler steht nur ein paar Meter neben dem Stallneubau. Da alles problemlos laufe und die Mühle sich schon nach rund zehn Jahren amortisiert habe, ist Hanneken sogar am Überlegen, ob er noch eine zweite Anlage errichten soll. Dann wird es wahrscheinlich das neue 30-kW Modell sein, das über längere Flügel verfügt und im März auf der Husumer Messe new energy erstmals vorgestellt wurde. „Der größere Rotordurchmesser sowie das neue Blattprofil ermöglichen auch im Binnenland Top-Erträge“, wirbt Maximilian Schäfer für das neue Produkt. Bisher konnte Lely Aircon einige Dutzend Anlagen hauptsächlich im norddeutschen Raum ausliefern. Nicht schlecht, wenngleich auch der Vertriebsleiter Schäfer von wahrer Euphorie noch weit entfernt ist.

[note „Leider müssen wir immer größere Hürden überwinden: Die Untere Naturschutzbehörde verlangt sehr oft unverhältnismäßig hohe Prüfumfänge. Die Politik sollte endlich das Potential der Kleinwindkraft – damit meinen wir nicht Anlagen kleiner 10 kW – erkennen und dies unterstützen“, fordert Schäfer. „Wir können unseren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten, also sollte man uns auch lassen.“]

Gute Zeiten für Kleinwind werden noch kommen

Der Appell kommt aber in Berlin nur schwer an. „Die meisten Energiepolitiker der Großen Koalition wollen keine autarke private Energieversorgung“, schimpft Schwartzkopff, „und deshalb haben sie auch die kleine Windenergie nicht auf dem Schirm und zeigen kein Interesse an diesem vielschichtigen Markt“. Nichtsdestotrotz wissen aber auch Akteure der Großen Windenergie, welche Chancen die Kleinwind an vielen Orten der Welt bietet. Unter anderen auch Martin Lehnhoff, der den Offshore-Windpark Butendiek vor einigen Jahren als Projektleiter mit ans Netz brachte und demnächst im taiwanesischen Offshore-Geschäft involviert sein wird. So hat Lehnhoff ein eigenes Unternehmen namens Levento gegründet, das eine Kleinwindanlage mit einer Leistung von 5 kW entwickelt hat. Ein Protoyp dreht sich schon seit einigen Jahren in Rendsburg. Seither ist es um Levento aber ruhig geworden, was jedoch nicht hieße, so Lehnhoff, dass die technische Weiterentwicklung des Prototypen nicht weiterginge; allerdings hätten andere Herausforderungen höhere Priorität – daher müsse die Arbeit an Levento aktuell noch ruhen.

In der Tat braucht alles seine Zeit. Dies gilt sicherlich auch für den technischen Fortschritt bei Kleinwindanlagen, obgleich Patrick Jüttemann und andere Experten sich ziemlich sicher sind, dass bei höherer Stromausbeute, besseren und preisgünstigeren Speichern und zugleich steigenden Stromkosten die guten Zeiten für Kleinwind in Deutschland erst noch anbrechen werden. Man darf gespannt sein, was sich unterhalb der „stillen Mitte“ noch rühren wird. Dierk Jensen

->Quelle: energiezukunft.eu/erneuerbare-energien/auch-kleinwind-macht-strom/Dierk Jensen