Im Wortlaut: Konkrete Handlungsempfehlungen des SCCER CREST
Das vorliegende White Paper befasst sich mit den vom Bundesrat im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes ursprünglich vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen sowie der Bepreisung von fossilen Brenn- und Treibstoffen. Dementsprechend beziehen sich auch die Handlungsempfehlungen auf energiepolitische Aspekte.
Der Entwurf des revidierten CO2-Gesetzes sieht in seiner ursprünglichen Fassung vor, dass maximal 40% der angestrebten Reduktion im Ausland realisiert werden dürfen. Damit soll ermöglicht werden, kostengünstige Minderungspotenziale teilweise im Ausland auszuschöpfen. In Bezug auf den Kauf von internationalen Bescheinigungen über im Ausland erzielte Verminderungen von Treibhausgasemissionen gilt es allerdings Folgendes zu beachten:
- Bisher war die Additionalität solcher Bescheinigungen ein kritischer Punkt. Dadurch dass sich im Pariser Abkommen neu fast die gesamte Staatengemeinschaft zur Emissionseindämmung verpflichtet hat, ist zusätzlich ein besonderes Augenmerk auf die Verhinderung von Doppelzählungen zu richten. In Artikel 6 des Entwurfes des revidierten CO2-Gesetzes wird dieses Problems explizit Rechnung getragen. Seine Durchsetzung wird aber von der konkreten Ausgestaltung der supranationalen Modalitäten über die grenzüberschreitenden Anrechnungen von Emissionsminderungen abhängen.
- Bei Entscheidungen über langfristige Investitionen muss die zukünftige Verknappung von internationalen Emissionsminderungs-Bescheinigungen als Folge des Pariser Abkommens berücksichtigt werden. Damit kann vermieden werden, dass Investitionen nur kurzfristig, aber nicht langfristig rentieren.
Zur effizienten Vermeidung von inländischen Emissionen ist ein ausgeglichener impliziter CO2-Preis von großer Bedeutung. Im Unterschied zur expliziten CO2-Abgabe werden dabei andere bestehende Abgaben sowie der Zusatznutzen einer inländischen Emissionsvermeidung miteinbezogen. Eigene Abschätzungen zeigen, dass die impliziten CO2-Preise der verschiedenen Verwendungen von fossiler Energie sehr unterschiedlich und teilweise sogar negativ sind. Durch gezielte Preisanpassungen zur Korrektur von negativen Preisen ließen sich daher sowohl eine größere Wirkung als auch eine bessere Effizienz erzielen. Namentlich geht es dabei um folgende Bereiche:
- Beim Personenwagenverkehr sollte die CO2-Abgabe auch auf Treibstoffe ausgedehnt werden. Bei der konkreten Ausgestaltung der effizienten Preisgestaltung für Treibstoffe gilt es zu beachten, dass ein grosser Teil der lokalen externen Kosten nicht verbrauchs-, sondern fahrleistungsabhängig anfällt. Deshalb bietet sich für Personenwagen (inkl. Elektrofahrzeuge) eine fahrleistungsabhängige Verkehrsabgabe analog zur LSVA an. Die treibstoffabhängige Abgabe würde dann die CO2-Abgabe und die verbrauchsabhängigen lokalen externen Kosten, womöglich abgestuft nach Diesel- und Benzinfahrzeugen, sowie die Mehrwertsteuer enthalten und damit geringer ausfallen als die heutige Mineralölsteuer. In der Summe würde der Personenwagenverkehr aber stärker belastet als aktuell und als in der Vorlage des Bundesrates geplant.
- Im Rahmen eines Emissionshandelssystems mit Europa liesse sich durch einen Preiszuschlag, der die Differenz zwischen dem Marktpreis der Emissionsrechte und den lokalen externen Kosten ausgleicht, verhindern, dass der von dem Emittenten zu zahlende Preis geringer als die lokal verursachten Schäden ist. Dadurch liesse sich auch das Problem umgehen, dass Emissionsminderungen durch den Kauf von europäischen Emissionsrechten ins Ausland verlagert werden, obwohl wegen des Zusatznutzens im Inland eine inländische Vermeidung vorteilhaft wäre. Ein ähnliches System wird bereits im Vereinigten Königreich für die Emissionen von Kraftwerken praktiziert (Abrell et al. 2018).
- Beim internationalen Flugverkehr, dessen Emissionen (wie auch diejenigen des internationalen Schiffsverkehrs) weder im Pariser Klimaabkommen noch im CO2-Gesetz berücksichtigt werden, drängt sich zunächst und unabhängig von klimapolitischen Fragen die Belastung von Flugtreibstoffen mit der Mehrwertsteuer auf. Allerdings ist es der Schweiz aufgrund von internationalen Abkommen (Chicago Konvention) untersagt, Flugtreibstoffe zu besteuern. Die Anpassung des Abkommens muss daher in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft geschehen.
Während die CO2-Emissionen des Flugverkehrs zwischen der Schweiz und dem EWR in das europäische Emissionshandelssystem eingebunden werden sollen, besteht für die Emissionen von Flügen mit Start oder Landung außerhalb Europas noch gar keine Preisregulierung (Sachverständigenrat für Umweltfragen 2017). Die Schweiz kann solche Maßnahmen unilateral höchstens indirekt und unter Einhaltung der Chicago Konvention einführen. Sie kann sich aber im Rahmen des neuen Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) dafür einsetzen, dass die CO2-Emissionen des internationalen Flugverkehrs angemessen und möglichst bald bepreist werden (siehe: solarify.eu/flugverkehr-bis-2021-vom-ets-ausgenommen).
Das revidierte CO2-Gesetz in seiner vom Bundesrat vorgeschlagenen Form kann im Rahmen der Energiestrategie 2050 einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Energiesystems leisten. Mit verschiedenen Anpassungen und Ergänzungen ließe sich der Weg dorthin allerdings kostengünstiger ausgestalten, vor allem dann, wenn durch gezielte Preiserhöhungen negative implizite Preise vermieden würden.
ee-News: Die vorgeschlagenen preislichen Maßnahmen seien nicht als zusätzliche Steuern zu verstehen, die den Staatshaushalt erhöhen, sondern als Lenkungsabgaben, die zurückverteilt werden könnten und zu einer kostengünstigeren Minderung der CO2-Emissionen führten.
SCCER CREST
Das Competence Center for Research in Energy, Society and Transition (CREST) trägt zur Umsetzung der Energiestrategie
2050 bei, indem es detaillierte, forschungsbasierte Handlungsempfehlungen erarbeitet. Diese Empfehlungen
sollen helfen, die Energienachfrage zu reduzieren, Innovationen zu fördern und den Anteil der regenerativen Energieerzeugung
in einer kosteneffizienten Weise zu erhöhen.
In CREST arbeiten Forschungsgruppen aus neun grossen Schweizer Forschungsinstitutionen zusammen, die gemeinsam
die Handlungsfelder Wirtschaft, Umwelt, Recht und Verhalten abdecken.
CREST ist eines der acht von Innosuisse geförderten Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER). Weitere
Informationen zu unseren Forschungs- und Transfer-Aktivitäten finden Sie auf www.sccer-crest.ch.
->Quellen: