So früh wie nie: Erderschöpfungstag am 29. Juli

Germanwatch, WWF et al.: Deutscher Erdüberlastungstag war am 03.05.2019

Am 29. Juli haben wir unseren Ökosystemen bereits nach sieben Monaten mehr Holz, Pflanzen, Futtermittel, Fisch & Nahrungsmittel entnommen, als in unseren Fischgründen, Wald-, Weide- und Ackerflächen jährlich generiert werden können. Hinzu kommen die Treibhausgase, von denen die Menschheit bereits mehr in die Atmosphäre ausgestoßen hatte, als ansatzweise von den natürlichen Kreisläufen aufgenommen werden können. Die Folgen davon sind deutlich spürbar und vielen bekannt: der Rückgang der Artenvielfalt, der voranschreitende Klimawandel, schrumpfende Wälder, Überfischung, Müllberge.

Vor 20 Jahren lag der Erdüberlastungstag noch im Oktober. „Wir konsumieren und wirtschaften als gäbe es kein Morgen. Die Zeche dafür zahlen unsere Kinder und Enkelkinder. Wir müssen den Raubbau beenden und endlich in den natürlichen Grenzen der Erde leben. Dafür müssen wir unsere Finanz- und Wirtschaftssysteme auf Nachhaltigkeit umstellen“, fordert Eberhard Brandes, geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland.

Die Weltbevölkerung verbraucht inzwischen jährlich 75 Prozent mehr natürliche Ressourcen als die Erde zeitgleich erneuern kann. Die Auswirkungen der seit Jahrzehnten andauernden Übernutzung der Ökosysteme, die Wasser, Nahrung und Energie liefern, sind zunehmend spürbar. Laut WWF erfasst die Klimakrise alle Kontinente. Dürre und extreme Wetterereignisse, Hungersnöte, Wassermangel und Meeresverschmutzung nehmen immer dramatischere Ausmaße an. Regenwälder werden abgeholzt, Korallenriffe kollabieren und Arten verschwinden komplett. „Wir müssen das Paradigma des weltweiten Wirtschaftswachstums ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Erde schleunigst hinter uns lassen. Umwelt- und Klimaschutz gebührt bei politischen wie wirtschaftlichen Entscheidungen Vorfahrt“, so Brandes.

Wie viele Erden bräuchten wir? – Grafik © germanwatch_footprintnetwork

Mit Blick auf den ökologischen Fußabdruck leben Länder wie etwa die USA oder Deutschland auf besonders großem Fuß. Hätte die gesamte Weltbevölkerung denselben Jahresverbrauch wie hierzulande, wären dafür die Ressourcen von drei Erden notwendig. Brandes: „Für unseren Lebensstil fallen in Südamerika, Afrika oder Asien Bäume, verschmutzen Flüsse, schwinden Tierbestände oder sterben Arten ganz aus. Deutschland als erfolgreiche Industrienation gehört an die Spitze einer weltweiten Bewegung für eine faire und die Grenzen der Erde respektierende Wirtschaft. Statt die wirtschaftlichen Potenziale zu heben, die im ökologischen Fitmachen unserer Energie-, Verkehrs- und Landwirtschaftssysteme stecken, stehen wir aber in Deutschland weiter auf der Bremse“, kritisiert Eberhard Brandes die aktuelle Politik der Bundesregierung.

Laut WWF kann im Alltag jeder Mensch etwas zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen – vom Einkauf regionaler und saisonaler Bio-Lebensmittel und dem Verzehr von weniger Fleisch über die Wahl umweltfreundlicher Mobilität und die grüne Geldanlage bis zum politischen Engagement für eine gesunde Umwelt. „Wir haben es selbst in der Hand, Wirtschaft und Politik zu treiben und zu zeigen ‚Nicht mehr mit uns!‘. Nie war es wichtiger, für unseren Planeten zu kämpfen“, appelliert Brandes.

  • Der Deutsche Erdüberlastungstag 2019 war am 3. Mai: Wäre der Ressourcenverbrauch der Weltbevölkerung so groß wie in Deutschland, dann hätte sie schon bis zu diesem Zeitpunkt die regenerierbaren Ressourcen verbraucht, die ihr für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen. Um einen solchen Verbrauch nachhaltig zu decken, bräuchten wir drei Erden. Die Menschen hierzulande leben ab dem 3. Mai daher auf Kosten kommender Generationen und der Menschen im globalen Süden, die deutlich weniger verbrauchen, aber stärker von den ökologischen Folgen betroffen sind (siehe: solarify.eu/03-05-2019-ab-heute-leben-wir-auf-pump).

Ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert die Bundesregierung auf, entschieden umzusteuern: Weltweit und auch hierzulande werden die gravierenden Folgen der Übernutzung und der Klimakrise immer sichtbarer. Die Bundesregierung müsse mit einem Klimaschutzgesetz und einem CO2-Preis noch in diesem Jahr gegensteuern sowie wirkungsvolle Anreize zur Ressourcenschonung setzen.

„Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde“, sagt Mathis Wackernagel vom Global Footprint Network.

„Wir können es uns nicht leisten, noch weiter Zeit zu verlieren und müssen anfangen, konsequent zu handeln. Unsere Wirtschafts- und Lebensweise und die daraus folgende Zerstörung der Umwelt geht auf Kosten der folgenden Generationen“, so Jan Göldner aus dem Bundesvorstand der NAJU (Naturschutzjugend im NABU).

„Die jüngsten Europawahlen haben gezeigt, dass die Menschen in Deutschland die Eindämmung der Klimakrise als wichtigste Aufgabe für unsere Zukunft sehen“, sagt Stefan Küper von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Wesentliche Schritte in diese Richtung wären neben einem wirkungsvollen Klimaschutzgesetz eine am CO2-Ausstoß orientierte und sozial ausgestaltete Steuerreform und die Einleitung einer echten Verkehrswende. Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich hierzulande, in dem die Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind.“

Eine zukunftsfähige Politik müsse außerdem die Digitalisierung dafür nutzen, nachhaltige Entwicklung zu gestalten, anstatt mit ihrer Hilfe die bestehende Wirtschaftsweise weiter zu zementieren. „Aktuelle wissenschaftliche Gutachten bestätigen: Damit Digitalisierung etwa im Bereich der globalen Landwirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 beiträgt, müssen Nachhaltigkeitsziele Vorrang haben vor kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen und auch vor eindimensionalen Wachstumszielen“, sagt Lena Michelsen von der Entwicklungsorganisation INKOTA. „Digitale Technologien sollten für kooperative, gemeinwohlorientierte Wirtschaftsformen genutzt werden.“

Kristina Utz von FairBindung betont: „Es gibt bereits zahlreiche Ansätze solidarischer Wirtschaftsweisen wie Genossenschaften, in denen Menschen fernab von Profitlogik und Wachstumsorientierung wirtschaften. Es liegt an der Bundesregierung, Projekte für ein solidarisches Miteinander auch auf gesetzlicher Ebene zu stärken und demokratische Kontrolle und Mitbestimmung in der Wirtschaft zu verankern.“

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