„Neue Realitäten, auf die die Energiewelt vorbereitet sein sollte“

Keine Blaupause für Energiewende – alle Technologien und Energieträger nötig – „2-Grad-Ziel“ voraussichtlich nicht erreicht

Anlässlich des 24. Weltenergiekongresses in Abu Dhabi veröffentlichte der World Energy Council (Weltenergierat) am 09.09.2019 seine Analysen zur globalen Energieversorgung. Aus einer betreffenden Medienmitteilung wird deutlich: Die Dezentralisierung des Energiesystems einerseits sowie die noch langfristige Nutzung fossiler Energiequellen andererseits werden unsere Realität in den nächsten Dekaden prägen. Uwe Franke, Präsident des Weltenergierats Deutschland: „Auch wenn wir dies in Deutschland zunächst angenommen haben: Es existiert keine Blaupause für eine Energiewende – jede Technologie und jeder Energieträger wird benötigt, um den Menschen Zugang zu einer bezahlbaren, sicheren und nachhaltigen Energieversorgung zu ermöglichen und damit den Grundstein für ein Leben in Wohlstand zu legen“. 2030 könnten laut World Energy Council alle Menschen weltweit Zugang zu moderner Energieversorgung haben – noch ist knapp eine Milliarde hiervon ausgeschlossen.

Power-to-X notwendiges Element für ambitionierten Klimaschutz

Das 2-Grad Ziel der weltweiten Klima-Erwärmung wird in keinem der drei Szenarien des Weltenergierats bis 2040 erreicht. Auf eine Zielerreichung wirken sich internationale Zusammenarbeit auf politischer Ebene und eine CO2-Bepreisung aus. „Power-to-X ist ein notwendiges Element für ambitionierten Klimaschutz, vor allem in Bereichen, die kaum zu elektrifizieren sind“, so Franke. Hiermit sind insbesondere der Transport- und Wärmesektor gemeint. „Langfristig sind wir in Deutschland und Europa auf Importe von wasserstoffbasierten Energieträgern aus erneuerbarer Stromerzeugung angewiesen. Hierfür könnten auch die Vereinigten Emirate und die Golfregion wichtige Handelspartner werden.“

Seit 1924 veranstaltet der World Energy Council den World Energy Congress, der nun zum 24. Mal stattfindet und – mit Abu Dhabi als Austragungsort – zum ersten Mal im Mittleren Osten. Rund 5.000 Delegierte aus der gesamten Energiebranche, hiervon über 70 Minister und Staatsoberhäupter, kommen für vier Tage zusammen um die dringendsten Fragen der Energiewelt zu diskutieren. Aus Deutschland reist eine Delegation aus hochkarätigen Sprechern, Delegierten, Medienvertretern und Future Energy Leaders an. Innovationen stehen im Mittelpunkt: In Kooperation mit der Deutschen Energieagentur wurden die weltweit vielversprechendsten Start-Ups im Energiesektor eingeladen, sich bei dieser Gelegenheit zu präsentieren.

Ergebnisse zum 24. World Energy Congress, Abu Dhabi – Neue Realitäten, auf die die Energiewelt vorbereitet sein sollte

  1. Das Energiesystem der Zukunft ist komplex und gekennzeichnet von einer steigenden Anzahl an Akteuren, Interessen und Herausforderungen. Einzelne technologische Innovationen allein werden keine praktikablen, zeitnahen und bezahlbaren Lösungen darstellen. Viel mehr brauchen Entscheider von morgen eine ganzheitliche Perspektive auf das System und die Bereitschaft zum Austausch und zu Lernen.
  2. Es existiert keine Blaupause für eine nachhaltige und gesellschaftlich akzeptierte Energiewende. Jede Technologie und jeder Energieträger wird hierzu benötigt, ebenso wie eine CO2-Bepreisung.
  3. Dekarbonisierte Wärme, Treibstoffe, Gase und Speicher-Lösungen – kurz: Power-to-X-Produkte – bieten eine Chance für eine Energiewende in Bereichen des Systems, in denen eine Elektrifizierung zu kostspielig wäre. 2040 könnte Wasserstoff 2,5 % des gesamten Energieverbrauchs ausmachen. Die Aufgabe von Politikern und Regulierern ist es nun, den Einsatz im Energiesystem zu ermöglichen.
  4. Kaum sichtbare neue Akteure wie Prosumer und Aggregatoren müssen in der langfristigen Planung von Energieinfrastruktur berücksichtigt werden. Investitionen werden morgen nicht mehr nur in den Neubau von Energieinfrastruktur fließen, sondern auch in deren Abbau (decommissioning) sowie Umbau (repurposing).
  5. Politische Entscheider dürfen soziale Akzeptanz nicht als selbstverständlich voraussetzen und müssen für eine Energiewende als gesamtgesellschaftliche Veränderung werben. Die Dezentralisierung des Energiesystems einerseits sowie die noch langfristige Nutzung fossiler Energiequellen andererseits, werden unsere Realität in den nächsten Dekaden prägen.
  6. Trotz des Fortschritts in der Energieversorgung, hat heute rund eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu moderner Energie und kocht und heizt mit Holz oder Tierabfällen. Während die Szenarien zeigen, dass bis 2030 alle Menschen an einer modernen Energieversorgung teilhaben könnten, steigt die Energiearmut in einigen OECD Staaten. Internationaler Erfahrungsaustausch und gemeinsame Anstrengungen bieten die Chance, gleichzeitig entwickelte, diversifizierte und dekarbonisierte Wirtschaften zu schaffen.
  7. Nationale Energiesicherheit wurde lange Zeit mit einem robusten Energiesystem und strategischen Ölreserven gleichgesetzt. In einem digitalen, dekarbonisierten und dezentralisierten Energiesystem spielen vor allem extreme Wetterverhältnisse, Netzstabilität und Cybersicherheit eine Rolle in der neuen Definition von Versorgungssicherheit. Entscheider in Politik und Wirtschaft müssen eine „dynamische Resilienz“ für das Energiesystem annehmen, aus simulierten Krisen lernen und kurzfristig reagieren können.
  8. Sektorkopplung ist für ein weitgehend CO2-freies Energiesystem unerlässlich, insbesondere um die nicht elektrischen Bereiche wie Wärme, Kühlung, Transport und Industrieanwendungen klimaschonend zu gestalten. Eine CO2-Bepreisung wird hierfür nötig sein.
  9. Die Kosten in einem Energiesystem mit fluktuierenden erneuerbaren Energien liegen insbesondere in der konstanten Bereitstellung von sicherer und günstiger Energie.
  10. Die Berufstätigen im Energiesektor der Zukunft bringen Fähigkeiten und Kenntnisse aus dem gesamten Wissensspektrum der Gesellschaft mit. Der Fachkräftemangel im Energiesektor wird zunehmend ein kritisches weltweites Problem.

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