Der wirkliche CO2-Gehalt unserer Produkte

Der Konsument kann nicht lesen, will auch nichts wissen

Der kleinste ist der größte Dreckspatz – ein FIAT 500x-SUV schoss bei einem NOx-Abgastest vor drei Jahren den Vogel ab: 17fache Grenzwertüberschreitung. Dabei ist die Bezeichnung SUV für einen 500er Fiat eher Angeberei. Die Abkürzung „SUV“ bedeutet eigentlich „Sports Utility Vehicle“, wörtlich „Sport-Nutzfahrzeug“ – in Wirklichkeit sind die Ego-Krücken nicht sportlich, sondern brutale CO2-Schleudern. Die ADAC-Motorwelt (13 Mio. Auflage) wollte „die Diskussion versachlichen“ und gewissensgeplagten Fahrern jetzt mit einem SUV-Faktencheck das schlechte Gewissen nehmen. Aber SPIEGEL-Kolumnist stutzte beim Durchlesen: In dem Test fehlt stets die wichtigste Zahl – der CO2-Ausstoß. Stöcker: „Das ist ein Symptom: Wir alle sind Klima-Analphabeten.“

FIAT 500x - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

FIAT 500x – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

ADAC-Autor Jochen Wieler rät der SUV-geneigten Leserschaft, sie möge „sich nur ein Auto kaufen, das so groß wie unbedingt nötig und so klein und leicht wie möglich“ sei. Zu überlegen sei „auch, ob es zwingend ein Modell mit Allradantrieb sein muss“. Stöcker kann hier „kurz aushelfen: Nein, muss es nicht, außer vielleicht, Sie sind Landwirt oder wohnen im Hochgebirge.“

Der ADAC scheint unter den SUV-Liebhabern keine klima-interessierten Menschen zu vermuten, denn nicht nur, wie Stöcker entdeckt hat, fehlen CO2-, sondern auch NOx-Werte. Die Motorwelt vergleicht dagegen PS-Zahlen, Beschleunigung, Höhe, Kofferraumvolumen, Preis, und den „Testverbrauch“. Was ebenfalls fehlt: Die Maße, bei den Straßenriesen, etwa in der Tiefgarage können aber Länge und Breite nicht unbedeutend sein.

Stöcker hat errechnet, „dass zum Beispiel der Mazda CX-3, legt man den ADAC-‚Testverbrauch‘ von 6,6 Liter Super pro 100 Kilometer zugrunde, gut 2,13 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer mehr ausstößt als das Vergleichsmodell, ein Mazda 2. Das macht, legt man eine jährliche Fahrleistung von 20.000 Kilometern zugrunde, satte 426 Kilogramm CO2 pro Jahr aus. 426 Kilogramm MEHR.“ Je nach zugrunde gelegten Berechnungsarten fallen diese Werte noch höher aus. Kein Wunder, dass den ADAC diese „Fakten“ beim „Check“ nicht so rasend interessieren. Angesichts unseres übergroßen CO2-Fußabdrucks sollte es das aber, denn eigentlich dürften wir, statt 10 Tonnen nur etwa 2-3 im Jahr ausstoßen oder verursachen, wenn wir der Klimakatastrophe entgehen wollen – ab sofort.

Anhand der Werksangaben könnte man eigentlich den CO2-Ausstoß aus dem Treibstoffverbrauch berechnen, vorausgesetzt, die Angaben stimmen – doch Stöcker nennt die Hersteller-Zahlen für den CO2-Ausstoß „optimistisch“. Stöcker: „Die Hersteller erzählten ihren Kunden, gedeckt vom Gesetzgeber, fromme Märchen“. Beispielsweise emittiere ein BMW X5 nach früherer Messung 158 g CO2/km , nach dem neuen WLTP-Verfahren laut Herstellerangaben im ADAC-Datenblatt 196 Gramm – umgerechnet auf 20.000 km/a ergebe sich ein Unterschied von einer guten Dreivierteltonne CO2. Stöcker: „Und nicht einmal dieser Wert stimmt wirklich.“ Nehme man den von „Auto, Motor und Sport“ berechneten Verbrauch, komme man auf 9,2 Liter – ergibt 5,6 t CO2/a.

Stöcker extrahiert aus alledem folgenden Befund: Wir seien „in Wahrheit Analphabeten, was unseren eigenen CO2-Ausstoß angeht“. Kurz: Wir haben keine Ahnung, wann wir wo wieviel CO2 ausstoßen oder verursachen. Zumal wir einen beträchtlichen Teil exportieren. Fleischreste nach Afrika, gelbe Säcke zum Verbrennen nach Malaysia, für Klamotten nach Bangladesch. Der CO2-Markt sei für Endverbraucher völlig intransparent. Kaum jemand wisse, wie klimaschädlich ein bestimmtes Produkt wirklich ist. Stöcker: „Das muss sich ändern, flächendeckend und schleunigst.“ Dafür müsse der CO2-Fußabdruck jedes Produkts, vom Handy bis zum T-Shirt, vom argentinischen Steak bis zur chilenischen Avocado, klipp und klar ausgewiesen werden.

Es werde Zeit, so Stöcker, „dass wir unseren eigenen CO2-Ausstoß lesen lernen. Bis dahin ist das Gerede davon, dass es ‚der Markt‘ schon richten werde, reine Augenwischerei – denn der Konsument kann ja nicht lesen“. Solarify fragt sich: Will er denn?

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