Kabinett beschließt Kohleausstiegsgesetz

Dazu Löschung freiwerdender CO2-Zertifikate – kritische Stimmen

Das Bundeskabinett hat am 29.01.2020 einer Medienmitteilung des Bundespresseamtes zufolge den Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg beschlossen. Genau heißt die Vorlage, die jetzt in den Bundestag geht: „Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze“. Frei werdende CO2-Zertifikate sollen aus dem Markt genommen und durch den Kohleausstieg eventuell verursachte Strompreiserhöhungen für Verbraucher ausgeglichen werden. Ältere Beschäftigte sollen ein Anpassungsgeld für den Übergang in den Ruhestand erhalten. Schließlich wird das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz verlängert und weiter einwickelt.

Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg beschlossen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Mit dem vorliegenden Gesetzespaket werden wir die Kohleverstromung in Deutschland rechtssicher, wirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen beenden. Vor allem aber schaffen wir gleichzeitig Perspektiven für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung auf der Basis von hocheffizienten Gaskraftwerken, die den Übergang in eine treibhausgasneutrale Energieversorgung ermöglichen.“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz: „Das Gesetzespaket kann in seiner Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Deutschland stellt damit innerhalb weniger Jahre einen zentralen Teil seiner Energieversorgung auf neue Füße – modern, klimafreundlich und zukunftsfest. Unser Ziel ist eine saubere, sichere, verlässliche und weiterhin bezahlbare Energieversorgung. Nun müssen wir im nächsten Schritt mit dem Ausbau der Netze und der Erneuerbaren echte Fortschritte machen.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Deutschland steigt verbindlich aus der Kohlekraft aus. Das ist ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz, denn damit werden Schritt für Schritt rund ein Viertel der gesamten deutschen CO2-Emissionen eingespart. Das ist auch ein wichtiges internationales Signal. Die Welt schaut genau hin, wie Klimaschutz und Kohleausstieg in Deutschland gelingen. Wir zeigen damit, wie ein Industrieland von der Kohleverstromung vollständig auf erneuerbare Energien umsteigt und zugleich neue wirtschaftliche Perspektiven für die Kohleregionen schafft. Darum ist der soziale Ausgleich nicht nur eine gute Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch in den Klimaschutz. Jetzt muss der nächste Schritt folgen, nämlich der beherzte weitere Ausbau von Wind- und Sonnenenergie.“

Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zur

  • Reduzierung und Beendigung der Stein- und Braunkohleverstromung,
  • Löschung freiwerdender CO2-Zertifikate,
  • Kompensation für Stromverbraucher im Fall eines Strompreisanstiegs durch den Kohleausstieg,
  • Zahlung eines Anpassungsgeldes an ältere Beschäftigte im Kohlesektor, um ihnen den Übergang in den Ruhestand zu erleichtern,
  • Verlängerung und Weiterentwicklung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, um die Umrüstung von Kohle auf flexible und klimafreundlichere Stromerzeugung zu fördern.

„Abschalten der Kraftwerke hätte man billiger haben können“ – Stimmen zum Kohleaussteigsgesetz
MCC-Direktor Ottmar Edenhofer

Die Braunkohle-Betreiber erhalten 4,35 Milliarden Euro Entschädigung, weitere Entschädigungen an die Steinkohle-Betreiber werden über Ausschreibungen ermittelt und verteilt. Zudem fließen 40 Milliarden Euro Strukturhilfen in die Kohleregionen. Dazu erklärt Ottmar Edenhofer, Direktor des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK): „Es ist gut, dass die Regierung jetzt einen Fahrplan zum Kohleausstieg beschlossen hat. Allerdings macht sie ihn unnötig teuer: Die hohen Direktzahlungen an die Kraftwerksbetreiber, als Entschädigung für das Abschalten von Anlagen, sind falsch. Sie hebeln das Verursacherprinzip aus, demzufolge derjenige, der emittiert, entsprechend zahlen soll. Nun bekommt derjenige Geld, der das Emittieren einstellt. Deswegen haben die Betreiber einige Kraftwerke länger als wirtschaftlich darstellbar am Netz gelassen – um nun Entschädigungszahlungen zu erhalten.

Es wäre besser gewesen, wenn die deutsche Politik das Milliardenprojekt Kohleausstieg im Kern markwirtschaftlich geregelt hätte. Die Strukturhilfen für die Kohleregionen sind wichtig, weil sie neue Arbeitsplätze finanzieren helfen – aber beim Ausstieg selbst hätte die Politik auf den CO2-Preis setzen sollen, dann wäre alles viel billiger gegangen. Man hat schon jetzt gesehen, dass die steigenden Preise im Emissionshandel im vergangenen Jahr zu einem Rückgang der Kohleverstromung geführt haben. Mit einem Mindestpreis hätte man die Kohle verdrängt, ohne teure Entschädigungen zahlen zu müssen.

Unbefriedigend bleibt auch, wie der deutsche Kohleausstieg im europäischen Emissionshandel abgebildet wird. Zwar will die Regierung die frei werdenden Zertifikate im Prinzip stilllegen und vom Markt nehmen – doch wieviel CO2 effektiv eingespart wird, lässt sich nur mit großer Unsicherheit bestimmen. Es besteht also die Gefahr, dass ein Teil der Zertifikate anderswo genutzt und der Klima-Effekt des Kohleausstiegs konterkariert wird. Um diesen sogenannten Wasserbett-Effekt auszuschließen und zugleich bei den Zertifikaten ein unkoordiniertes Vorgehen der nationalen Regierungen zu verhindern, gibt es eine einfache Lösung: einen ausreichend hohen europäischen Mindestpreis im Emissionshandel.“

Verbände warnen: Kohleausstiegsgesetz behindert Klimaschutz im Gebäudesektor

Eine Allianz maßgeblicher Verbände warnt, dass der vorliegende Entwurf das Erreichen der Klimaziele auch im Gebäudesektor gefährde. So äußern sich Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK), die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz, der DENEFF EDL_HUB, der Verband für Wärmelieferung (VfW), der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands e. V. (eaD) und die Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch, ASUE e.V. in einer gemeinsamen Stellungnahme. Das Kohleausstiegsgesetz verschlechtere massiv die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Quartierslösungen und andere Energiedienstleistungen für die Wärmewende in Gebäuden und Unternehmen, bei denen Strom und Wärme mit effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bereitgestellt werden. Durch den Ersatz getrennter Strom- und Wärmeerzeugung durch hochmoderne KWK-Anlagen könne der Primärenergieverbrauch um über ein Drittel gesenkt werden. Die etablierte, flexibel nutzbare Technologie könne zudem helfen, erneuerbare Energien besser in die Strom- und Wärmeversorgung zu integrieren. Sie sei damit kritisch, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen, der für ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Dazu Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF): „Die Technologien für eine erfolgreiche Energiewende und effektiven Klimaschutz im Gebäudesektor sind längst vorhanden. Doch anstatt diese gezielt voranzubringen, legt die Bundesregierung ihnen mit dem Kohleausstiegsgesetz sogar noch neue Steine in den Weg. So bleibt die vielbeschworene Wärmewende weiterhin eine leere Phrase.“

Der Entwurf sieht vor, die Vergütung für KWK-Strom auf 3.500 Stunden im Jahr zu begrenzen, um so die Netze in Zeiten hoher Stromeinspeisung aus Wind oder Sonne zu entlasten. Jedoch wird somit nicht nur die jährliche Förderung um fast die Hälfte gekürzt, sondern geschieht dies völlig unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt, an dem eine Abschaltung der Erzeugung sinnvoll sein könnte, kritisieren die Verbände. Für Heizung und Warmwasser in Wohngebäuden würden beispielsweise 6.000 Stunden Wärme im Jahr benötigt. B.KWK, DENEFF, EDL_HUB, eaD, VfW und ASUE fordern die Bundesregierung daher auf, die Kürzung der vergüteten Stunden durch einen höheren Zuschlag je Kilowattstunde Strom zu kompensieren und intelligente Anreize für eine netzdienliche Stromeinspeisung zu schaffen.

Heinz Ullrich Brosziewski, Vizepräsident im Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK): „Die Bundesregierung hat immer wieder betont, Quartierslösungen voranzubringen. Dafür müssen jetzt die richtigen Weichen auch im KWKG gestellt werden. Mit diesem Gesetz passiert das Gegenteil. Wir fordern eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs, dessen Abstimmung mit dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes und eine tragfähige Wärmestrategie zur besseren Einhaltung der Klimaschutzziele.“

Das Gesetz schafft zudem neue Unsicherheiten. So soll die Förderung zwar bis 2025 verlängert werden, jedoch nur unter Vorbehalt einer Revision in zwei Jahren. Die geplanten Verschlechterungen kämen jedoch ohne jegliche Übergangszeit daher. Dies gefährde bereits geplante oder schon im Bau befindliche Projekte. Die unterzeichnenden Verbände bemängeln zudem die plötzliche Umstellung der KWK-Zuschlagsbedingungen. KWK-Projekte, die seit längerer Zeit unter Vertrag oder bereits im Bau sind, stehen plötzlich vor deutlich veränderten Rahmenbedingungen. Damit erweist die Bundesregierung dem Vertrauen in die Planungs- und Investitionssicherheit im Energiesektor einen Bärendienst.

Rüdiger Lohse, designierter Leiter des neuen DENEFF EDL_HUB: „Statt Planungssicherheit für die Branche zu schaffen, werden Investitionen durch unsinnige Beschränkungen abgewürgt. Gemeinsam könnten KWK und Energiedienstleistungen einen wichtigen Beitrag zur effizienten Energiewende leisten und den politisch beabsichtigten Kohleausstieg flankieren. Dass die Bundesregierung den betroffenen Verbänden dabei Fristen von weniger als 24 Stunden zur Stellungnahme einräumt, bekräftigt den Eindruck, dass die die Bundesregierung Energiepolitik betreibt, ohne dabei nach links und rechts zu schauen.“

Tobias Dworschak, VfWGeschäftsführer: „Seit Jahren legt die Bundesregierung modernen Energieeffizienzdienstleistungen immer neue Hürden in den Weg. Und dass, obwohl die Bundesregierung bei ihren ursprünglich für 2020 geplanten Effizienzzielen nach wie vor hinterherhinkt. Ein erneutes Scheitern bei den Zielen wäre eine Blamage für Deutschland. Wir halten daher eine umfassende Überarbeitung des Gesetzentwurfs für dringend erforderlich, um weiteren Schaden im Sinne des Klimaschutzes verhindern zu können.“

Michael Geißler, Vorstandsvorsitzender des eaD: „Für eine erfolgreiche Wärmewende spielen Quartierslösungen eine entscheidende Rolle. Hierfür braucht es für alle Akteure klare Planungssicherheit. Der vorliegende Entwurf läuft diesem zuwider und muss daher dringend überarbeitet werden.“

Jürgen Stefan Kukuk, Geschäftsführer der ASUE: „KWK ist eine wichtige Technologie zu Verbesserung der Effizienz im Wärmemarkt und in der Stromerzeugung. Für die Sanierung des Gebäudebestands ist es der wesentliche Weg zur Klimaneutralität. Erneuerbare Gase und Wasserstoff können in Zukunft effizient direkt Vorort eingesetzt werden.“

->Quellen und weiterführende Informationen: