Warum wir uns mit Power-to-X beschäftigen

„Essenziell für den Klimaschutz“

Das Magazin Chemie Ingenieur Technik veröffentlichte am 23.01.2020 eine Sonderausgabe zum Thema „Power-to-X“: „Die Chemie ist die zentrale Wissenschaft, um den Umbau des Energiesystems zu ermöglichen,“ heißt es im Editorial von CEC-Direktor Walter Leitner, Rüdiger Eichel (FZ Jülich) und Kurt Wagemann (DECHEMA). Denn wir müssten den Anstieg von CO2 in der Atmosphäre nicht nur reduzieren, sondern benötigten inzwischen negative Emissionen, um die Erdoberflächentemperatur auf unter 2 Grad zu begrenzen. Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen, um aus CO2 Chemikalien oder Energieträger herzustellen, sei also essenziell für den Klimaschutz. Solarify dokumentiert.

Mast der Strombrücke Thüringen - Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Stromleitung – Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Auf die Frage nach der Relevanz von Arbeiten zum Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen für die Herstellung von Energieträgern und Chemikalien mit CO2 als Kohlenstoffquelle lassen sich verschiedene Antworten geben: weil es wissenschaftlich spannende Fragestellungen gibt, weil Power-to-X dem Klimaschutz dient, weil diese Technologie zur Stabilisierung des Stromsystems beiträgt, indem Strom in langfristig speicherbare Stoffe umgewandelt wird, oder weil zirkuläre Kohlenstoffkreisläufe dargestellt werden können.

Tatsächlich steht heute der Klimaschutz als Motivation ganz oben. Es gilt, möglichst viel Kohle, Erdöl und Erdgas unter der Erde zu belassen und damit den Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre zunächst zu drosseln, dann zu stoppen. Mittlerweile deuten die Ergebnisse der Klimaforschung allerdings darauf hin, dass wir noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts negative Emissionen benötigen, sei es auf natürlichem Wege über die Photosynthese oder auf technischem Wege. Ansonsten ließe sich der Anstieg der mittleren Erdoberflächentemperatur nicht auf unter 2 Grad begrenzen.

Chemie als zentrale Wissenschaft, um den Umbau des Energiesystems zu ermöglichen

Damit wird deutlich: Die Herausforderungen an die Chemie sind groß, denn sie ist die zentrale Wissenschaft, um den Umbau des Energiesystems zu ermöglichen. Gleichzeitig wird die chemische Industrie selbst von diesem Wandel im Kern betroffen und neue Wertschöpfungsketten können entstehen. Wissenschaftlich-technischer Fortschritt ist vor allem in der Elektrochemie und der Katalyse dringend erforderlich. Technische Chemie und Chemische Verfahrenstechnik müssen mit Blick auf die Maßstabsvergrößerung und die Systemintegration gleichfalls Großes leisten. Um das Potenzial voll auszuschöpfen, wird relativ rasch die Bereitstellung des erforderlichen Stroms auf Basis von Windkraft und Photovoltaik zum limitierenden Faktor. Der absehbare Zubau der Anlagen wird bei weitem nicht reichen, wollte man für die heutige Chemieproduktion vollständig auf den Einsatz fossiler Rohstoffe verzichten. Zahlen zu Strombedarf und Kosten finden sich in der Studie der DECHEMA für den VCI mit dem Titel „Roadmap Chemie 2050”. Eine eher noch größere Herausforderung stellt der Strombedarf für die Herstellung von flüssigen Kraftstoffen für Fahr- und Flugzeuge bzw. von Wasserstoff für Brennstoffzellen-Fahrzeuge dar, selbst wenn man von einem hohen Anteil Batterie-betriebener Elektrofahrzeuge ausgeht.

Hinsichtlich Windkraft und Photovoltaik fehlt es an den politischen Rahmenbedingungen. Es fehlt aber auch an der Akzeptanz in der Bevölkerung. Insofern findet derzeit ein Umdenken statt: von der Idee einer vollständigen Energieautarkie hin zur Sektorenkopplung und zur Integration von Konzepten für eine Produktion von Chemikalien und Kraftstoffen an begünstigten Standorten. Von Seiten der DECHEMA war dies bereits 2017 in einem Papier zu den E-Fuels dargelegt worden; mittlerweile haben die dena – Deutsche Energieagentur und die IEA Deutschland dieses Konzept aufgegriffen.

Unterstützende regulatorische Maßnahmen erforderlich

Bei all der Begeisterung für Klimaschutz durch Power-to-X dürfen wir aber nicht vergessen: Alles hat seinen Preis – das sind die Investitionskosten für die Industrie, aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach steigende Preise für die Produkte. Wird das der Bürger akzeptieren? Hier sind Zweifel angebracht: Nach einer aktuellen YouGov-Umfrage ist nur jeder vierte Erwachsene bereit, steigende Spritpreise als Beitrag zum Klimaschutz hinzunehmen. Da der Spritpreis zu ca. zwei Drittel aus Steuern und Abgaben besteht, sind auch hier unterstützende regulatorische Maßnahmen erforderlich und möglich.

Die betriebswirtschaftlich entscheidenden Faktoren werden aber sinkende Kosten für die EE-Anlagen, für die Elektrolyseure und für die chemischen Prozesse sein. Und darum engagieren wir uns für Power-to-X und koordinieren das große Kopernikus-Projekt des BMBF zu diesem Thema. Dieses Projekt legt bereits jetzt die Basis dafür, dass diese Technologien zunehmend im Markt etabliert werden und 2040 einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten werden.

Wir knüpfen damit auch an Aktivitäten an, die schon Ende der 1980er Jahre von der DECHEMA sehr stark unterstützt wurden: elektrolytisch hergestellter Wasserstoff aus Kanada, transportiert über den Atlantik entweder in komprimierter oder verflüssigter Form, oder chemisch gebunden an Toluol und dann hier vor Ort eingesetzt. Der Name dieses europäischen Projekts: Euro-Québec.

Themen kommen und gehen, aber die Neugestaltung der Schnittstelle zwischen Energie und Chemie ist Gegenwart – das Entwicklungsszenario und die Triebkräfte sind andere als vor 30 Jahren, aber das Ziel der De-Fossilisierung ist das gleiche.

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