Lob aus Paris für Energiewende

IEA Germany 2020 – Energy Policy Review

Seit der Prüfung der deutschen Energiepolitik durch die Internationale Energieagentur (IEA) 2013 ist die Energiewende das prägende Element der deutschen Energiepolitik geblieben. Sie soll das Energiesystem des Landes grundlegend umbauen mit dem Ziel eines überwiegend auf Erneuerbaren Energien beruhenden effizienteren Systems, sowie der Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2022. Mit der Energiewende soll Deutschland zur Mitte des Jahrhunderts über ein CO2-armes, atomkraftfreies Energiesystem verfügen. Am 19.02.2020 legte IEA-Chef Fatih Birol in Paris zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den Energy Policy Review für Deutschland vor. Solarify dokumentiert.

Bildmontage © Solarify

„Die klare Dominanz von Kohle und Öl in der Energieversorgung der Bundesrepublik ist“ – so die IEA-Revierw – „in den vergangen vierzig Jahren allmählich einem stärker diversifizierten System gewichen. Die seit den 1970er Jahren genutzte Kernenergie wird gemäß den Zielvorgaben der Energiewende zunehmend durch Erneuerbare Energien ersetzt. Zudem ist der vollständige Ausstieg aus der Verstromung von Kohle, dem derzeit wichtigsten Energieträger für die Stromerzeugung, bis spätestens 2038 geplant.“

Weiter wörtlich im Text der Review: Dennoch hat Deutschland Schwierigkeiten, seine Klimaschutzziele zu erreichen, und wird seine kurzfristigen Emissionsminderungsziele voraussichtlich verfehlen. Der höhere Anteil von Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung hat Emissionsminderungen bewirkt, teilweise werden diese aber durch den Atomausstieg und höhere Stromexporte konterkariert. Allerdings könnte der geplante Kohleausstieg das Land wieder auf Kurs bringen, um seine längerfristigen Emissionsminderungsziele im Stromsektor zu erreichen.

Bislang entfällt ein erheblicher Teil der Kosten wie auch der Fortschritte der Energiewende auf den Stromsektor. Jetzt muss sich die Regierung vermehrt darauf konzentrieren, in anderen Sektoren – insbesondere im Verkehrs- und im Wärmebereich – stärkere Emissionsminderungen zu bewirken. Das unlängst durch die Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm 2030, das u. a. eine CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmesektor vorsieht, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das Programm trägt auch den Verteilungseffekten der Klimapolitik Rechnung und ist auf Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Sektoren und Akteuren bedacht. Politische und ordnungsrechtliche Reformmaßnahmen können Deutschland dabei helfen, die anspruchsvollen Ziele der Energiewende kosteneffizient, sozial ausgewogen und nachhaltig umzusetzen.

Emissionsminderungsziele

Die nationale Klimaschutzstrategie der Bundesrepublik Deutschland ist im Klimaschutzplan 2050 definiert, der die längerfristigen Entwicklungspfade für die Emissionsminderung in den verschiedenen Sektoren im Rahmen der Energiewende beschreibt. Die maßgeblichen Ziele sind eine Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 um mindestens 40 % bis 2020, 55 % bis 2030, 70 % bis 2040 und 80-95 % bis 2050. Zur Mitte des Jahrhunderts soll weitgehende Treibhausgasneutralität erreicht sein. Ergänzt werden diese Ziele durch kurz- und mittelfristige Ziele für die Senkung des Energieverbrauchs, die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Als Mitglied der Europäischen Union (EU) ist Deutschland beim Klimaschutz in die Energie- und Klimapolitik der EU eingebunden, insbesondere im Hinblick auf das Klimaund Energiepaket 2020 und den Klima- und Energierahmen 2030. Großfeuerungsanlagen in der Energiewirtschaft und Industrie werden vom europäischen Emissionshandel (ETS) erfasst, während die nicht in den ETS einbezogenen Bereiche (Non-ETS-Sektoren) bis 2020 der Lastenteilungsentscheidung und von 2021 bis 2030 der Lastenteilungsverordnung unterliegen.

Um das Gesamtziel für die Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 zu erreichen, beschloss die Bundesregierung im Dezember 2014 das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Die zentralen strategischen Maßnahmen des Programms sind der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz, die Energieeffizienzstrategie Gebäude, Maßnahmen im Verkehrssektor (darunter die streckenbezogene Straßenbenutzungsgebühr für LKW und die Förderung des öffentlichen Personenfernverkehrs mit Bundesmitteln) sowie Maßnahmen im Stromsektor (stärkere Nutzung von Erneuerbaren Energien, Modernisierung des fossilen Kraftwerkparks und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung.

Trotz Fortschritten bei der Verringerung der Gesamtemissionen muss Deutschland sich sehr anstrengen, seine kurzfristigen Ziele zu erreichen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Fortschritte in den einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Verkehrs- und Wärmesektor sind noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. Obwohl der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung rasch gesteigert wurde, konnten die Gesamtemissionen nicht im gleichen Umfang verringert werden. 2018 waren die Treibhausgasemissionen in der Bundesrepublik insgesamt um 31 % niedriger als 1990. Damit ist Deutschland noch weit von seinem Ziel einer Emissionsminderung um 40 % bis 2020 entfernt.

Es sind also zusätzliche, weitreichendere Maßnahmen notwendig, um die nationalen Emissionsminderungsziele kosteneffizient und nachhaltig zu erreichen. Die Stärkung der Erneuerbaren Energien und der geplante Kohleausstieg (in Verbindung mit der Beteiligung am europäischen Emissionshandel) werden – ungeachtet des Atomausstiegs – Fortschritte bei der Emissionsminderung im Stromsektor gewährleisten. Um die Verringerung der Emissionen außerhalb des Stromsektors, insbesondere in den Bereichen Verkehr und Wärme, zu fördern, sind jedoch zusätzliche Maßnahmen erforderlich.

Im März 2019 setzte die Bundesregierung das sogenannte Klimakabinett unter Leitung der Kanzlerin ein. Die Aufgabe des Klimakabinetts war die Verständigung auf ein neues Paket von Emissionsminderungsmaßnahmen, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen. Basierend auf den Vorschlägen des Klimakabinetts beschloss die Bundesregierung am 9. Oktober 2019 das Klimaschutzprogramm 2030. Zu den darin vorgesehenen Maßnahmen zählen der schrittweise Einstieg in die CO2-Bepreisung für bestimmte Sektoren, die nicht dem ETS unterliegen (Wärme und Verkehr), Steuererleichterungen sowie stärkere anderweitige Anreize für energetische Gebäudesanierungen, eine großzügigere Förderung von Elektrofahrzeugen und höhere staatliche Investitionen in den öffentlichen Personenverkehr. Darüber hinaus verständigte sich die Bundesregierung darauf, einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zu verwenden, um Haushalte und Unternehmen durch Steuervergünstigungen und eine Senkung der Stromumlagen bzw. -abgaben zu entlasten. Das Programm stellt zweifellos einen deutlichen Schritt in die richtige Richtung zur Erfüllung der deutschen Klimaziele für 2030 dar.

Stromwende

Die Energiewende macht sich bislang am deutlichsten bei der Stromerzeugung bemerkbar. Hier wurde der Anteil der Erneuerbaren Energien erfolgreich gesteigert.

Während Kohle (hauptsächlich Braunkohle) nach wie vor den größten Anteil zur Stromerzeugung beiträgt, wurde in den letzten zehn Jahren die Kernenergie weitgehend durch Erneuerbare Energien ersetzt. Seit 2017 liegt Windenergie bei der Stromerzeugung vor der Atomkraft und Erdgas auf dem zweiten Rang. Der anhaltende Ausbau der Erneuerbaren Energien gemäß den Energie- und Klimazielen der Bundesrepublik erfordert eine Reihe von Maßnahmen zur Steigerung des Elektrifizierungsgrads und der Systemintegration von Erneuerbaren. Dazu zählen Verbesserungen im Bereich der Besteuerung und Marktregulierung sowie der Ausbau und die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Übertragungs- und Verteilnetzinfrastruktur.

Als Herzstück der Energiewende soll die Rolle der Erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung weiter ausgebaut werden. Konkret war im Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 vorgesehen, den Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2020 auf 35 % zu steigern. Dieses Ziel wurde mit einem Anteil von 38 % 2018 und 44 % in der ersten Jahreshälfte 2019 übererfüllt. Ursprünglich plante die Bundesregierung eine weitere Steigerung des Erneuerbaren Stromanteils auf 50 % bis 2030, 65 % bis 2040 und 80 % bis 2050. Das im neuen Koalitionsvertrag vom März 2018 verankerte und vom Klimakabinett bestätigte Ziel sieht jedoch eine schnellere Anhebung des Erneuerbaren-Anteils an der Stromerzeugung vor. Bis 2030 soll nun (vorbehaltlich eines entsprechenden Ausbaus der Stromnetzkapazitäten) ein Anteil von 65 % erreicht werden.

Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2014 und 2017 wurde bei der Förderung der Erneuerbaren Energien eine willkommene Umstellung auf ein wettbewerblicheres und kosteneffizienteres Modell vollzogen. Das alte System der festen Vergütungssätze für Strom aus Erneuerbaren wurde damit weitgehend abgelöst. Es war zu kostspielig geworden und wegen der rasch sinkenden Installationskosten für Windenergie- und Photovoltaikanlagen nicht mehr in diesem Maße erforderlich. Für die Erneuerbaren Energien mit dem größten Kapazitätszuwachs – Windenergie an Land und auf See, Photovoltaik-Großanlagen und Biomasse – gilt nun ein Ausschreibungsverfahren, in dem nur die günstigsten Gebote den Zuschlag erhalten.

Um die Systemintegration der fluktuierenden Erneuerbaren Energien zu verbessern, wurden Maßnahmen zur Reform der Strommarktregulierung in Deutschland ergriffen. Dazu zählt insbesondere das 2016 verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes. Das Wachstum der Erneuerbaren Stromerzeugung bringt jedoch weitere Herausforderungen mit sich.

Der Großteil der Windenergiekapazitäten befindet sich in Norddeutschland. Der Strombedarf ist dagegen in den Metropol- und Industrieregionen im Süden und Westen des Landes am höchsten. Da immer mehr Strom aus Wind- und Solarenergie gewonnen wird, der Stromtransport von Nord nach Süd durch Netzengpässe behindert wird, der Netzausbau nur schleppend vorankommt und Deutschland nur über eine Gebotszone verfügt, verzeichnen die nördlichen Bundesländer Stromüberschüsse, die südlichen dagegen Stromdefizite. Dieses Ungleichgewicht wird sich mit der Abschaltung der letzten kommerziellen Kernkraftwerke im Süden und im Nordwesten des Landes und der Netzanbindung von Windenergieanlagen im Norden verstärken. Die Ungleichgewichte machen Redispatch-Maßnahmen im Süden erforderlich (bei denen die Netzbetreiber die Stromproduktion in Kraftwerken hochfahren lassen, um Strommengen zu ersetzen, die im Süden eingekauft wurden, aber nicht dorthin durchgeleitet werden können). Zugleich sind im Norden Drosselungen notwendig (d. h. die Netzbetreiber weisen Stromerzeuger an, ihre Anlagen abzuschalten, um eine Netzüberlastung zu vermeiden). Die Kosten dieser Maßnahmen für die Verbraucher betragen pro Jahr mehrere Hundert Millionen Euro.

Es fehlt an ausreichenden Leitungskapazitäten, um den im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu transportieren. Widerstand in der Bevölkerung gegen Nord- Süd-Hochspannungstrassen hat den Bau neuer Freileitungen erheblich verlangsamt und letztlich kostspieligere Erdkabel für den Bau von Interkonnektoren erforderlich gemacht; der Bau der notwendigen Infrastruktur wird nach wie vor durch Widerstand in der Öffentlichkeit behindert. Die bisherigen Verzögerungen beim Netzausbau haben bereits erhebliche Kosten für das Engpassmanagement verursacht. Der Netzausbau ist daher eine erklärte Priorität der Bundesregierung.

Neben dem Atomausstieg plant die Bundesregierung auch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Dieser soll dazu beitragen, die Emissionsminderungsziele zu erreichen. Um einen breiten gesellschaftlichen Konsens über den Kohleausstieg zu erzielen, setzte die Bundesregierung im Juni 2018 die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ein. Die Kommission legte im Januar 2019 ihren Abschlussbericht vor. Darin empfahl sie den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038. Als Zwischenschritte schlug die Kommission eine Reduzierung der installierten Kohlekraftwerksleistung um mindestens 12,5 Gigawatt (GW) bis 2022 und 25,6 GW bis 2030 vor. Zudem soll den Vorschlägen der Kommission zufolge der Strukturwandel in den Kohleregionen mit 40 Mrd. EUR unterstützt werden.

Da bei der Stromerzeugung gegenwärtig Überkapazitäten bestehen und die Regierung das Ziel verfolgt, den Gesamtenergieverbrauch zu senken, ist bislang noch unklar, wo und in welchem Umfang stillgelegte Kapazitäten durch neue Kapazitäten ersetzt werden müssen. Angesichts der Umwelt- und Klimaziele der Bundesregierung ist davon auszugehen, dass die Kapazitätsstilllegungen durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten ausgeglichen werden müssen (zusammen mit einer stärkeren Nutzung der Gasverstromung). Dies unterstreicht die hohe Priorität, die den Übertragungsnetzen und der Systemintegration von Erneuerbaren Energien beigemessen werden sollte. Darüber hinaus muss sich die Bundesregierung auch mit den Akzeptanz- und Genehmigungsproblemen auseinandersetzen, die bei der Windenergie an Land – auch beim Repowering älterer Windenergieanlagen – in jüngster Zeit aufgetreten sind.

Entwicklung außerhalb des Stromsektors

Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass trotz der bereits erzielten und geplanten Fortschritte bei der Emissionsminderung im Stromsektor stärkere Anstrengungen in anderen Sektoren notwendig sind, um die Gesamtziele für die Verringerung der CO2– Emissionen zu erreichen. Dies betrifft insbesondere den Wärme- und Verkehrssektor.

Vor allem der Verkehrssektor hinkt bei der Emissionsminderung hinterher und ist gegenwärtig der Haupthinderungsgrund für das Erreichen der Klimaschutzziele. Zudem hat der hohe Anteil an Dieselfahrzeugen auf Deutschlands Straßen zum Anstieg der Luftverschmutzung, insbesondere durch Stickstoffdioxid-Emissionen, beigetragen. Neben den Effizienzverbesserungen gemäß EU-Vorgaben und der Förderung der Elektromobilität wird im Klimaschutzplan 2050 auch die wichtige Rolle des öffentlichen Nahverkehrs, des Schienen-, Rad- und Fußverkehrs sowie der Digitalisierung für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor hervorgehoben. Die Bundesregierung hat eine Nationale Plattform Zukunft der Mobilität ins Leben gerufen, die sich mit der Frage der Emissionsminderung im Verkehrssektor auseinandersetzen und entsprechende Empfehlungen erarbeiten soll. Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Einstieg in die CO2-Bepreisung für Emissionen des Verkehrssektors beschlossen. Dies wird zu höheren Kraftstoffpreisen führen und Anreize für Effizienzverbesserungen im Verkehrssektor schaffen.

Der Wärmesektor– auf den mehr als 50 % des Endenergieverbrauchs und rund 40 % der Emissionen entfallen – ist neben dem Verkehrssektor ein weiterer Bereich, in dem die Bundesregierung noch an einem Dekarbonisierungsplan arbeitet. Der Wärmemarkt in Deutschland ist stark von fossilen Energieträgern abhängig (so beträgt der Anteil der Ölheizungen im Wohngebäudesektor 25 %, was zum Teil auf die niedrige Besteuerung von Heizöl zurückzuführen ist), und ein hoher Anteil der Fernwärme aus KWK-Anlagen wird aus fossilen Energieträgern gespeist. Ein notwendiger erster Schritt besteht in der Steigerung der Energieeffizienz – nicht nur bei Neubauten, sondern auch durch die Erhöhung der Sanierungsrate. Darüber hinaus kommt dem verstärkten Einsatz Erneuerbarer Energien in Heizsystemen eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors in Deutschland zu. Das rasche Wachstum der Erneuerbaren Stromerzeugung in Deutschland bietet eine günstige Gelegenheit, sowohl den direkten Einsatz von Erneuerbaren für die Wärmeerzeugung auszubauen als auch die Sektorkopplung voranzutreiben, um mehr Strom aus Erneuerbaren Energien im Wärmesektor einzusetzen. Allerdings hemmen die hohen Stromkosten – bedingt durch Steuern, Abgaben und Umlagen (wie z. B. die EEG-Umlage zur Förderung der Erneuerbaren Energien) – die Chancen einer umfangreicheren Nutzung von Strom im Wärmesektor, insbesondere angesichts der niedrigen Besteuerung fossiler Energieträger.

Das Klimaschutzprogramm 2030 umfasst wesentliche Maßnahmen für den Wärmesektor, wie z. B. die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, eine Prämie für den Austausch von Ölheizungen gegen neue, effizientere Heizsysteme sowie den Ausbau von Wärmenetzen und Fernwärme mit dem Ziel, Erneuerbare Energiequellen in die Wärmenetze zu integrieren (insbesondere in dicht besiedelten Gebieten). Da die geplante CO2-Bepreisung auch die Emissionen aus der Wärmeerzeugung erfasst, wird sie die bestehenden Energieeffizienzbemühungen in diesem Sektor verstärken.

Energieversorgungssicherheit

Deutschland verfügt über diversifizierte Ölversorgungsquellen, eine gut angebundene Versorgungsinfrastruktur, einen liberalisierten Markt und hohe Ölkrisenvorräte. All dies trägt zu einer hohen Ölversorgungssicherheit bei. Weitere Fortschritte bei Steueranreizen, wie z. B. Subventionen und gestaffelte Steuern für emissionsarme Fahrzeuge und die zugehörige Infrastruktur, könnten die Ölnachfrage im Verkehrssektor verringern. Dies würde die Ölversorgungssicherheit in Deutschland weiter verbessern und zur Klimawende beitragen.

Auch bei Erdgas verfügt Deutschland trotz seiner hohen Abhängigkeit von Importen (93 % des Verbrauchs) über eine relativ hohe Versorgungssicherheit. Der weitaus größte Anteil der deutschen Erdgasimporte stammt aus der Russischen Föderation, gefolgt von den Niederlanden und Norwegen. Aufgrund des Kernenergie- und Kohleausstiegs wird der Erdgasbedarf für die Stromerzeugung trotz des massiven Ausbaus der Erneuerbaren Energien zunehmen, zumal Erdgas u. a. auch als Reserveenergie für die Erneuerbaren benötigt wird; längerfristig könnte sich Wasserstoff aus Erneuerbaren Quellen als Lösung anbieten. Die wachsende Nachfrage nach Erdgas wird den ohnehin schon hohen Bedarf an Erdgasimporten weiter steigern. Hinzu kommt, dass die inländische Förderung in Deutschland gering und rückläufig ist und zugleich auch die Erdgasimporte aus europäischen Lieferländern in den kommenden Jahren zurückgehen dürften. Dies betrifft insbesondere Erdgas aus den Niederlanden, wo die Förderung im Gasfeld Groningen mittlerweile gedrosselt wird und spätestens 2022 ganz eingestellt werden soll. Die Erdgasversorgungssicherheit ist folglich ein wesentliches Anliegen für die Bundesregierung und die Diversifizierung der Gasversorgung – u. a. durch Direktimporte von Flüssigerdgas (LNG) – wird an Bedeutung gewinnen. Außerdem hängt auch die Stromversorgungssicherheit wegen der verstärkten Nutzung von Erdgas zur Stromerzeugung, insbesondere zur Deckung des Spitzenlastbedarfs, zunehmend von der Gasversorgungssicherheit ab.

Zentrale Empfehlungen:

  • Den Aktionsradius und Anspruch der Energie- und Klimapolitik auf Bereiche jenseits des Stromsektors – insbesondere Verkehr und Wärme – ausweiten, um eine echte Energiewende in allen Sektoren herbeizuführen.
  • Zeitnah den Ausbau und die Verstärkung der Stromnetze sicherstellen, um den Systembetrieb zu verbessern und die Einspeisung größerer Strommengen aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Die Genehmigungsverfahren und den Bau neuer Übertragungsleitungen beschleunigen, um den zukünftigen Bedarf an Stromtransportkapazitäten zu decken.
  • Einen umfassenderen Ansatz zur Senkung des Energieverbrauchs im Verkehrswesen verfolgen, u. a. durch stärkere Anreize für einen kosteneffizienten Umstieg der Verbraucher auf alternative Verkehrstechnologien und die Förderung öffentlicher und multimodaler Verkehrssysteme.
  • Maßnahmen zur gezielten Erhöhung der Sanierungsrate von Bestandsbauten reformieren und stärken, um die Energieeffizienz zu verbessern.
  • Die Energieversorgungssicherheit durch diversifizierte Gasimporte, einschließlich LNG-Importe, stärken; die Stromversorgungssicherheit während der Energiewende durch Flexibilisierung und Vorsorge gewährleisten.
  • Hindernisse für eine effiziente Sektorkopplung beseitigen, indem gleiche Rahmenbedingungen für alle Endverbrauchssektoren geschaffen werden, z. B. durch die Abschaffung von Steuervergünstigungen für fossile Energieträger, die Einführung einer CO2-Bepreisung in Non-ETS-Sektoren sowie eine ausgewogenere Gestaltung von Steuern, Abgaben und Anreizmechanismen mit einer gerechten Verteilung von Kosten und Nutzen auf die verschiedenen Kundensegmente.

->Quelle: iea.blob.core.windows.net/IDR_ES_Germany_DE_Web_Final.pdf