Wie aus Wasserstoff und Kohlendioxid Leben entstanden sein könnte

Neue Erkenntnisse in Nature Ecology & Evolution

Ein internationales Forschungsteam aus Deutschland (Prof. William Martin und Harun Tüysüz), Frankreich (Prof. Joseph Moran) und Japan (Prof. Yoichi Kamagata) unter Federführung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat neue Forschungsergebnisse zur Entstehung des Lebens in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution publiziert. Im Zentrum der Forschung stehen chemische Prozesse an hydrothermalen Tiefseequellen, die für die Entstehung und den Stoffwechsel von primitivsten Lebensformen nötig sind. Das Forscherteam, dem Harun Tüysüz vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung angehört, konnte nachweisen, dass – in Gegenwart von Kohlendioxid als Baustein – Wasserstoff der Treibstoff für die frühesten biochemischen Prozesse am Anfang des Lebens war.

In Laborversuchen stellten die Evolutionsforscher jene Reaktionen nach, die an Tiefseeschloten erfolgen und vermutlich zu den ersten freilebenden Zellen führten. Die Schlote stoßen heißes, mineralhaltiges Wasser aus, das Wasserstoff und Kohlendioxid enthält, welches in einer metallkatalysierten Reaktion Energie für den Stoffwechsel einfachster Lebensformen liefert.

Genauso wie Mikroben sich von Kohlendioxid und Wasserstoffgas ernähren können, dieses in Acetate, Ameisensäure und Pyruvate wandeln und für die Bildung ihres gesamten organischen Materials nutzen, lässt sich die Reaktion im Labor mit Hilfe von passenden Katalysatoren nachstellen. Die Wissenschaftler zeigten, dass sich Wasserstoff H2 und Kohlendioxid CO2 mit einfachen mineralischen Katalysatoren bei 100 °C über Nacht in Acetate, Pyruvate sowie Formiat wandeln lassen. Entscheidend hierfür sind passende nanostrukturierte Feststoffkatalysatoren, die das Team von Tüysüz designte. „Die besondere Struktur unserer Katalysatoren hat die Reaktivität in entscheidendem Maße beeinflusst und vorangetrieben“, erzählt der Forscher.

Der Ausgangspunkt des primitiven Stoffwechsels der ersten Mikroben ist Kohlendioxid und Wasserstoffgas. Mikroben, die sich davon ernähren, wandeln die beiden Gase zunächst in Ameisensäure (Formiat), Acetate und Pyruvate (Salze der Essig- bzw. der Brenztraubensäure) um. Daraus stellen sie dann ihr gesamtes organisches Material mithilfe komplexer Reaktionsketten her. Nun berichtet das Team um die Düsseldorfer Chemikerin Martina Preiner am Institut für Molekulare Evolution an der HHU, dass genau diese Grundbausteine des Lebens ganz von alleine im Labor entstehen, wenn man H2 und CO2 in Gegenwart einfacher Mineralien unter hydrothermalen Bedingungen reagieren lässt.

Prof. William Martin, Leiter des Instituts für Molekulare Evolution an der Uni Düsseldorf, katalogisiert seit 20 Jahren die auffälligen Ähnlichkeiten zwischen metallkatalysierte Reaktionen im Stoffwechsel und in chemischen Reaktionen an hydrothermalen Quellen: „Diese Reaktionen auf Grundlagen von H2 und CO2, die den Ursprung der ersten biochemischen Prozesse widerspiegeln, können wir jetzt auch im Labor nachstellen und so in Düsseldorf die frühesten Entwicklungsphasen des Lebens nachbilden.“

Preiner hat sich zusammen mit Kollegen diese sehr einfachen Reaktionen im Labor nachgestellt. Sie konnte zeigen, dass aus H2 und CO2 allein mithilfe einfacher mineralischer Katalysatoren – wie sie in den hydrothermalen Schloten vorkommen – bereits Formiat, Acetat und Pyruvat über Nacht bei 100 °C entstehen. Dazu ist kein mikrobieller Stoffwechsel nötig, wie Preiner betont: „Die chemischen Reaktionen sind überraschend einfach. Es entstehen die Reaktionsprodukte, die auch die frühesten Zellen als Grundlage für ihren weiteren Stoffwechsel verwenden.“

Die jetzt publizierten Forschungsergebnisse lassen Schlüsse darauf ziehen, wie das Leben entstand. Zunächst gab es einfache chemische Reaktionen, die durch Metalle und Mineralien katalysiert wurden. Aus den Produkten entstanden komplexere Nukleinsäuren und Proteine, in denen auch heute noch Relikte der biochemischen Ursprünge nachgewiesen werden können.

Zudem setzen die Reaktionen zwischen dem – auch heute noch – in der Tiefsee gebildeten Wasserstoff und Kohlendioxid Energie frei, die den Stoffwechsel der Urzellen angetrieben haben kann. Wasserstoff ist also nicht nur eine saubere Energiequelle der Zukunft sondern kann – unter den richtigen Bedingungen und in Gegenwart der richtigen Katalysatoren – auch zentral für die Entstehung des Lebens gewesen sein.

Die jetzt publizierte Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat, der Volkswagen Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Japanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und dem japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie gefördert.

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