Mit umprogrammierten Bakterien CO2 nachhaltig nutzen

Ameisensäure oder Methanol produzieren

Einem  Wissenschaftler-Team des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm (mpimp-golm.mpg) unter Leitung von Arren Bar-Even ist es laut einer Medienmitteilung des Instituts gelungen, die Ernährung des Bakteriums Escherichia coli so umzuprogrammieren, dass es Ameisensäure oder Methanol als einzige Nahrungsquelle nutzen kann. Diese einfachen organischen Verbindungen lassen sich sehr effizient durch elektrochemische Verfahren aus CO2 herstellen, sodass dieses Treibhausgas zukünftig sinnvoll genutzt werden könnte und sein Beitrag zum Klimawandel sinkt.

Neue Wege zur bioökonomischen Nutzung von CO2

Bildmontage © Gerhard Hofmann für SolarifyObwohl CO2 nur einen Anteil von 0,04% der Luft hat, gehört es zu den Treibhausgasen, die mitverantwortlich für Erderwärmung und Klimawandel sind. Eine Möglichkeit zur Bekämpfung des Letzteren besteht darin, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen – z.B. durch Aufnahme in Pflanzen, Algen oder Mikroorganismen, die durch Photosynthese Biomasse produzieren. Ein anderer Weg besteht darin das bei der Verbrennung oder anderen industriellen Produktionsprozessen entstehende CO2 aufzufangen und zu verwerten, es also zu recyceln, bevor es in die Luft gelangt. Grundsätzlich besitzt CO2 das Potenzial, fossile Brennstoffe als Ausgangsmaterial für die Produktion von kohlenstoffbasierten Chemikalien, einschließlich Kraftstoffen, abzulösen.

Die gerade aktuell von der Bundesregierung verabschiedete Bioökonomiestrategie will biologische Ressourcen stärker nutzen und mit Hilfe biologischen Wissens und Innovationen unseren Bedarf an Rohstoffen, Produkten und Dienstleistungen decken. Diese Strategie soll auch Abfallprodukte wie CO2 verwerten und eine Kreislaufwirtschaft etablieren. Eine Möglichkeit zur nachhaltigen Verwertung von CO2 besteht darin, es in einfache Verbindungen zu überführen und diese als Nahrungsquelle für Mikroorganismen zu nutzen. Die Mikroorganismen wandeln die Stoffe wiederum in hochwertige Verbindungen um, die dann fossile Brennstoffe ersetzen könnten.

Neuer Stoffwechselweg

Einen solchen innovativen Ansatz verfolgten die Forscher um Bar-Even vom mpimp-golm.mpg. Ihre Idee dabei: Einen neuen Stoffwechselweg in das Bakterium Escherichia coli (E. coli – Kolibakterium) einzubringen, damit dieses sich statt wie üblich von Zuckern ausschließlich von organischen Verbindungen (wie Ameisensäure oder Methanol) ernährt. Beide Verbindungen können sehr effizient und kostengünstig aus CO2 hergestellt werden. Da E. coli sehr gut erforscht und einfach zu kultivieren ist, wird es für industrielle Produktionsverfahren, zum Beispiel zur Herstellung von Insulin oder Aminosäuren bereits jetzt schon eingesetzt. Gelingt es, E. coli mittels Ameisensäure oder Methanol zu kultivieren, könnte man einen Stoffkreislauf schaffen, der CO2 – über Ameisensäure und Methanol – mit Hilfe von modifizierten Mikroorganismen in wertvollere Produkte überführt. Ihre Ergebnisse haben die Forscher aktuell im Fachjournal nature chemical biology veröffentlicht.

Entwicklung eines neuen Stoffwechselweges

Damit E. coli Ameisensäure in Biomasse umwandelt, waren einige wichtige Veränderungen nötig. So musste zunächst ein völlig neuer Syntheseweg für Glycin und Serin entworfen werden, welcher die Herstellung dieser Aminosäuren ausgehend von Ameisensäure sicherstellt. Weiterhin mussten die dafür benötigten Gene in das Bakteriengenom eingefügt werden. Die Wissenschaftler gliederten die benötigten Gene in vier Module.

  1. Das erste Modul bestand aus drei Genen des Bakteriums Methylobacterium extorquens, mit denen die Verstoffwechselung der Ameisensäure startete.
  2. Das zweite Modul beinhaltete drei in E. coli natürlich vorkommende Gene, deren Ableserate (Expression) vielfach erhöht wurde. Die Einbringung von den ersten zwei Modulen führte dazu, dass E. coli in der Lage war, Ameisensäure in die Aminosäuren Glycin und Serin umzuwandeln.
  3. Das dritte Modul bestand wiederum aus zwei natürlicherweise in E. coli vorkommenden Genen, deren Expression erhöht wurde, damit als Endprodukt des neuen Synthesewegs Pyruvat gebildet wird. Dieser Stoff ist ein wichtiger Ausgangsstoff für viele weitere zentrale Stoffwechselwege, die letztendlich zur Produktion von Biomasse führen.
  4. Zu Guter Letzt wurde ein Gen aus dem Bakterium Pseudomonas sp. eingebracht, um die Energie für das Zellwachstum bereitzustellen (Modul 4).

Durch Evolution im Labor zu verbessertem Wachstum

Um die Wachstumsrate zu steigern, kultivierten die Forscher das mit allen Modulen ausgestattete Bakterium in Teströhrchen. Sobald die Zelldichte, nach etwa 3 – 6 Tagen, einen Schwellenwert überschritt, verdünnten Sie die Bakterien und starteten mit einer neuen Bakterienkultur den nächsten Wachstumszyklus. Auf diese Weise selektierten sie im Verlauf von 13 Zyklen Bakterien, deren Wachstum sich nach und nach deutlich gesteigert hatte. Dies konnte auf zwei einzelne Mutationen zurückgeführt werden, die während dieser „adaptiven Labor-Evolution“ im E. coli-Genom entstanden waren und die gesteigerte Wachstumsrate bedingten.

In einer ähnlichen Studie des Weizman-Instituts in Israel von November 2019, die in der Fachzeitschrift „CELL“ erschienen ist und an der Bar-Even als Kooperationspartner beteiligt war, wurde ein genetisch verändertes E. coli-Bakterium vorgestellt, dem es möglich war mittels Ameisensäure und CO2 zu wachsen. Im Vergleich mit der in „CELL“ veröffentlichten Studie, ist die Wachstumsrate des aktuell beschriebenen modifizierten E. colis doppelt so hoch. Dieses Bakterium kann sogar mit Hilfe eines weiteren Enzyms, der sogenannten Methanol-Dehydrogenase, Methanol in Ameisensäure umwandeln, welche wiederum wie bereits beschrieben in Biomasse umgesetzt wird.

Somit haben die Forscher in ihrer eindrucksvollen Arbeit bewiesen, dass Bakterien durch genetische Modifikationen umprogrammiert werden können, um neue Nahrungsquellen zu nutzen. Dies stellt die Grundlage dafür dar, zukünftig weitere Organismen mit neuen Stoffwechselwegen auszustatten und diese industriell zu nutzen. Durch die weitere Entwicklung des Methanol- oder Ameisensäure-verzehrenden Bakteriums erhoffen sich die Forscher damit bald auch hochwertige Chemikalien herstellen zu können.

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