Aufbruch in die Energiezukunft

Fact Finding Missions für Energieforschung international

Um die Frage zu beantworten, wie bezahlbare, verlässliche und nachhaltige Energieversorgung in Zukunft aussehen muss, haben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seit Ende 2016 drei sogenannte Fact Finding Missions durchgeführt, in deren Verlauf Experten untersuchten, wie verschiedene Industrieländer die Transformation ihrer Energiesysteme vorantreiben. Der nun erschienene Abschlussbericht fasst die Erkenntnisse zusammen, bringt eine Kooperation mit Australien ins Spiel und fordert ein positives Narrativ für die Energiewende – so eine acatech-Medienmitteilung vom 23.04.2020.

Ergebnis: In Ländern wie USA, China, Südkorea, Japan oder Australien gibt es ganz unterschiedliche Motivationen, das eigene Energiesystem umzubauen und Energiepolitik beziehungsweise Energieforschung zu gestalten. So setzen die Länder bei der Förderung bestimmter Technologien verschiedene Schwerpunkte: Während Südkorea als ressourcenarmes Land die Erforschung und Entwicklung von Batteriespeichern vorantreibt, verfügt Australien über immense Vorkommen an fossilen Rohstoffen, möchte aber in Zukunft vor allem als grüner Energieexporteur in Erscheinung treten. Japan platziert sich mit seiner Wasserstoffstrategie als potenzieller Importeur dieser Energie (Foto, li.). In den USA ist, trotz untergeordneter Klimapolitik, eine sehr zügige Umsetzung und Anwendung von Forschungsergebnissen in der Praxis auffällig. Während China im Bereich Energieforschung große Fortschritte gemacht hat: Dort entspreche das Niveau der Forschung in einigen anwendungsnahen Bereichen westlichen Standards oder übertreffe diese sogar, konstatieren die Experten in ihrem Abschlussbericht.

Aus ihren Erkenntnissen haben die Autoren folgende Handlungsoptionen abgeleitet – wie die deutsche Energieforschung optimiert und das Energiesystem erfolgreich transformiert werden kann:

  • Expertise bündeln, Forschung verknüpfen: zentrale Koordinierung der Energiewende erforderlich
    Zwar fördere die dezentrale Forschung in Deutschland den Wettbewerb und die Unabhängigkeit der Energieforschung, so die Autorinnen und Autoren. Jedoch führe das auch zu einer gewissen Fragmentierung des Know-hows bei wichtigen Schlüsseltechnologien. Um innovative Forschungsfelder frühzeitig zu identifizieren und Forschungsthemen strategisch zu entwickeln, bedürfe es einer verstärkten Verknüpfung und gezielten Förderung bereits bestehender wissenschaftlicher und industrieller Forschung in Deutschland.
  • Breite der Energieforschung bewahren und die Ergebnis- und Technologieoffenheit fördern
    In Anbetracht der noch zu leistenden Emissionsreduktionen zur Erreichung der nationalen sowie europäischen Klimaziele müssten alle Technologien verfolgt werden, die einen potenziellen Beitrag dazu leisten können, so die Autorinnen und Autoren. Mit Blick auf internationale Märkte gelte das insbesondere für die Sektorkopplung und Power-to-X-Technologien, um grünen Wasserstoff zu erzeugen, sowie in Bezug auf CCUS-Technologien und elektrochemische Speicher.
  • Kontinuierliches Energiewende-Benchmarking der G20-Länder einführen
    Im Rückblick bewerten die Autoren die Fact Finding Missions sehr positiv: Die Reisen hätten gezeigt, wie wichtig ein kontinuierliches Benchmarking internationaler Entwicklungen im Energiesektor ist. Entsprechend sollten ihrer Meinung nach auch in Zukunft regelmäßig Fact Finding Missions in die G20-Länder stattfinden. Auf diese Weise könne man weiterhin Best-Practice-Beispiele der Energieforschung identifizieren oder energiepolitische Maßnahmen beispielsweise hinsichtlich der CO2-Bepreisung erfassen und bewerten.
  • Internationale Technologien-Allianzen und Partnerschaften fördern
    Internationale Allianzen in ausgewählten Technologiefeldern böten die Möglichkeit, potenzielle Rückstände in der Systemkompetenz Deutschlands aufzuholen sowie neue Märkte zu erschließen, heißt es im Bericht. Konkret bringen die Autorinnen und Autoren eine strategische Zusammenarbeit mit Australien ins Spiel: Das Land sei ein idealer Partner für ein langfristiges, großskaliges Kooperationsvorhaben, das die gesamte Wertschöpfungskette des grünen Wasserstoffs abdeckt.
  • Mit gutem Beispiel voran gehen: zeigen, dass es geht
    Die Autoren beobachten, dass viele Länder ihre Energie- und Klimapolitik wirtschaftlichen Interessen nachordnen. Dabei würden globale Abhängigkeiten des nationalen Handelns oft wenig beachtet. Die Energiewende genieße aber insbesondere im außereuropäischen Ausland einen guten Ruf. Das müsse Deutschland nutzen, um die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu demonstrieren.

Insbesondere die letzte Option sei von großer Bedeutung, erklärt Projektleiter und acatech Mitglied Robert Schlögl: „Im Ausland beobachtet man genau, wie wir in Deutschland die Energiewende gestalten und an welchen Themen geforscht wird. Wir haben hier immer noch eine Art Vorbildfunktion – und dieser sollten wir jetzt gerecht werden, indem wir zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit keine Gegensätze sind. Dafür brauchen wir schnell erfolgreiche und großskalige Projekte, damit wir ein positives Narrativ der Energiewende schaffen, das auch zukünftige politische Strömungen überdauern kann.“

Fünf Handlungsoptionen

Als zentrale Erkenntnisse der Delegationsreisen wurden fünf Handlungsoptionen abgeleitet:

  1. Die deutsche Energiewende braucht eine zentrale Koordinierung, um bestehende Expertise zu bündeln und Forschung zu verknüpfen. Somit könnten innovative Forschungsfelder frühzeitig identifiziert und Forschungsthemen strategisch entwickelt werden.
  2. In Anbetracht der noch zu leistenden Emissionsreduktion zu Erreichung der Klimaziele muss die Breite der Energieforschung bewahrt und gleichzeitig die Ergebnis- und Technologieoffenheit gefördert werden. Internationale Märkte zeigen allerdings, dass insbesondere Sektorkopplung, und Power-to-X-Technologien, CCUS-Technologien und elektrochemische Speicher von großer Bedeutung sein werden.
  3. Globale Entwicklungen der Energieforschung sollten in einem kontinuierlichen Energiewende-Benchmarking der G20 Länder untersucht werden. So könnten weiterhin Best-Practice-Beispiele und Kooperationsmöglichkeiten identifiziert werden.
  4. Internationale Technologie-Allianzen und Partnerschaften müssen gefördert werden, da die Energiewende nur in Kooperation mit internationalen Akteuren gelingen wird. Konkret könnte sich eine strategische Zusammenarbeit mit Australien beim Thema grünen Wasserstoff anbieten.
  5. Nachhaltigkeit spielt in den untersuchten Ländern in der Energie- und Klimapolitik oft eine untergeordnete Rolle. Nach wie vor genießt die deutsche Energiewende aber dort ein hohes Ansehen. Deutschland muss jetzt mit gutem Beispiel voran gehen und zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereinbar sind.

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