Koalitionsstreit über Mindestabstand und Solardeckel beigelegt

Deckel ist weg, Gemeinden können selbst über Windräder bestimmen

Nach monatelangen, schwierigen Verhandlungen hat die schwarz-rote Koalition eine Einigung über den Abstand von Windgeneratoren und den Solardeckel erzielt. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carsten Linnemann (CDU/CSU) und Matthias Miersch (SPD) erklärten am 18.05.2020, der Förderdeckel für Solaranlagen von 52 GW solle unverzüglich aufgehoben, Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigt werden.

Wind-Onshore-Ausbau – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Erklärung von Linnemann und Miersch:

  • „Wir freuen uns, dass wir heute eine Einigung bei zentralen energie- und wirtschaftspolitischen Fragen erzielt haben. Gegenstand unserer Einigung ist die Einführung einer Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch für Windenergie an Land. Diese soll den Ländern die Möglichkeit einräumen, einen Mindestabstand von bis zu 1000 Metern zwischen Windenergieanlagen und Wohngebäuden in ihren Landesgesetzen aufzunehmen. Die bestehende bayerische Regelung bleibt davon unberührt.
  • Ferner streben wir einen Koordinierungsmechanismus von Bund und Ländern an, um kontinuierlich den Umsetzungsstand des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im Hinblick auf die Erreichung des 65%-Ziels im Jahr 2030 zu monitoren.
  • Wir werden den 52-Gigawatt-PV-Deckel unverzüglich aufheben.
  • Über diese wichtigen energiepolitischen Fragestellungen hinaus sehen wir gerade im Lichte der Coronakrise, dass die Beschleunigung von Investitionsvorhaben dringend benötigt wird. Deshalb streben wir eine grundlegende Modernisierung der Beteiligungs-, Planungs- und Genehmigungsprozesse an. Kerninhalte sollen insbesondere deren konsequente Digitalisierung, eine frühzeitigere Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und beteiligten Kreisen sowie die Verkürzung des Instanzenweges um eine Instanz sein.
  • Wir sind davon überzeugt, dass unsere Einigung einen wichtigen Impuls für die Arbeit der Großen Koalition und die Umsetzung der energie- und wirtschaftspolitischen Ziele bietet.“

Altmaier: „Ausgewogene Lösung“

Um die Akzeptanz von Windrädern zu erhöhen, hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Geld für Kommunen und günstigeren Strom für Anwohner vorgeschlagen. Länder und Branchenverbände hatten zuletzt vom Bund mehr Tempo beim Ökostrom-Ausbau gefordert. Er erklärte zur Einigung: „Die  Einigung der Koalitionsfraktionen ist ein hervorragendes Ergebnis für die Energiewende und den Klimaschutz. Und sie ist zugleich ein starker Impuls für Konjunktur und Beschäftigung, gerade in diesen schweren Zeiten. Die Erneuerbaren sind eine Zukunftstechnologie, und die Planungsbeschleunigung, die ebenfalls Teil der heutigen Einigung ist, werden wir weiter vorantreiben, um digitale Möglichkeiten in Planungs- und Genehmigungsverfahren stärker zu nutzen. Wir haben mit der Einigung auf eine Länderöffnungsklausel bei den Windabstandsflächen eine ausgewogene Lösung gefunden. Und wir halten Wort bei der Abschaffung des Photovoltaik-Deckels – der Deckel wird aufgehoben, bevor er ausgeschöpft ist.“

Einigung über EE-Ausbau positives Signal für Energiewirtschaft

Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, begrüßte erwartungsgemäß die Einigung: „Endlich hat die Große Koalition den Gordischen Knoten durchschlagen und den Stillstand bei einigen energiepolitischen Aspekten beendet. Die Einigung ist ein überfälliges Signal für alle Unternehmen, die in Zukunftstechnologien investieren wollen. Durch die unverzügliche Streichung des PV-Deckels kann jetzt in letzter Minute der befürchtete Stillstand beim Ausbau der Photovoltaik abgewendet werden; so werden tausende Arbeitsplätze gesichert und wichtige Investitionen ausgelöst, die gerade in der Coronakrise als Konjunkturmotor dienen können. Mit dem Kompromiss zum Ausbau von Wind an Land kann die Branche leben. Anstelle einer starren Regelung erhalten die Bundesländer genügen Spielraum, um den Ausbau wieder zu beschleunigen. Wichtig ist, dass auch Details so festgelegt werden, dass die Windenergie wieder an Fahrt gewinnt, denn die Einbrüche der letzten Monate waren dramatisch. Positiv ist, dass Planungs- und Genehmigungsprozesse der Erneuerbare Energien vereinfacht und Bürgerinnen und Bürger stärker beteiligt werden sollen. Die Bürgerenergie ist ein Schlüssel für den erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren. Die Einigung muss nun schnell in ein Gesetz gegossen werden, um der Branche Planungssicherheit zu geben“.

Damit das Ziel der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent im Stromsektor bis 2030 wieder erreichbar werden kann, ist ein beschleunigter Ausbau aller Erneuerbaren Technologien unbedingt nötig. Andernfalls droht laut BEE-Berechnungen eine Ökostromlücke von 100 TWh. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass das 65-Prozent-Ziel für 2030 nun auch per Gesetz festgeschrieben und die Einhaltung regelmäßig überprüft werden soll. Dafür sind weitere Maßnahmen erforderlich, die auch den Ausbau von Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie im Stromsektor voranbringen. Zudem muss die Kopplung der Sektoren vorangebracht werden, um alle Möglichkeiten einer dezentralen, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung zu nutzen“, so Peter.

Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy, kommentiert die Einigung:

„Bei allem berechtigtem Lob für die überfällige Streichung des Solar-Deckels: Für die Windenergie ist die heutige Einigung nur ein erster Schritt, um die jahrelange Blockade dieser Zukunftstechnologie endlich aufzuheben. Die Maßnahmen, auf die sich die Koalitionsfraktionen verständigt haben, reichen bei Weitem nicht, um die Windkraft an Land in einem Tempo auszubauen, das für echten Klimaschutz notwendig wäre. Da muss noch mehr kommen: Idealerweise sollte die Bundesregierung ein ‚Windenergie-an-Land-Gesetz‘ auf den Weg bringen, das den Windräder-Bau als wirksames Klimaschutzinstrument im öffentlichen Interesse festschreibt. Außerdem brauchen wir klare Zielvorgaben für die Länder bei verfügbarer Fläche oder installierter Leistung. Optionale Abstandsregelungen auf Länderebene alleine schaffen nicht die Grundlage für den ambitionierten Wind-Ausbau, den wir jetzt dringend brauchen.“

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