Datteln 4 am Netz – CO2-Ausstoß steigt

CO2-Neutralität muss schneller kommen – stattdessen ein Kohlekraftwerk mehr

Die Kohlekommission der Bundesregierung war dagegen – trotzdem ging das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 am 30.05.2020 in den kommerziellen Betrieb. Naturschutzverbände und Klima-Aktivisten haben Proteste angekündigt (tagesschau.de). „Dabei müsste Deutschland, um die Klimaziele zu schaffen, den Kohleausstieg massiv beschleunigen“, schreibt Nicole Weinhold in ErneuerbareEnergien. Die Bundesregierung mache mit Datteln 4 deutlich, dass sie von Energiepolitik und Klimaschutz einfach keine Ahnung habe, erklärte jetzt Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen.

Bildmontage © Solarify

Aus dem Bundesumweltministeriums wurde bereits bestätigt, dass die Bundesregierung ab dem Sommer und bis 2038 mit Mehremissionen durch Datteln 4 rechne – mit 10 Mio. t zusätzlichem CO2. Auf welcher Berechnungsgrundlage oder Vergleichsbasis ist allerdings bislang geheim. Jedenfalls wird Datteln 4 „nicht auf Sparflamme betrieben“, so das Portal Quarks vom Westdeutschen Rundfunk. Ein effizienteres Kraftwerk sei am europäischen Strommarkt allerdings wettbewerbsfähiger als alte Kraftwerke. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Auslastung beim neuen Kraftwerk weitaus höher liege. Der BUND rechne mit 60 bis 70 Prozent, also womöglich mehr als doppelt so viel wie bei einem vergleichbaren Kraftwerk. Der Effekt der Auslastung ist dann größer als die höhere Effizienz. Im Endeffekt emittiert das Kraftwerk mehr CO2 pro Jahr – und damit mehr als ein oder sogar mehrere vergleichbare Altkraftwerke, die aktuell im Betrieb sind.

Kohleausstieg „eine Farce“

Für den Grünen Krischer steht die „Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks für die Vergangenheit, für die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, die unsere Luft verpesten und für ein gebrochenes Versprechen, endlich aus der Kohle in Deutschland auszusteigen.“ Die mühsamen Ergebnisse aus dem Kohlekompromiss würden von der GroKo eiskalt über Bord geworfen, sagte seine Parteikollegin Lisa Badum, Sprecherin für Klimapolitik. „Datteln 4 zeigt, wie sehr sich diese Bundesregierung an die Vergangenheit klammert, während die Realität am Strommarkt ganz andere Zahlen und Worte spricht.“ Über die Hälfte des deutschen Stroms werde durch erneuerbare Energien hergestellt, zum Großteil aus der Windkraft. Die Kohle werde schon lange aus dem Markt verdrängt und sei um 33 Prozent eingebrochen. „Diese Zahlen aus der Energiewirtschaft sprechen eine eindeutige Sprache. Es ist unbegreiflich, warum der Wirtschaftsminister sich weigert, darauf zu hören.“

CO2-Reduktion muss schneller erfolgen

„Die Regierung hat es nicht eilig mit dem Kohleausstieg. Dabei hat sich Dank des Merit-Order-Effekts an der Strombörse während Corona gezeigt, dass es auch heute schon mit deutlich weniger Kohle im Netz geht“, so Nicole Weinhold. Wie sehr die Zeit drängt aus der Kohle auszusteigen, zeigt eine neue Kurzstudie des deutschen New Climate Institute. Die Autoren Niklas Höhne, Markus Hagemann und Hanna Fekete kommen darin zu dem Schluss, dass Deutschland nicht erst 2050, wie bisher angestrebt, CO2-neutral werden muss, sondern schon deutlich früher.

Veraltete Ziele

„Die Klimaziele, die sich Deutschland vor zehn Jahren gesetzt hat, sind veraltet“, heißt es in der Studie. Insbesondere das Ziel, Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% unter das Niveau von 1990 zu reduzieren, sei auf einer Grundlage bestimmt worden, die heute nicht mehr zutrifft. Zum einen sei bei Setzung des Ziels angenommen worden, dass die globalen Emissionen stagnieren, aber sie sind seitdem deutlich gestiegen. Zum anderen wisse die Weltgemeinschaft heute mehr über die Risiken des Klimawandels, und hat mit dem Pariser Klimaschutzabkommen die Maximalgrenze des akzeptablen Temperaturanstiegs von 2°C auf „weit unter 2°C und in Richtung 1.5°C“ verschärft. „Unter den heutigen Bedingungen ist das CO2-Budget, das Deutschland nach Gerechtigkeitskriterien zusteht, um ein Vielfaches kleiner als das, welches durch die aktuellen Ziele beansprucht würde. Selbst wenn Deutschland seine Emissionen so schnell reduzieren würde, wie es im globalen Durchschnitt nötig ist, wären die jetzigen Ziele nicht ausreichend. Deutschland hat sein CO2 Budget also schon fast überzogen und müsste seine Emissionen innerhalb eines Jahrzehnts auf null senken, um einen gerechten Beitrag zu leisten“, heißt es weiter. Allerdings seien null Emissionen bis 2030 politisch schwer vorstellbar.Also schlägt die Studie vor:

Deutschland sollte sich zwei Ziele setzen

Deutschland hat sein CO2 Budget also schon fast überzogen und müsste seine Emissionen innerhalb eines Jahrzehnts auf null senken. Da dies politisch nicht vorstellbar sei, sollte sich Deutschland zwei Ziele setzen, die zusammengenommen, der deutschen Verantwortung von null Emissionen bis 2030 entsprächen:

  • Nationales Ziel: Deutschland könnte sich das Ziel setzen, Netto-Null Treibhausgasemissionen, also den Ausgleich zwischen Emissionen und Senken, in Deutschland weit vor 2050 (zum Beispiel bis 2040) zu erreichen. Diese Ziele müssten regelmäßig überprüft und wenn möglich verschärft werden.
  • Ziel, anderen Ländern zu helfen: Deutschland müsste zusätzlich anerkennen, dass nationale Emissionsreduktionen alleine nicht ausreichen und ein zweites ambitioniertes Ziel vorschlagen, anderen Ländern bei der Emissionsreduktion zu helfen. Möglich wäre finanzielle Unterstützung, Innovation, die zu Mitnahmeeffekten in anderen Ländern führt, oder die Entfernung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre.

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