GIH zu Gebäudeenergiegesetz: „Viele Chancen verpasst“

Gebäudeenergiegesetz schon jetzt „klimapolitischer Sanierungsfall“ (DUH)

Nach einem langwierigen Verfahren hat der Bundestag am 18.06.2020 das Gebäudeenergiegesetz (GEG) (siehe: solarify.eu/gebaeudeenergiegesetz-geg und solarify.eu/gebaeudeenergiegesetz-entwurf) verabschiedet – und in letzter Minute noch leichte Anpassungen vorgenommen. Beim Energieberaterverband GIH freut man sich, dass freie Berater doch noch für die zu bestimmten Anlässen vorgesehenen Pflichtberatungen zugelassen wurden. Dennoch überwiegt bei Deutschlands größter Energieberatervereinigung das Gefühl, dass der Gesetzgeber zu viele Chancen ausgelassen hat.

Vorbereitung zur Dämmung, Glaswolle für energetische Sanierung – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Zuallererst sind wir erleichtert, dass der viele Jahre währende Gesetzgebungsprozess ein Ende gefunden hat und der bisherige Wust an Vorschriften für den Gebäudeenergiebereich in einem Gesetz zusammengeführt wurde“, sagt der GIH-Bundesvorsitzende Jürgen Leppig. Weniger erbaulich sei es allerdings, dass viele von seinem Verband vorgebrachten Argumente, die zum größten Teil auch vom Bundesrat geteilt wurden, kein Gehör fanden. Aus seiner Sicht sei so ein Gesetz entstanden, mit dem sich die angestrebten klimapolitischen Ziele wohl nicht erreichen lassen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der im Gesetz verankerte unambitionierte Niedrighausstandard den von der Europäischen Union geforderten Vorgaben genüge tut“, führt der GIH-Vorsitzende ein Beispiel aus.

Für seine Verbandsmitglieder, überwiegend frei tätige Energieberater, sei es jedoch äußerst positiv, dass sie nun doch für die bei Anlässen wie einem Wohnungskauf oder bestimmten Sanierungen verpflichtende kostenlose Beratung zugelassen seien – dies war im Entwurf vom Januar noch ausschließlich den bei den Verbraucherzentralen unter Vertrag stehenden Energieberatern vorbehalten gewesen. „Um hier Marktgerechtigkeit zu erreichen, mussten wir dicke Bretter bohren“, so Leppig, der betont, dass solche Beratungen häufig der Einstieg für Folgeaufträge und somit ganzheitliche energetische Sanierungen seien. Einen Wermutstropfen sieht er aber dennoch: „Während die Berater der Verbraucherzentrale ein indirekt aus Steuermitteln finanziertes Honorar bekommen, müssen freie Energieberater unentgeltlich in Vorleistung gehen und haben daher ein unternehmerisches Risiko zu tragen. Hier sollte der Gesetzgeber – z.B. im Rahmen der in letzter Abstimmung sich befindenden Bundesförderung für effiziente Gebäude – unbedingt nachlegen und für Gleichbehandlung sorgen.“

DUH: Schon vor der Abstimmung überholt 

Das GEG war aus Sicht der DUH „schon vor der Abstimmung überholt und verpasst die Chance, die notwendigen Weichen für den Klimaschutz im Gebäudebereich zu stellen. Denn die bereits heute geltenden und wesentlich zu niedrig angesetzten Effizienzstandards werden einfach eingefroren. Die Klimaschutzziele im Gebäudebereich können mit diesem unambitionierten Gesetz nicht erreicht werden. Um die Klimaziele zu erreichen, fordert die DUH stattdessen für den Neubau mindestens KfW-Effizienzhaus-40-Standard und für den Bestand KfW-Effizienzhaus-55-Standard. Die angesetzte Überprüfung der Standards für 2023 kommt deutlich zu spät.“

Dazu erklärt Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Das Gebäudeenergiegesetz ist ein klimapolitischer Sanierungsfall. Sinn und Zweck bleiben unklar, da es keine Anhebung des Effizienzniveaus vorsieht. Damit macht sich das Gesetz selber überflüssig. Schon jetzt muss Klimaneutralität bei Neubau und Sanierung zum Maßstab werden. Sonst muss vor 2050 ein weiteres Mal saniert werden. Es ist besser, dieses Gesetz nun abzulehnen und einen ambitionierten Vorschlag zu erarbeiten. Nur so vermeiden wir hohe CO2-Emissionen und bis 2030 drohende Kosten von 30 – 60 Mrd. €, da die Klimaschutzlücke durch Zertifikat-Ankäufe aus anderen EU-Staaten gedeckt werden muss.“

Ambitionierte Standards sind nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern können auch positive Konjunktureffekte auslösen. Bereits heute sind 310.000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft der energetischen Sanierung zuzuschreiben, das entspricht 12 % der beschäftigten Personen. Für das Erreichen der Klimaschutzziele 2050 sind bis zu 280.000 zusätzliche Beschäftigte für Neubau und Sanierung möglich.

Die DUH kritisiert außerdem die im Gesetz eingeführte „Innovationsklausel“. Diese bewirkt, dass die jetzt schon schwachen Effizienzanforderungen umgangen werden. Energetische Anforderungen können in einem Quartier gegeneinander aufgerechnet werden: Einzelne Gebäude müssen damit nicht mal mehr dem aktuellen Energieeinsparverordnungs-Mindeststandard entsprechen, wenn andere Häuser im Quartier energetisch etwas besser sind.

Der Gesetzentwurf setzt synthetische Brennstoffe in ihrer Bewertung mit erneuerbaren Energien gleich. Dies führt aus Sicht der DUH zu klimapolitisch falschen Anreizen: Synthetische Brennstoffe müssen in die Sektoren gehen, in denen es keine Möglichkeit zur direkten Nutzung von erneuerbarem Strom gibt, wie zum Beispiel in der Industrie sowie im Flug- und Hochseeschiffverkehr. Das Heizen von Gebäuden gehört nicht dazu. Die DUH fordert die Bundesregierung auf, die Innovationsklausel in dieser Form zu streichen, auch weil sie in ihrer jetzigen Form nicht mit den Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie vereinbar ist.

Die Berücksichtigung der Grauen Energie – also der Energie und Ressourcen, die bei der Herstellung eines Produktes oder auch beim Rückbau eines Gebäudes benötigt werden – in der Überprüfungsklausel des GEG für 2023, bezeichnet die DUH als Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreichend ist.

Dazu Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Ein Prüfauftrag allein bringt uns nicht weiter. Der Grundsatz ist heute schon klar: Klimaneutralität erreichen wir nur, wenn wir nicht nur die Nutzungsphase, sondern den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden betrachten. Wir müssen deshalb jetzt geeignete Indikatoren für die Berücksichtigung von ‚Grauer Energie‘ festlegen, damit eine ausreichende Datenbasis für die nächsten Schritte geschaffen wird: Das Thema muss so schnell wie möglich in einem neuen Gebäudeenergiegesetz und in Förderprogrammen Eingang finden.“

Wegen der langen Investitionszyklen müssen heute errichtete Gebäude bereits den Klimazielen für 2050 entsprechen, sonst müssten sie vor 2050 noch einmal saniert werden, was unnötige Mehrkosten und Ressourcenverbrauch verursacht. Der GEG-Entwurf verlangt beim Neubau aber lediglich den KfW-Effizienzhaus-70-Standard und schreibt damit den geltenden, zu geringen Standard fort.

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