Gorleben raus

Aber 90 andere Regionen sind zum Atommüll-Endlager geologisch geeignet

Am 28.09.2020 veröffentlichte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die vorläufigen Ergebnisse der Suche nach einem Endlager für Atommüll. Der mit Spannung erwartete Zwischenbericht Teilgebiete zeigt nun, dass 90 Gebiete in Deutschland – 54 Prozent der Landesfläche – günstige geologische Voraussetzungen aufweisen. Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist nicht darunter, wie aus dem Bericht hervorgeht. Die sogenannten Teilgebiete liegen etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, aber auch in den ostdeutschen Bundesländern.

Das Ergebnis sind zum einen die Gebiete, die für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen ungeeignet sind, als auch die Gebiete, die eine günstige geologische Gesamtsituation dafür erwarten lassen. An diesen Orten erscheint es lohnend, sie im weiteren Verfahren näher zu betrachten. BGE-Geschäftsführer Stefan Studt dazu in der Bundespressekonferenz: „Die bundesdeutsche Geologie ist von Nord bis Süd und von Ost bis West so günstig, dass wir mit Überzeugung sagen können, dass sich daraus der eine Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle wird ermitteln lassen“. Ein Teilgebiet, das ebenausgewiesenes sei aber „noch lange“ kein Endlagerstandort.

Die 90 Teilgebiete mit einer Gesamtfläche von gut 240.000 Quadratkilometer überlagern einander teilweise, deshalb ist die Gesamtfläche auf der ehemals weißen Deutschlandkarte aber kleiner: rund 194.000 Quadratkilometer oder rund 54 Prozent der Landesfläche. „Die Chance, in Deutschland den Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden, der Sicherheit für eine Million Jahre bietet, steht sehr gut. Das zeigen die 90 Teilgebiete überall im Land“, sagt Stefan Studt, Vorsitzender der Geschäftsführung der BGE.

Teilgebiete sind Gebiete, die eine günstige geologische Gesamtsituation für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen. Es gibt sehr kleine Teilgebiete, beispielsweise Salzstöcke, aber auch sehr große Teilgebiete, beispielsweise große Tonformationen, die sich über mehrere Landkreise oder auch Bundesländergrenzen hinweg erstrecken können. Manche Teilgebiete sehen auf der geografischen Karte aus wie eine Inselgruppe. Dort könnte eine Störungszone eine Wirtsgesteinseinheit im Untergrund unterbrechen, oder in einem Teil der Formation kann eine Mindestanforderung nicht erfüllt sein, in anderen Teilen der Formation dagegen schon.

Teilgebiete in fast allen Bundesländern

Die Teilgebiete verteilen sich auf alle Bundesländer mit Ausnahme des Saarlands. Im Tongestein hat die BGE neun Teilgebiete mit einer Fläche von knapp 130.000 Quadratkilometern ermittelt. Im Wirtsgestein Steinsalz sind insgesamt 74 Teilgebiete mit einer Fläche von etwas mehr als 30.000 Quadratkilometern ausgewiesen worden. Davon befinden sich 60 Teilgebiete in steil stehenden Steinsalzformationen, also Salzstöcken, und 14 Teilgebiete in stratiformen – also flachen – Steinsalzformationen. Sieben Teilgebiete mit einer Fläche von knapp 81.000 Quadratkilometern befinden sich in kristallinem Wirtsgestein. „An der Größe der Teilgebiete lässt sich leicht erkennen, dass wir von einer Vorentscheidung für einen Standort noch ein gutes Stück entfernt sind“, sagt Steffen Kanitz, in der BGE-Geschäftsführung für die Standortauswahl zuständig. „Jetzt freuen wir uns auf die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern und der Fachöffentlichkeit über unsere Ergebnisse, unsere Methoden zur Anwendung der Kriterien des Standortauswahlgesetzes und die Arbeit an neuen Aufgaben mit unserem engagierten Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“

Gorleben aus dem Verfahren ausgeschlossen

Der Salzstock Gorleben ist nach Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien gemäß § 24 des Standortauswahlgesetzes kein Teilgebiet geworden. Damit greift die Regelung des § 36 Abs. 1 S. 5 Nr.1 Standortauswahlgesetz, wonach der Salzstock Gorleben aus dem Verfahren ausgeschlossen wird. Der Salzstock Gorleben wird daher bei den weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen nicht betrachtet.

Grundlage für die Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Zwischenbericht Teilgebiete ist die Grundlage für die erste Phase der formalen Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine Fakten geschaffen sind. Damit erhalten interessierte Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, auf die Ergebnisse des weiteren Standortauswahlverfahrens Einfluss zu nehmen. Die Beteiligung startet das Bundesamt für die Sicherheit der kerntechnischen Entsorgung (BASE) am 17./18. Oktober 2020 mit einer Auftaktveranstaltung zur Fachkonferenz Teilgebiete.

Noch keine Vorentscheidung für einen Standort

Der Zwischenbericht Teilgebiete ist noch keine Vorentscheidung über einen möglichen Standort für Endlager für hochradioaktive Abfälle. Das Ziel des nächsten Schritts im Standortauswahlverfahren ist die weitere Eingrenzung des Suchraums von Teilgebieten zu Standortregionen. Die BGE setzt dies mit Hilfe von so genannten vorläufigen repräsentativen Sicherheitsuntersuchungen, den geowissenschaftlichen Kriterien und möglicherweise auch der Anwendung der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien um. Unter planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien werden beispielsweise die Besiedlungsdichte, Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, Überschwemmungsgebiete oder Kulturdenkmäler verstanden. Diese Kriterien kommen jedoch immer nur dann zum Zug, wenn die geologischen Voraussetzungen an einem anderen vergleichbaren Standort genauso gut sind. Denn die Aufgabe der BGE ist es, den Standort zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle für eine Million Jahre bietet.

Wie geht es weiter?

In diesem weiteren Verlauf der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens erarbeitet die BGE unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Fachkonferenz Teilgebiete schließlich einen Standortvorschlag für Regionen, die in Phase zwei oberirdisch erkundet werden könnten. Die übertägig zu erkundenden Standortregionen werden nach vorheriger Prüfung durch das BASE und einer weiteren gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung vom Bundesgesetzgeber festgelegt. In Phase 2 ermittelt die BGE im Rahmen der übertägigen Erkundung Standorte, die sie zur untertägigen Erkundung vorschlägt. Nach Abschluss der untertägigen Erkundung wird für 2031 der Standortvorschlag angestrebt.

Zwischenbericht Teilgebiete

Der Zwischenbericht Teilgebiete ist der erste Meilenstein auf dem Weg zu einem Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland. Die Basis bilden Daten über den tiefen geologischen Untergrund. 1.040.605 Dateien haben die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) bis zum Datenstichtag 1. Juni 2020 aus Bundes- und Landesbehörden erreicht und wurden im Zwischenbericht Teilgebiete verarbeitet. Diese Daten stammen aus dem Bereich des Bergbaus, der Erdöl- oder Erdgasförderung oder aus Geothermiebohrungen. Die BGE hat den Zwischenbericht Teilgebiete am 28. September 2020 veröffentlicht und dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) (externer Link) übergeben.

Der Bericht stellt einen Zwischenstand der Arbeiten der BGE dar und dient als Grundlage für die Öffentlichkeitsbeteiligung, bevor Fakten geschaffen werden. Dies wird erstmals mit Ende des nächsten Schrittes der Fall sein, wenn die BGE Vorschläge über übertägig zu erkundende Standortregionen macht, über die der Bundesgesetzgeber eine Entscheidung trifft.

Die weiße Landkarte, die am Anfang des Standortauswahlverfahrens stand, wird damit bunter. Denn der Zwischenbericht Teilgebiete zeigt auf, welche Gebiete in Deutschland bei der Endlagersuche schon jetzt ausgeschlossen werden können. Und er benennt diejenigen Gebiete, die im weiteren Verfahren näher untersucht werden – 90 sogenannte Teilgebiete.

Was sind Teilgebiete bei der Endlagersuche?

Gemäß Standortauswahlgesetz (StandAG) sind Teilgebiete die Gebiete, die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen. Um diese zu bestimmen, hat die BGE die im StandAG definierten Ausschlusskriterien (AK), Mindestanforderungen (MA) und geowissenschaftlichen Abwägungskriterien (geoWK) mit Hilfe der vorhandenen Datenbasis angewendet.

Wie die BGE dabei genau vorgegangen ist, wird in den sogenannten untersetzenden Unterlagen erläutert. Umfangreiche Datenberichte geben darüber hinaus Einblick in die zugrundeliegende Datenbasis. Dem Zwischenbericht liegen ausschließlich geologische Kriterien zugrunde. Raumplanerische Aspekte wie zum Beispiel der  Abstand zur Wohnbebauung oder Nähe zu Naturschutzgebieten spielen erst in den weiteren Arbeitsschritten eine Rolle.

„Wichtig ist: Der Zwischenbericht Teilgebiete ist kein abschließendes Ergebnis, sondern ein erster Zwischenstand“, sagt Steffen Kanitz, Geschäftsführer der BGE und zuständig für den Bereich Standortauswahl. „Bürger*innen sollen schon einen umfangreichen Einblick in unsere Arbeit erhalten, bevor Fakten geschaffen werden.“ Die Veröffentlichung des Zwischenberichts ist auch der Startschuss für das erste gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsformat, die Fachkonferenz Teilgebiete, und eröffnet damit weitere Möglichkeiten der Einflussnahme.

Bayerische Landesregierung sorgt für Ärger

Nach langem Ärger um den Salzstock Gorleben war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden. Ausgehend von einer „weißen Landkarte“, auf der zunächst jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, werden mögliche Standorte nun nach wissenschaftlichen Kriterien nach und nach eingegrenzt. Am Ende soll dennoch die Politik die Entscheidung über den Standort treffen – basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über verschiedene Formate können sich Bürger, Gemeinden und Organisationen in den Prozess einbringen. Streit hatte es vor allem um Gorleben gegeben, das zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden war. Manche forderten schon vor der Veröffentlichung des Berichts, den Salzstock als „politisch verbrannt“ aus der Suche herauszunehmen. Aber auch die bayerische Landesregierung zog Ärger auf sich, weil sie den Suchprozess anzweifelte und darauf pochte, dass der Untergrund in Bayern nicht geeignet sei. Beides stellt das Prinzip der „weißen Landkarte“ in Frage, die erst nach und nach anhand messbarerer Kriterien eingegrenzt wird.

Bayern äußert Zweifel an der bundesweiten Suche nach einem Endlager für Atommüll – Grüne fordern wissenschaftliches Vorgehen

Auf diesem Prinzip beharren unter anderem die Grünen, deren Wurzeln in der Anti-Atomkraft-Bewegung liegen. „Jetzt ist erst einmal die Wissenschaft am Zuge und die sollte man auch in Ruhe machen lassen“, sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer. Im Fall Gorleben habe es in erster Linie eine politische Entscheidung gegeben. In den 1970er-Jahren war beschlossen worden, dort ein Endlager einzurichten. Deswegen habe „ein Landstrich fast komplett rebelliert“.

Über die BGE

Die BGE ist eine bundeseigene Gesellschaft im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Die BGE hat am 25. April 2017 die Verantwortung als Betreiber der Schachtanlage Asse II sowie der Endlager Konrad und Morsleben vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen. Zu den weiteren Aufgaben zählt die Suche nach einem Endlagerstandort zur Entsorgung der in Deutschland verursachten hochradioaktiven Abfälle auf der Grundlage des im Mai 2017 in Kraft getretenen Standortauswahlgesetzes. Geschäftsführer sind Stefan Studt (Vorsitzender), Steffen Kanitz (stellv. Vorsitzender), Beate Kallenbach-Herbert (kaufmännische Geschäftsführerin) und Thomas Lautsch (technischer Geschäftsführer).

Der Salzstock Gorleben sei wegen geologischer Mängel aus dem bundesweiten Suchverfahren für ein Atomendlager ausgeschlossen worden, erklärte Steffen Kanitz von der BGE. „Gorleben ist nicht der bestmögliche Standort.“ Unter anderem weise der Salzstock ein nicht intaktes Deckgebirge auf, auch die Gewässerchemie spreche gegen den Standort. Die Entscheidung sei rein wissenschaftlich erfolgt, es habe keinen politischen Druck gegeben.

->Quellen: