Wasserstoffimporte schaffen neue Abhängigkeiten

Forscher warnen

Weil die deutsche Kapazität nicht ausreicht, soll der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zufolge ein Großteil des für die Energiewende nötigen grünen Wasserstoffs im Ausland produziert und importiert werden. Im Rahmen einer vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW in Auftrag gegebenen Untersuchung hinterfragen Forscher vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (WI) und von DIW-Econ die Expansionsziele und Importpläne der Bundesregierung und kommen zu dem Schluss, dass eigentlich eine größere Wasserstoffproduktion im eigenen Land erforderlich wäre – sie warnen vor neuen Abhängigkeiten.

38 Maßnahmen sollen gemäß der im Juni dieses Jahres veröffentlichten Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sei eine „starke inländische Wasserstoffproduktion“ zunächst unverzichtbar. „Bis 2030 sollen hierfür in Deutschland Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff bis fünf Gigawatt (GW) Gesamtleistung entstehen“, heißt es in der Strategie.

Studie von WI und DIW Econ bewertet Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten gegenüber heimischer Erzeugung

„Es trifft nicht zu, dass importierter Wasserstoff allgemein günstiger ist, entscheidend sind je nach Herkunftsland die tatsächlich realisierbaren Strom- und Transportkosten“ – so das Resümee der Untersuchung „Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung“ laut einer Medienmitteilung vom 03.11.2020. Stattdessen im eigenen Land produzierter grüner Wasserstoff entfalte zudem eine positive Beschäftigungswirkung und Wertschöpfung. Mit der Erreichung der Klimaziele 2050 betrüge die zusätzliche Wertschöpfung bei einer stark auf die heimische Erzeugung ausgerichtete Strategie 2050 bis zu 30 Milliarden Euro und es könnten bis zu 800.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

LEE NRW-Geschäftsführer Christian Mildenberger: „Im Energieland NRW sind die Unternehmen auf die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff angewiesen, um ihre Produktion klimaneutral zu machen. Die Studie zeigt durch ihre Gesamtbetrachtung eindrücklich auf, dass dieser besser im eigenen Land erzeugt werden sollte. Es wird zudem klar, dass H2-Importe nicht automatisch günstiger sind und die Wertschöpfungseffekte bei heimischer Produktion ein neues Wirtschaftswunder in Deutschland auslösen könnten mit Blick auf die potenziellen Arbeitsplätze. Und die Erneuerbare-Energien-Potenziale dafür sind da.“

BEE-Präsidentin Simone Peter: „Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie haben wir in Deutschland bisher nur beschlossen, grünen Wasserstoff in großem Stil zu konsumieren. Jetzt muss auf die Agenda, ihn auch zu produzieren! Die Bundesregierung muss die Blockaden lösen, um die entsprechende Menge von Strom aus Erneuerbaren Energien und den grünen Wasserstoff im eigenen Land zu erzeugen um die Wertschöpfungseffekte für Deutschland möglich zu machen anstatt sie fortzugeben.“

Mit dem in der neuen Wasserstoffstrategie vorgesehenen Import seien allerdings nicht nur hohe Unsicherheiten verbunden, auch könnte dies in den produzierenden Ländern zu unerwünschten Effekten führen, wie einer verschleppten Energiewende, wenn nicht von Anfang an die Transformation des Energiesystems vor Ort mitgedacht werde. Die Folge: Deutschland importiere grünen Wasserstoff, aber im Produktionsland fachen fossile Energieträger weiterhin den Klimawandel an. Auch bestehe die Gefahr, dass wasserstoffnutzende Produktionszweige wie die Stahl- und Chemieindustrie dahin abwanderten, wo der Wasserstoff produziert wird.

Frank Merten, Co-Leiter des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen in der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am WI und Projektkoordinator der Studie: „Aktuell wird zu sehr über die Kosten und zu wenig über die Notwendigkeiten und positiven Effekte der heimischen Wasserstoffproduktion aus Erneuerbaren Energien gesprochen. Wir brauchen sie als flexibles Speicherelement für die Integration von Erneuerbarem Strom sowie als Grundlage für die Dekarbonisierung der heimischen Schwerindustrie. Dadurch bieten sich für Deutschland große Chancen, sich als Vorreiter und Spezialist auf dem künftigen Weltmarkt für grünen Wasserstoff zu positionieren“.

DIW Econ-Manager Yann Girard, Co-Autor der Studie: „Aus Klimaschutzgründen muss der zukünftig genutzte Wasserstoff ausschließlich aus Strom aus Erneuerbarer Energie gewonnen werden und damit grün sein. Die heimische Produktion von grünem Wasserstoff hat zudem ein enormes volkswirtschaftliches Potenzial mit Blick auf Wertschöpfung und Beschäftigung und sollte bei der Entscheidung, wie viel Wasserstoff aus dem Ausland importiert wird, nicht außer Acht gelassen werden.“

Kernergebnisse der Studie

    • Im optimistischen Szenario eines heimischen Wasserstoff-Produktionsanteils von 90 Prozent sind Wertschöpfungseffekte von bis zu maximal 30 Milliarden Euro im Jahr 2050 und mehr als 800.000 zusätzliche Arbeitsplätze möglich, die im direkten und indirekten Zusammenhang mit der grünen Wasserstoffproduktion stehen.
    • Große Synergien ergeben sich vor allem dort, wo mit zunehmendem Einsatz fluktuierender Energieträger Überschussmengen in Wasserstoff umgewandelt werden. Strom aus Onshore-Windenergieanlagen ermöglichen im Vergleich zum H2-Import zudem eine konkurrenzfähige H2-Erzeugung. 
    • Wasserstoffimporte via Schiffstransport sind aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll, da diese eine energieintensive Verflüssigung voraussetzen. Die Kosten für den Transport per Schiff sind drei Mal so hoch wie beim Transport per Pipeline und rechnen sich erst ab 4.000 Kilometer Entfernung zum Produktionsland.
    • Viele potenzielle Exportländer sind selbst stark abhängig von fossilen Energieträgern. In Marokko etwa machen fossile Energieträger derzeit rund 90 Prozent des Primärenergiemix aus und werden auch in 2030 noch tragende Rollen einnehmen. In solchen Regionen birgt eine stark exportorientierte Wasserstoffwirtschaft das Risiko, die Energiewende vor Ort zu verschleppen mit negativen Effekten für den Klimaschutz.

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