Projekt Sonnenwende

Grüne Industrie durch flüssiges Metall

Damit einer Industrienation wie Deutschland der Schritt zur regenerativen Energieversorgung gelingt, sind verlässliche und kostengünstige Speichersysteme für große Energiemengen nötig. Diese bis zur Anwendungsreife zu bringen, hat sich ein internationales Team um Tom Weier und Norbert Weber vom Institut für Fluiddynamik des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) vorgenommen. Im Projekt SOLSTICE – zu Deutsch Sonnenwende – wollen sie ab Januar 2021 Stromspeicher auf der Basis von flüssigem Natrium und flüssigem Zink entwickeln.

Aufbau Flüssigmetall-Batterie – Projekt Solstice – Grafik © HZDR/Blaurock

Flüssige Metalle und geschmolzene Salze, mehrere hundert Grad Celsius heiß und nur getrennt von einer halbdurchlässigen Membran, könnten stromintensive Industrien in das regenerative Zeitalter führen, heißt es in der Pressemitteilung des HZDR vom 07.01.2021.

In großem Maßstab sollen sie die aus Wind und Sonne gewonnene Energie speichern und in der Nacht oder bei ungünstigen Wetterbedingungen wieder zur Verfügung stellen. Wissenschaftler aus neun Forschungsinstituten und drei Unternehmen haben sich jetzt zusammengeschlossen, um die dafür nötige Technologie einsatzreif zu machen.

„Die Entwicklung effizienter Energiespeicher für industrielle Anwendungen brennt aktuell auf den Nägeln“, meint Tom Weier vom HZDR-Fachbereich Magnetohydrodynamik.

„Das Ende von Kohleverstromung und Kernenergie macht solche Speichersysteme einfach unumgänglich.“ Denn die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen unterliege nicht nur jahreszeitlichen Schwankungen, sondern auch solchen zwischen Tag und Nacht. Aktuell würden Zeiten geringer Stromproduktion noch durch konventionelle Kraftwerke abgefedert. Gingen diese in den kommenden Jahren vom Netz, müssten andere Lösungen her. Für Zeiträume von mehreren Monaten böten sich Langzeitspeicher auf der Basis von regenerativ erzeugtem Wasserstoff oder Methan an. Für die Überbrückung der Nacht seien jedoch Kurzzeitspeicher geeigneter, die auf Batterietechnologie basierten.

„Eine wirklich überzeugende Lösung gibt es dafür aber bisher nicht“, erläutert Weier. „Systeme mit Lithium-Ionen-Akkus funktionieren zwar prinzipiell, wären im industriellen Maßstab aber eine Ressourcenverschwendung.“ Denn der Lithiumvorrat sei begrenzt und die Lagerstätten weiträumig verteilt. Außerdem seien die heutigen Lithium-Ionen-Akkus aus vielen kleinen Batteriezellen aufgebaut. „Das Aktivmaterial, das uns zur Energiespeicherung dient, ist dabei in kleinen Portionen verpackt“, erklärt Weier. „Diese müssen dann auch noch miteinander verdrahtet werden. Zusammen verbraucht das eine große Menge Konstruktionsmaterial.“

Natrium statt Lithium

Deshalb gingen er und seine Kollegen einen anderen Weg. „Bei den Aktivmaterialien setzen wir auf Natrium und Zink“, erklärt sein Kollege Norbert Weber. Das habe ganz praktische Gründe. Natrium sei das sechsthäufigste Element auf der Erde und in großen Mengen verfügbar. Als Bestandteil verschiedener Salze seien zum Beispiel in jedem Liter Meerwasser etwa elf Gramm des Alkalimetalls gelöst. Zink sei zwar seltener, die weltweit verfügbaren Zinkressourcen seien aber dennoch gewaltig. Und während Lithium heute vor allem aus China, Australien oder Chile importiert werden müsse, verfüge Europa über eigene aktive Zinkminen. Das, so Weber, würde erheblich dazu beitragen, die Abhängigkeit europäischer Energieprojekte von anderen Ländern zu verringern.

In ihrem Forschungsprojekt haben die Wissenschaftler zwei verschiedene Systeme im Sinn. Eines soll bei 600 Grad Celsius arbeiten, das andere bei 300 Grad Celsius. „Beim ersten System sind sowohl die Elektroden als auch der Elektrolyt flüssig“, beschreibt Weber die Zusammenstellung. „Unsere norwegischen Partner haben bereits mit diesem Aufbau experimentiert und die Funktionstüchtigkeit des Prinzips nachgewiesen. Hier sollen Energien im Megawattstunden-Bereich gespeichert werden, was solche Batterien für Industrieanwendungen prädestiniert.“

Auch beim zweiten System dienten die flüssigen Metalle als Elektroden der Batterie. Der Elektrolyt hingegen sei  fest. „Unsere Partner aus der Schweiz haben hier schon funktionsfähige Systeme, die allerdings mit Nickelchlorid arbeiten. Das wollen wir im Projekt durch Zinkchlorid ersetzen“, erklärt Weber weiter. „Im Kilowattstundenbereich angesiedelt, ist für diese Batterien sogar ein Einsatz als Heimspeicher denkbar.“

Innerhalb der kommenden vier Jahre wollen die Forscher beide Systeme mindestens so weit entwickeln, dass sie ihre Fähigkeiten in einer realistischen Umgebung unter Beweis stellen können. Das zweite System könne in dieser Zeit sogar nahe an die Marktreife gebracht werden, heißt es.

Beitrag zur Energiewende

Das HZDR übernimmt dabei nicht nur die Projektkoordination, sondern auch den Bau der Batteriezellen. „Am Institut für Fluiddynamik haben wir bereits langjährige Erfahrung im Umgang mit großen Mengen flüssigen Natriums“, erzählt Weier und verweist auf das Infrastrukturprojekt DRESDYN, bei dem umfangreiche Experimente mit Flüssigmetallen stattfinden. „Neben der Anwendung spielt beim Projekt SOLSTICE natürlich auch die Forschung eine wichtige Rolle“, ergänzt Weber. „Denn wir wollen verstehen, welche Vorgänge in unseren Speichersystemen genau ablaufen.“

Dass ihr Ansatz einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten kann, sind die beiden Wissenschaftler sicher. „Unser Vorteil ist die sehr einfache Konstruktion“, schätzt Weier ein. „Dadurch sind diese Batterien gut skalierbar. Zusammen mit den günstigen Aktivmaterialien könnten wir deshalb einen deutlich niedrigeren Systempreis als bei anderen Elektroenergiespeichern erreichen.“

Die Europäische Union fördert das Projekt über das Programm Horizont 2020 mit acht Millionen Euro.

->Quelle:  Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf/hzdr.de/sonnenwende-gruene-industrie-durch-fluessiges-metall