EuGH verurteilt EIB wg. verweigerter Umweltprüfung

Europäische Investitionsbank unterliegt in bahnbrechendem Fall zu „grüner“ Überprüfung

In einem bahnbrechenden Urteil hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) die Umweltprüfung ihrer Finanzierungsentscheidungen rechtswidrig umgangen hat, so Kira Taylor am 27.01.2021 auf Euractiv. Das Urteil des EuGH vom 27.01.2021 folge auf eine Klage von ClientEarth gegen die EU-Bank, nachdem diese den Antrag der NGO auf eine interne Überprüfung eines 60-Millionen-Euro-Kredits abgelehnt habe.

– Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Anwälte sagten, dass die Gewährung des Darlehens für den Bau eines Biomasse-Kraftwerks der rumänischen Firma Losán in Spanien (Curtis, Galizien) gegen die Finanzierungskriterien der EIB für verantwortungsvolle Investitionen in erneuerbare Energien verstoßen, und es Fehler bei der Beurteilung der Eignung des Projekts für eine Finanzierung gegeben habe. Die EIB behauptete, der Antrag sei unzulässig gewesen und lehnte die Forderung von ClientEarth ab – ein Recht, das nach internationalem und EU-Recht durch die Aarhus-Konvention garantiert wird.

Im Wortlaut: EuGH-Medienmitteilung über das Urteil des Gerichts der Europäischen Union in der Rechtssache T-9/19ClientEarth/ EIB-Projekt Curtis in Spanien (Auszüge)

„Die EIB muss sich zum Antrag von ClientEarth auf Überprüfung äußern – Das Gericht erklärt die Entscheidung der EIB für nichtig, in welcher der Antrag auf Überprüfung des Beschlusses ihres Verwaltungsrats als unzulässig angesehen worden ist. Das Projekt zum Bau eines Biomassekraftwerks zur Stromerzeugung in der Gemeinde Curtis in Galicien (Spanien), das sogenannte Curtis-Projekt, hat eine von Spanien im Jahr 2016 organisierte Ausschreibung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien gewonnen. Der Projektträger des Curtis-Projekts hat sich mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Verbindung gesetzt, um Gespräche über die Möglichkeit einer Förderung durch die EIB aufzunehmen.

Mit Beschluss vom 12. April 2018 (im Folgenden: streitiger Beschluss) genehmigte der Verwaltungsrat der EIB den Finanzierungsvorschlag für einen Höchstbetrag von 60 Millionen Euro. Am 9. August 2018 stellte ClientEarth, eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für den Umweltschutz einsetzt, bei der EIB einen Antrag auf interne Überprüfung dieses Beschlusses gemäß der Aarhus-Verordnung1und dem EG-Beschluss 2008/502. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 (im Folgenden: der angefochtene Rechtsakt) teilte die EIB ClientEarth mit, dass der Antrag auf interne Überprüfung des streitigen Beschlusses abgelehnt werde. Der Antrag sei unzulässig, weil er sich nicht auf einen Rechtsakt beziehe, der Gegenstand einer internen Überprüfung sein könne, d.h.einen „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung. ClientEarth erhob gegen die Entscheidung der EIB Klage beim Gericht der Europäischen Union.

ClientEarth stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe:

    1. Mit ihrem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass die EIB mit dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts bestimmte Voraussetzungen für die Einstufung einer Maßnahme als „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung im Hinblick auf den streitigen Beschluss falsch angewandt habe.
    2. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Begründungspflicht. In seinem heutigen, in erweiterter Besetzung erlassenen Urteil stellt das Gericht zunächst fest, dass von den beiden zur Stützung der Klage geltend gemachten Nichtigkeitsgründen der zweite die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift für den angefochtenen Rechtsakt betrifft, nämlich der Begründungspflicht, während der erste, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung in Bezug auf den angefochtenen Rechtsakt geltend gemacht werden, dessen Rechtmäßigkeit betrifft.

1 Zur Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus in die Unionsrechtsordnung haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung(EG) Nr.1367/2006 vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl.2006, L264, S.13) erlassen.
2 Beschluss 2008/50/EG der Kommission vom 13. Dezember 2007 mit Durchführungsvorschriften zur [Aarhus-]Verordnung hinsichtlich der Anträge auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten (ABl.2008, L13, S.24).

In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der EuGH nicht in der Lage ist, den Inhalt eines Rechtsakts zu überprüfen, wenn die Begründung dieses Rechtsakts in einem wesentlichen Punkt der Erwägungen, die für die Wahl seines Urhebers ausschlaggebend waren, unzureichend ist… Folglich weist das Gericht den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, als unbegründet zurück. Das Gericht befasst sich sodann mit dem ersten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung gerügt werden. Es weist u.a.darauf hin, dass der EuGH bei der Auslegung der Richtlinienbestimmungen, mit denen die Anforderungen des Übereinkommens von Aarhus in Bezug auf die Mitgliedstaaten umgesetzt werden, festgestellt hat, dass das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel darin besteht, der betroffenen Öffentlichkeit „einen breiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren, und dass dieses Ziel im weiteren Sinne Teil des Bestrebens des Unionsgesetzgebers ist, die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern und die Öffentlichkeit zu diesem Zweck eine aktive Rolle spielen zu lassen. Es ist daher zu der Auffassung gelangt, dass die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens zwar über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Anwendung dieses Übereinkommens verfügen, dass aber die praktische Wirksamkeit und die Ziele dieses Übereinkommens im Zusammenhang mit den Durchführungspflichten der Mitgliedstaaten in hohem Maße geschützt werden sollten.

Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der in der Aarhus-Verordnung enthaltene Begriff der Maßnahme „des Umweltrechts“ zur Regelung eines Einzelfalls weit auszulegen ist… Im Hinblick hierauf untersucht das Gericht, ob der streitige Beschluss als eine solche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls angesehen werden kann. Es gelangt zu der Auffassung, dass der streitige Beschluss, soweit darin festgestellt wird, dass das Curtis-Projekt die von der EIB aufgestellten Umweltkriterien erfülle, um eine Förderung von ihr zu erhalten, tatsächlich eine Maßnahme „des Umweltrechts“ zur Regelung eines Einzelfalls im Sinne der Aarhus-Verordnung ist. …Das durch die Aarhus-Verordnung eingeführte Verfahren zur internen Überprüfung soll sich aber gerade auf die Umweltaspekte beziehen, und der Antrag von ClientEarth auf interne Überprüfung stellte insbesondere die Beurteilung der Nachhaltigkeit des Curtis-Projekts und seines Beitrags zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele der Union durch die EIB in Frage. Der Antrag bezog sich also zumindest teilweise auf endgültige Rechtswirkungen des streitigen Beschlusses gegenüber Dritten.“

Die Klage ist die erste ihrer Art gegen den größten multilateralen Investor der Welt und markiert einen neuen Präzedenzfall für transparentere Entscheidungen über Umweltfinanzierungen. Das Urteil bestätigt, dass die EIB das Recht der Europäischen Union befolgen und ihre Finanzierungsentscheidungen überprüfen muss, wenn ein rechtmäßiger Antrag gestellt wird – auch bei Investitionen, die sich auf die Umwelt auswirken.

„Das heutige Urteil schafft einen wichtigen Präzedenzfall. Als öffentliche Institution, die das Geld der Steuerzahler verwendet, muss die EIB rechenschaftspflichtig und bereit sein, ihre Entscheidungen zu überprüfen, wenn sie gegen ihre internen Regeln oder gegen EU-Recht zum Schutz der Umwelt verstoßen“, sagte Sebastian Bechtel, Anwalt für Umweltdemokratie bei ClientEarth.

Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass die EIB mehr Rechenschaft darüber ablegen muss, wie sie öffentliche Gelder anlegt. Dies wird einen Präzedenzfall schaffen, dass öffentliche Institutionen für ihre Entscheidungen verantwortlich sein sollten, insbesondere für solche, die der Umwelt schaden, sagte Xavier Sol, Direktor von Counter Balance, einer Forschungsgruppe, die finanzielle Entscheidungen überwacht. „Dies ist ein bahnbrechendes Urteil, da es zum ersten Mal einer NGO gelingt, die rechtliche Immunität der EIB vor Gericht zu brechen“, fügte er hinzu.

Die Bank hatte argumentiert, dass ihre Entscheidungen nach EU-Recht von der Überprüfung ausgenommen sein sollten, aber das Gericht hob ihre Entscheidung auf, dass der Antrag auf Überprüfung unzulässig sei. In ihrer Antwort auf EURACTIVs Fragen sagte die EIB: „Wir haben gerade das Gerichtsurteil erhalten und unser juristisches Team analysiert es, um festzustellen, welche Maßnahmen in Anbetracht dessen ergriffen werden müssen. Wir werden auf die Angelegenheit zurückkommen, sobald diese Entscheidungen getroffen sind.“

Die Entscheidung kommt nur eine Woche nach der Veröffentlichung des Jahresberichts der EIB, in dem sie mehr Investitionen in den Klimaschutz als Teil ihrer Klima-Roadmap im November 2020 ankündigte. Die EU-Bank plant, 50% ihrer Kredite für die Unterstützung von Klima- und Umweltverträglichkeit zu verwenden und sagt, Europas Zukunft liege nicht mehr in fossilen Brennstoffen. Biomasse ist in der Liste der EIB für nachhaltige Projekte zur Stromerzeugung enthalten, solange die Quellen nachhaltig sind. Doch selbst Branchenführer geben zu, dass nicht jede Biomasse nachhaltig ist und nicht automatisch als klimaneutral eingestuft werden sollte. Um einen Nutzen für das Klima zu bringen, muss die Biomasse von geringwertigen Holzresten oder kleineren Bäumen aus der Holzernte stammen – nicht von hochwertigen Bäumen, die in Produkten wie Möbeln oder Baumaterial verwendet werden könnten, sagt die Industrie.

Das Gerichtsurteil bestätige, dass die selbsternannte „erste Klimabank der Welt“ sich an EU-Recht halten müsse und bestimmte Finanzierungsentscheidungen – von denen einige enorme Auswirkungen auf die Umwelt hätten – überprüfen muss, wenn eine rechtmäßige Anfrage gestellt werde, sagte Bechtel. „Wie können wir sicherstellen, dass die Umwelt wirklich im Mittelpunkt ihrer Finanzierungsentscheidungen steht, wenn die Bank versucht, Umweltgruppen das Recht abzusprechen, sie zu hinterfragen? Wir können nicht einfach blindlings glauben, dass die EIB öffentliche Gelder immer für das bestmögliche Umweltergebnis einsetzt. Wenn es Beweise dafür gibt, dass ein EIB-Projekt gegen Umweltgesetze verstößt und den Klimawandel oder den Verlust der Artenvielfalt verschlimmert, muss die Bank offen für Kritik und gerichtliche Überprüfung sein“, fügte er hinzu.

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