Europäische Luftfahrtindustrie will bis 2050 klimaneutral sein

CO2-Emissionen sollen ausgeglichen werden können

Die europäische Luftfahrtindustrie hat einen Nachhaltigkeitsplan ins Leben gerufen, um bis zum Jahr 2050 Kohlenstoffneutralität zu erreichen, schreibt Sean Goulding Carroll auf EURACTIV.com. Dieser Fahrplan soll den derzeit unter einem gewaltigen pandemiebedingten Abschwung leidenden, notorisch kohlenstoffintensiven Sektor mit den EU-Klimazielen in Einklang bringen. Der am 11.02.2021 vorgestellte Plan sieht vor, die CO2-Emissionen aller Flüge innerhalb und außerhalb der EU bis 2030 um 45% zu reduzieren und bis 2050 netto null zu erreichen.

Flugzeug auftanken auf dem Flughafen Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Flüge müssten dabei nicht völlig kohlenstofffrei sein, emittiertes CO2 könne auch durch Kohlenstoffsenken oder Kohlenstoffabscheidung und -speicherung aus der Atmosphäre entfernt werden. Das Dokument mit dem Titel  “Destination 2050 – A Route to Net Zero European Aviation“ wird von den wichtigsten europäischen Verbänden der Flugindustrie unterstützt, darunter Flughäfen (ACI EUROPE), Fluggesellschaften (A4E), Luft- und Raumfahrt und Verteidigung (ASD Europe), Flugsicherung (CANSO) und regionale Fluggesellschaften (ERA).

Destination 2050 wird durch einen wissenschaftlichen Bericht des Royal Netherlands Aerospace Centre und SEO Amsterdam Economics untermauert, der vier Wege zur Dekarbonisierung des Sektors aufzeigt:

  1. Verbesserungen der Flugzeug- und Triebwerkstechnologien,
  2. die Verwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe,
  3. die Umsetzung wirtschaftlicher Maßnahmen und
  4. die Verbesserung des Flugverkehrsmanagements.

Die Einführung neuer, sauberer Technologien hat dem Bericht zufolge das Potenzial, mehr als ein Drittel der derzeitigen Emissionen einzusparen, insbesondere die Einführung von wasserstoffbetriebenen und elektrischen Flugzeugen. Die Industrie räumt jedoch ein, dass wasserstoffbetriebene Flugzeuge wahrscheinlich nicht vor 2035 in Betrieb genommen werden könnten, während elektrische Flugzeuge im Vergleich zu den derzeit in Betrieb befindlichen Verkehrsflugzeugen eine stark reduzierte Passagierkapazität hätten, zumindest in absehbarer Zukunft. Um sicherzustellen, dass wasserstoffbetriebene Flugzeuge bis 2035 für den Betrieb zertifiziert werden können, müssten einerseits die Investitionen in Innovationen erhöht werden. Die Regierungen sollten aber andererseits die Investitionsrisiken für kohlenstoffarme Luftfahrttechnologien durch Anreize und positive politische Rahmenbedingungen reduzieren.

Klarheit über Kosten und Wasserstoff erforderlich

Die grüne Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) begrüßte den Plan im Großen und Ganzen, warnte aber, dass er sich zu sehr auf die Hoffnung stütze, saubere Flugzeugtechnologien würden schon rechtzeitig eingesetzt. Es gebe immer noch Ungewissheiten darüber, wann Wasserstoff bereit sein werde, so dass das Risiko bestehe, dass riesige Investitionen verschwendet werden könnten. T&E argumentierte, dass Regierungen und Industrie sich auf die Finanzierung und den Einsatz von E-Kerosin konzentrieren sollten, das mit den aktuellen Treibstoffen gemischt werden kann, ohne dass Änderungen an den Triebwerken der Flugzeuge erforderlich sind.

E-Kerosin wird durch die Kombination von Wasserstoff und Kohlendioxid erzeugt – eine potenziell grüne Kraftstoffquelle, vorausgesetzt, der Wasserstoff wird mit erneuerbarer Elektrizität erzeugt und der Kohlenstoff aus der Atmosphäre (oder aus Industrieabgasen) abgeschieden. Der Report „Destination 2050“ schätzt, dass nachhaltige Flugkraftstoffe (zu denen neben Biokraftstoffen auch E-Kerosin gehört) eine Emissionsreduzierung von 34 % erreichen könnten. Der Plan befürwortet die Festlegung eines Preises für CO2-Emissionen, um die Einführung von CO2-armen oder -freien E-Treibstoffen zu beschleunigen.

Acht EU-Länder fordern, dass grüner Treibstoff in europäischen Flugzeugen Pflicht wird

Der Ruf nach einer stärkeren Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe wird in Europa immer lauter. Am 08.03.2021 forderten Minister aus acht europäischen Ländern die Europäische Kommission auf, ein Beimischungsmandat“ einzuführen, das Fluggesellschaften zur Verwendung von grünem Kerosin zwinge. Dadurch, so argumentierten sie, steige das Angebot an nachhaltigen Treibstoffen und der derzeit hohe Preis sinke.

T&E kritisiert auch, dass der Plan die Nicht-CO2-Effekte von Flügen nicht berücksichtige, die laut T&E zwei Drittel der tatsächlichen Klimaauswirkungen des Sektors ausmachten. Dazu gehörten Schadstoffe, die in großen Höhen emittiert würden, die für Wissenschaftler schwer zu messen seien, wie z.B. NOx.

Der Industrieplan wurde im Vorfeld der Veröffentlichung des ReFuelEU-Vorschlags der Europäischen Kommission präsentiert, der einen regulatorischen Weg aufzeigen soll, wie der Luftfahrtsektor seine Emissionen im Einklang mit dem europäischen Green Deal reduzieren werdet. Es wird erwartet, dass der Vorschlag im ersten Quartal 2021 veröffentlicht wird.

Die Bestrebungen, die Luftfahrtindustrie umweltfreundlicher zu gestalten, kommen inmitten eines schweren Abschwungs für die Branche. Die anhaltende Pandemie hat dazu geführt, dass die Fluggastzahlen den niedrigsten Stand seit 1995 erreicht haben. Im Jahr 2020 flogen rund 1,7 Milliarden Passagiere weniger als im Jahr 2019. (Bearbeitet von Zoran Radosavljevic)

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