EU-Kommission strebt Null-Schadstoff-Ziel für Luft, Wasser und Boden an

Europäischer Grüner Deal

Mit dem EU-Aktionsplan zur Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden, den Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für den Europäischen Green Deal und Kommissar für Klimapolitik, und Virginijus Sinkevi?ius, EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, am 12.05.2021 vorgestellt haben, wurde ein Eckpfeiler im Rahmen des europäischen Grünen Deals veröffentlicht, Hauptthema der diesjährigen Grünen Woche der EU, um den Umwelt- und Ressourcenschutz anzugehen. In dem Aktionsplan wird eine integrierte Vision einer Welt für 2050 umrissen, in der die Verschmutzung so gering ist, dass sie für die menschliche Gesundheit und die natürlichen Ökosysteme keine Gefahr mehr darstellt. Ferner werden die Schritte bis zu diesem Ziel dargelegt.

Frans Timmermans und Virginijus Sinkevi?ius – Foto © audiovisual.ec.europa.eu, P-051131~2F00-02, Claudio Centonze

Der Aktionsplan bindet alle einschlägigen EU-Politikfelder bei Bekämpfung und Prävention von Verschmutzung mit ein, ein Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz digitaler Lösungen. Vorgesehen sind auch Überprüfungen der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften, damit noch verbliebene Lücken aufgespürt werden und festgestellt wird, wo eine bessere Umsetzung erforderlich ist, um diesen rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Timmermans: „Der Grüne Deal soll einen gesunden Planeten für alle schaffen. Um die Umwelt für die Menschen und den Planeten schadstofffrei zu machen, müssen wir jetzt handeln. Dieser Aktionsplan ist eine Richtschnur für unsere Arbeit. Mit den neuen grünen Technologien, die wir bereits haben, können wir die Umweltverschmutzung verringern und neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen. Auch Europas Bemühungen um den Wiederaufbau einer Wirtschaft, die sauberer, fairer und nachhaltiger ist, müssen zur Verwirklichung des Null-Schadstoff-Ziels beitragen.“

Sinkevi?ius: „Umweltverschmutzung schadet der Gesundheit, besonders den am stärksten gefährdeten und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Außerdem ist sie eine der Hauptursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt. Es spricht mehr denn je dafür, dass die EU im weltweiten Kampf gegen die Umweltverschmutzung die Führungsrolle übernimmt. Mit dem Null-Schadstoff-Aktionsplan werden wir eine gesunde Umwelt für die Europäerinnen und Europäer schaffen, zu einem resilienten Wiederaufbau beitragen und den Übergang zu einer sauberen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft fördern.“

Um die EU auf Kurs zu einem gesunden Planeten für gesunde Menschen im Jahr 2050 zu bringen, sieht der Aktionsplan Etappenziele für die Verringerung der Umweltverschmutzung an der Quelle bis 2030 vor. Dies sind:

  • Verbesserung der Luftqualität, um die Zahl der durch Schadstoffe in der Luft verursachten vorzeitigen Todesfälle um 55 % zu verringern;
  • Verbesserung der Wasserqualität, indem dafür gesorgt wird, dass weniger Kunststoffabfälle ins Meer (50 %) und weniger Mikroplastik in die Umwelt (30 %) gelangen;
  • Verbesserung der Bodenqualität, indem Nährstoffverluste und der Einsatz chemischer Pestizide um 50 % reduziert werden;
  • Verringerung des Anteils der Ökosysteme in der EU, in denen Schadstoffe in der Luft die biologische Vielfalt gefährden;
  • Verringerung der Zahl der Menschen, die unter einer chronischen Belastung durch Verkehrslärm leiden, um 30 % und
  • erhebliche Reduzierung des Abfallaufkommens insgesamt sowie des Restmülls um 50 %.

Im Aktionsplan sind unter anderem folgende Leitinitiativen und Maßnahmen vorgesehen:

  • Engere Angleichung der Luftqualitätsnormen an die jüngsten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation;
  • Überprüfung der Normen für die Wasserqualität, auch von Flüssen und Meeren in der EU;
  • Reduzierung der Schadstoffbelastung im Boden und Förderung der Wiederherstellung;
  • Überprüfung eines Großteils des EU-Abfallrechts, um die Grundsätze der sauberen Kreislaufwirtschaft in die Vorschriften einzubinden;
  • Förderung der Null-Schadstoffbelastung durch Produktion und Verbrauch;
  • Einrichtung einer „Anzeigetafel“ der Umweltleistung der EU-Regionen, um das Null-Schadstoff-Ziel in allen Regionen zu fördern;
  • Verringerung gesundheitlicher Benachteiligungen durch den zurzeit unverhältnismäßig hohen Anteil an schädlichen Gesundheitsauswirkungen bei den schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen;
  • Verringerung des externen ökologischen Fußabdrucks der EU durch Beschränkungen der Ausfuhr von Produkten und Abfällen in Drittländer, die schädliche bzw. toxische Auswirkungen haben;
  • Einrichtung so genannter „Living Labs“ für grüne digitale und intelligente Null-Schadstoff-Lösungen;
  • Konsolidierung der EU-Wissenszentren für Null-Schadstoffemissionen und Einrichtung einer Null-Schadstoff-Plattform für Interessenträger;
  • Verstärkung der Durchsetzung von Null-Schadstoff-Bestimmungen mit Umwelt- und anderen Behörden.

Zusammen mit der 2020 verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien setzt der Aktionsplan das Null-Schadstoff-Ziel der EU für eine saubere Umwelt in die Tat um. Er geht Hand in Hand mit den EU-Zielen Klimaneutralität, Gesundheit, biologische Vielfalt und Ressourceneffizienz und baut auf Initiativen in den Bereichen Energie, Industrie, Mobilität, Nahrungsmittel, Kreislaufwirtschaft und Landwirtschaft auf.

Während der diesjährigen Grünen Woche der EU vom 01. bis 04.06, der größten Veranstaltung zum Thema Umweltpolitik, können Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen EU im Rahmen der Hauptkonferenz in Brüssel und online und im Rahmen von mehr als 600 Partnerveranstaltungen aus vielen verschiedenen Blickwinkeln über das Null-Schadstoff-Ziel diskutieren.

Hintergrund

Umweltverschmutzung ist die häufigste umweltbedingte Ursache für psychische und körperliche Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle vor allem bei Kindern, Menschen mit Vorerkrankungen und älteren Menschen. Stärker benachteiligte Wohngebiete liegen häufig in der Nähe kontaminierter Standorte oder leiden unter einem sehr hohen Verkehrsaufkommen. Eine schadstofffreie Umwelt trägt auch maßgeblich zum Schutz unserer biologischen Vielfalt und unserer Ökosysteme bei, denn Verschmutzung ist eine der Hauptursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt. Verschmutzte Ökosysteme können Kohlendioxid und Schadstoffe in der Luft und im Wasser nicht mehr wie bisher binden.

Einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur über Gesundheit und Umwelt zufolge sind in der EU jährlich mehr als 400.000 vorzeitige Todesfälle (einschließlich durch Krebs) auf Luftverschmutzung und 48.000 Fälle koronarer Herzerkrankungen sowie 6,5 Millionen Fälle chronischer Schlafstörungen auf Lärmbelastung zurückzuführen, neben anderen Krankheiten, die beiden Ursachen zugerechnet werden können.

Die EU hat bereits etliche Ziele zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung festgelegt. Rechtsvorschriften über Luft, Wasser, Meere und Lärm sehen Umweltqualitätsziele vor, und viele Gesetze gehen die Verschmutzungsquellen an. Außerdem hat die Kommission in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und in der Biodiversitätsstrategie einige allgemeingültige Ziele für die Verringerung von Nährstoffverlusten und des Einsatzes von Pestiziden verkündet, die zur Erreichung unserer Biodiversitätsziele beitragen sollen.

VKU: Alle Maßnahmen müssen sich daran messen

Dazu Karsten Specht, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder 90 Prozent aller Einwohner Deutschland mit Trinkwasser versorgen und das Abwasser von 44 Prozent entsorgen: „Wir begrüßen ausdrücklich das Ziel der EU-Kommission, mit dem vorgelegten Aktionsplan Verunreinigungen von Wasser, Böden und Luft ganzheitlich und frühzeitig zu verringern oder sogar ganz zu vermeiden. Der Zustand der Umwelt, insbesondere von Wasser und Böden, hängt maßgeblich auch von Maßnahmen anderer Sektoren, bspw. der Landwirtschaft und Industrie ab. Verunreinigungen sollten daher zuallererst an der Quelle reduziert oder vermieden werden. Die Verantwortung für eine bessere Gewässerqualität darf nicht ausschließlich bei den Wasserver- und Abwasserentsorgern abgeladen werden.“

Für Specht sollte „der Aktionsplan eine zentrale Stellung im Green Deal einnehmen“. Und weiter: „Alle weiteren Initiativen des Green Deals, die auf das Null-Schadstoff-Ziel einzahlen, müssen sich an diesem Ziel  messen lassen. Das lässt sich nur dann erreichen, wenn sich das Null-Schadstoff-Ziel wie ein „blauer Faden“ auch durch alle anderen Politikfelder zieht. Dafür bietet der Green Deal die einmalige Chance.“ Konkret hänge der Schutz unserer Trinkwasserressourcen wesentlich davon ab, dass sich europäische Gesetzgebung insgesamt stärker an den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie ausrichtet. „Das gilt auch für das wichtige Ziel der EU-Kommission, den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in der EU über Zulassungsverfahren und Anwendungsbestimmungen stark zu verringern. Dafür müssen die im Aktionsplan angekündigten Reduktionsziele durch den Gesetzgeber konsequent umgesetzt werden.“

Der VKU begrüßt in diesem Kontext auch das konkrete Ziel der EU-Kommission, die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. „Ob absichtlich oder unabsichtlich freigesetztes Mikroplastik: Die kleinen Teilchen verbleiben jahrzehntelang im Ökosystem. Die Entstehung von Mikroplastik muss daher bereits frühzeitig durch Einschränkungen bei Produkten wie beispielweise Kosmetikartikel oder Reifen reduziert werden“, so Specht.

Specht abschließend: „Um Verunreinigungen von Gewässern bestmöglich zu vermeiden, sollten bei der weiteren Konkretisierung Anreize gesetzt und Anforderungen festgelegt werden, die letztendlich beim Verursacher beziehungsweise beim jeweiligen Wirkstoff ansetzen. Mit Blick auf das Verursacherprinzip kann das Null-Schadstoff-Ziel nur erreicht werden, wenn auf europäische Ebene die erweiterte Herstellerverantwortung über die Novelle der Kommunalabwasserrichtlinie

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