Ende vieler asiatischer Gletscher besiegelt

Untersuchung aus der Schweiz

Islands erster infolge des Klimawandels weggeschmolzener Gletscher wird mit einem Denkmal in Erinnerung bleiben. Bereits 2014 hatte der Okjökull den offiziellen Status als Gletscher verloren, weil zu viel seiner Eismasse weggeschmolzen war –  seit 2019 gibt es ihn nicht mehr (siehe: solarify.eu/islands-erster-gletscher-weg). Die schweizerische Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigte nunmehr mit einer Untersuchung, dass der Okjökull nur ein Vorspiel war – dass es vor allem um die größte nicht-polare Eismasse der Erde – die hochasiatischen Gletscher – schlecht bestellt ist.

Mount Everest – drei Kilometer nordöstlich von Namche Bazar – Foto © Superikonoskop – Eig.Werk, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Vom Wasser aus diesen Gletschern Hochasiens, wozu neben dem Himalaya auch das Tibetische Hochland und die zentralasiatischen Gebirge gehören, sind rund 250 Millionen Menschen abhängig. Das Forschungsteam hat eine neue Berechnungsmethode entwickelt, die mit Hilfe von Satellitendaten die Balance zwischen neu gebildetem und geschmolzenem Gletscher-Eis abschätzen kann.

Die Gletscher Hochasiens speisen unter anderem die großen asiatischen Ströme wie Indus, Ganges, Yangtse und Mekong – ein enormes Wasserreservoir. Doch die hochgelegenen Regionen sind schwer zu erreichen, weshalb es nur wenige direkte Beobachtungsdaten zu den Veränderungen ihrer Eismassen gibt. Modelle, die für Gletscher in anderen Regionen wie den Alpen entwickelt wurden, spiegeln die besonderen Eigenschaften und Prozesse der asiatischen Gletscher oft nicht gut wider.

Seit wenigen Jahren sind dank neuer Satelliten zur Erdbeobachtung solche Daten auf regionalen Skalen verfügbar. Unter der Leitung von Evan Miles hat ein Forschungsteam an der WSL aus diesen Daten ein Berechnungsmodell entwickelt, das erstmals im Detail rekonstruiert, wie sich die Eismassen von mehr als 5.000 Gletschern in Hochasien von Jahr zu Jahr verändern. Das von der WSL-Glaziologin Francesca Pellicciotti geleitete Team verbringt jedes Jahr mehrere Monate auf den Gletschern Hochasiens.

Mit diesen Ergebnissen bestimmte das Team, wie viel von dem geschmolzenen Eis durch Schneefälle wieder nachgebildet wurde. Die Ergebnisse sind Durchschnittswerte für den Zeitraum von 2000 bis 2016 und wurden unter dem Titel „Health and sustainability of glaciers in High Mountain Asia“ in Nature Communications veröffentlicht.

Die Resultate lassen eine Reihe wichtiger Fragen zur Zukunft dieser Gletscher beantworten. Das Bild ist nicht gerade rosig: 70 Prozent der Gletscher verlieren jährlich Eis, und die Mehrheit der Gletscher weist nur kleine Flächen auf, an denen Eis nachgebildet wird. Lediglich die Gletscher um die Karakorum- und Kunlun-Gebirge, die an den Grenzen und in den umstrittenen Gebieten Indiens, Pakistans und Chinas liegen, nehmen aufgrund der jüngsten Zunahme der Schneefälle an Masse zu.

Millionen Menschen in tiefer gelegenen Gebieten betroffen

Der Masseverlust ist von großer Bedeutung für die Wasserversorgung der tiefer gelegenen Gebiete, in denen Millionen Menschen leben und das Schmelzwasser für die Landwirtschaft benötigen. Die Berechnungen zeigen, dass die Schneefälle im Winter bei der Mehrheit der Gletscher durchschnittlich weniger als die Hälfte der sommerlichen Schmelze kompensieren. „Bei vielen Gletschern schmilzt das Eis einfach weg – die Akkumulation kann nicht mithalten“, sagt Evan Miles, Hauptautor der Studie. „Infolgedessen ist die Mehrheit der Gletscher in ihrer derzeitigen Form einfach nicht überlebensfähig.“

Bis zum Jahr 2100 wird etwa ein Fünftel des Eises in der Region schmelzen, selbst wenn sich das Klima nicht weiter erwärmen würde, so Miles. Damit wird langfristig weniger Schmelzwasser in die Bergflüsse fließen. Der bevorstehende Klimawandel ist in den Zahlen von 2000 bis 2016 nicht enthalten. Er wird die Gletscherschmelze zusätzlich antreiben und die Wasserversorgung in einigen der tiefer gelegenen Regionen beeinträchtigen.

„Der Silberstreif am Horizont ist vorläufig“, sagt Evan Miles, „dass genau jene Gebirgsflusssysteme, die für die flussabwärts lebende Bevölkerung am wichtigsten sind, am Fuß von wachsenden Gletscher liegen“. Aufgrund ihrer hohen Bevölkerungsdichte und ihrer Lage in trockenen Regionen sind Flüsse wie Amu-Darya, Indus, Syr-Darya und Tarim Interior besonders empfindlich für den Verlust des Gletscher-Schmelzwassers. „Aber auch diese Gletscher reagieren empfindlich auf die anhaltende Klimaerwärmung, und ihre Schmelze übersteigt mittlerweile bereits die Akkumulation.“

Als nächstes will das Forschungsteam zu verstehen versuchen, wie sich insbesondere geröllbedeckte Gletscher in dieser Region verhalten. Dies wird die Vorhersage der zu erwartenden Schmelzwassermengen weiter verbessern.

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