Potenzial und Grenzen der Windkraft

Mehr Energie als die Menschheit braucht

Am 25.08.2015 beschäftigte sich Solarify unter dem Titel „Die Grenzen des Windes“ mit einer Studie des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (siehe solarify.eu/die-grenzen-des-windes). Axel Kleidon hatte herausgefunden, dass große Windparks Wind und Energiegewinnung eher bremsen als befördern und das in den PNAS beschrieben. Nun hat der Autor sich erneut die Frage vorgelegt, wie viel Windenergie die Atmosphäre erzeugt, und wie viel davon bestenfalls als erneuerbare Energie genutzt werden kann und die Ergebnisse in der Meteorologischen Zeitschrift publiziert.

Windgeneratoren und Regenbogen in Brandenburg – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die neue Übersichtsarbeit soll physikalisch begründete Antworten auf beide Fragen geben, indem sie Schätzungen erster Ordnung und Empfindlichkeiten liefert, die mit denen aus numerischen Simulationsmodellen übereinstimmen. Die Arbeit, die zur Erzeugung und Aufrechterhaltung großräumiger atmosphärischer Bewegung geleistet wird, kann als Folge einer atmosphärischen Wärmekraftmaschine betrachtet werden, die durch den Unterschied in der solaren Strahlungserwärmung zwischen den Tropen und den Polen angetrieben wird. Die daraus resultierende Bewegung transportiert Wärme, die diese unterschiedliche solare Erwärmung und den damit verbundenen großräumigen Temperaturunterschied, der diese Energieumwandlung überhaupt erst ermöglicht, verbraucht.

Diese Wechselwirkung zwischen dem thermodynamischen Antrieb (Temperaturunterschied) und der daraus resultierenden Dynamik (Wärmetransport) ist entscheidend für die Bestimmung der maximal erzeugbaren Energie. Sie führt zu einem Maximum der globalen mittleren Erzeugungsrate der kinetischen Energie von etwa 1,7 W/m2 und stimmt sehr gut mit den aus Beobachtungen abgeleiteten Raten von etwa 2,1-2,5 W/m2 überein. Dies entspricht weniger als 1 % der gesamten absorbierten Sonnenstrahlung, die in kinetische Energie umgewandelt wird. Obwohl es den Anschein hat, dass die Atmosphäre bei der Erzeugung von Bewegung extrem ineffizient ist, zeigt die Thermodynamik, dass die Atmosphäre so hart wie möglich arbeitet, um die in den Winden enthaltene Energie zu erzeugen.

Die Betrachtung der Impulsbilanz der unteren Atmosphäre zeigt, dass auf großen Skalen höchstens ein Bruchteil von etwa 26 % der kinetischen Energie in erneuerbare Energie umgewandelt werden kann, was mit den Erkenntnissen aus Klimamodell-Simulationen übereinstimmt. Daraus ergibt sich ein typisches Ressourcenpotenzial in der Größenordnung von 0,5 W/m2 pro Fläche im globalen Mittel. Die offensichtliche Diskrepanz zu den viel höheren Erträgen einzelner Windturbinen und kleiner Windparks lässt sich durch die räumliche Skala von etwa 100 km erklären, auf der die kinetische Energie in Oberflächennähe abgeführt und wieder aufgefüllt wird. Kleidon schließt mit einer Diskussion darüber, wie diese Erkenntnisse mit etablierten meteorologischen Konzepten vereinbar sind, praktische Anwendungen für die Abschätzung von Windressourcen liefern und, allgemeiner, wie solche physikalischen Konzepte, insbesondere die Grenzen der Energieumwandlung, die Grundlage für einfache, analytische und transparente Klimawissenschaften bilden können.

Zur Beantwortung seiner Fragen, wie viel Windenergie die globale Atmosphäre erzeugt und wie viel davon als erneuerbare Energie genutzt werden könnte, verwendete er zwei einfache, auf der Physik basierende Modelle, welche die Umwandlungsprozesse von der differenziellen Sonnenabsorption in kinetische Energie (der erste Teil) und die weitere Umwandlung von kinetischer Energie in Reibungswärme und erneuerbare Energie (der zweite Teil) beschreiben. In beiden Fällen handelt es sich um einen Systemansatz in dem Sinne, dass die Auswirkungen der Umwandlungen auf das Gesamtgefüge einbezogen wurden.

Im ersten Teil wurde die Erzeugung kinetischer Energie anhand eines thermodynamischen Ansatzes geschätzt, der die Atmosphäre als Wärmekraftmaschine betrachtet, die durch die unterschiedliche solare Strahlungswärme zwischen den Tropen und den Polen angetrieben wird. Der Ansatz des Systems geht hier ein, indem er den Haupteffekt der Energieumwandlung in kinetische Energie, den polwärts gerichteten Wärmetransport, der mit der atmosphärischen Bewegung verbunden ist, in die Schätzung einbezieht. Dieser Wärmetransport eliminiert den großräumigen Temperaturunterschied zwischen den Tropen und den Extratropen und damit den thermodynamischen Treiber des Umwandlungsprozesses. Diese Grenze führt zu einem globalen Mittelwert von 1,6 W/m für die Erzeugung kinetischer Energie, was einer ähnlichen Größenordnung entspricht wie die bekannten Schätzungen von 2,1 bis 2,5 W/m2 auf der Grundlage von Beobachtungen und Reanalysen. Darüber hinaus ist diese Grenze mit einem bestimmten, optimalen Ausmaß des polwärts gerichteten Wärmetransports und einer mittleren Temperaturdifferenz zwischen Äquator und Pol verbunden, die beide in etwa mit den Beobachtungen übereinstimmen. Diese Ableitung der Größe der kinetischen Energieerzeugung erster Ordnung deutet darauf hin, dass die Atmosphäre so hart wie möglich arbeitet, um Bewegung zu erzeugen, und kann die geringe resultierende Umwandlungseffizienz von Sonnenstrahlung in Bewegung erklären. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Atmosphäre keine zusätzliche kinetische Energie für die gegenwärtig so geringe Strahlungsleistung erzeugen kann.

Der zweite Teil befasste sich mit der weiteren Umwandlung von kinetischer Energie in erneuerbare Energie. Hier tritt die Systemperspektive ein, wenn die begrenzte Zuführungsrate der kinetischen Energie mit dissipativen Verlusten und der Umwandlung in erneuerbare Energie kombiniert wird. Der unvermeidliche Effekt von immer mehr Windturbinen ist, dass der Vorrat an kinetischer Energie in der unteren Atmosphäre erschöpft wird, was mit niedrigeren Windgeschwindigkeiten einhergeht. Wird dieser Effekt bei der Abschätzung, wie viel Windenergie bestenfalls in erneuerbare Energie umgewandelt werden kann, berücksichtigt, so ergibt sich eine weitere Grenze von 26 % der zugeführten kinetischen Energie, was im globalen Mittel zu einer Abschätzung des Windenergiepotenzials von etwa 0,5 W/m2 in großen Maßstäben führt. Diese großräumige Grenze wird erreicht, wenn die Windenergie auf Längenskalen von mehr als 100 km intensiv genutzt wird. Das resultierende großräumige Windenergiepotenzial entspricht lediglich 0,2 % der 240 W/m2 Sonnenstrahlung, die im Durchschnitt vom Erdsystem absorbiert wird.

Kleidon rückt dieses Windenergiepotenzial ins rechte Licht, indem er den Gesamtwirkungsgrad der Umwandlung der durch die Sonnenstrahlung zugeführten Energie in Strom mit zwei anderen Formen erneuerbarer Energien vergleiche. Wie im ersten Teil gezeigt, ist ein wesentlicher Faktor, der zu diesem niedrigen Wirkungsgrad führt, mit der Umwandlung der Sonnenstrahlung in atmosphärische Bewegung verbunden. Dieser niedrige Wirkungsgrad ergibt sich aus der Tatsache, dass der größte Teil der geringen Entropie der Solarstrahlung, die mit der hohen Emissionstemperatur der Sonne zusammenhängt, bei der Absorption und Umwandlung in Wärme bei den vorherrschenden Oberflächentemperaturen der Erde verloren geht. Dann ist es die Kombination aus der Differenz der Sonnenerwärmung (und nicht der Gesamterwärmung) in Verbindung mit einer vergleichsweise geringen Temperaturdifferenz, die durch den atmosphärischen Wärmetransport weiter abgebaut wird, was zu dem geringen Umwandlungswirkungsgrad von 0,7 % von Sonnenstrahlung in Windenergie führt. Die weitere Umwandlung in erneuerbare Energie durch Windturbinen konkurriert mit der Reibungsdissipation, was zu einem maximalen Umwandlungswirkungsgrad von 26 % in großem Maßstab führt. Insgesamt ergibt sich daraus ein globales Windenergiepotenzial mit einem insgesamt sehr niedrigen Umwandlungswirkungsgrad von 0,2 %.

Bioenergie ist eine weitere Form der erneuerbaren Energie, die auf der Photosynthese beruht. Bei der Photosynthese wird die Sonnenstrahlung in chemische Energie und nicht in Wärme umgewandelt, so dass sich der Umwandlungsprozess stark von der atmosphärischen Bewegung unterscheidet. Während ihr Wirkungsgrad unter bestimmten Bedingungen mit 34 % recht hoch sein kann (Hill und Rich, 1983), ist der Wirkungsgrad der Kohlenstoffbindung durch die terrestrische Photosynthese mit einem aus Beobachtungen geschätzten Mittelwert von 0,8 % für terrestrische Ökosysteme (Kleidon, 2021) gering, wovon nur etwa die Hälfte in Biomasse umgewandelt wird (wobei die andere Hälfte von den Pflanzen durch autotrophe Atmung verbraucht wird). Die resultierende Biomasse könnte dann durch Verbrennung weiter in Strom umgewandelt werden. Bei einem optimistischen Umwandlungswirkungsgrad von 60 % ergäbe sich ein Gesamtumwandlungswirkungsgrad von etwa 0,2 %, was ebenfalls recht niedrig ist. In scharfem Kontrast dazu steht die Photovoltaik, wo Beobachtungen aus den USA Umwandlungswirkungsgrade von Solarstrahlung in erneuerbare Energie von über 20 % zeigen (Miller und Keith, 2018). Mit anderen Worten: Die aktuelle Solarenergietechnologie ist bei der Umwandlung von Sonnenstrahlung in erneuerbare Energie etwa um den Faktor 100 effizienter als Wind oder Biomasse. Dieser hohe Umwandlungswirkungsgrad wird erreicht, weil die Photovoltaik die geringe Entropie des Sonnenlichts direkt nutzt, ohne die Zwischenumwandlung in Wärme wie im Fall der atmosphärischen Bewegung, die viel Entropie erzeugt, ohne freie Energie zu liefern (Kleidonet al., 2016).

Photovoltaik hat größeres Potenzial

Die Technologie der erneuerbaren Energien auf Solarbasis, wie z. B. die Photovoltaik, hat somit ein viel größeres Potenzial als andere erneuerbare Energieformen, einschließlich der Windenergie, da sie in der Lage ist, die in der Sonnenstrahlung enthaltene niedrige Entropie zu nutzen.Wir können aus dieser Analyse zwei Arten von Schlussfolgerungen ziehen, sowohl auf der theoretischen als auch auf der angewandten Seite. Auf der theoretischen Seite können wir schlussfolgern, dass eine thermodynamische Perspektive des Erdsystems, die die Energie von der Quelle bis zum Prozess verfolgt, Wechselwirkungen berücksichtigt und die Thermodynamik zur Ableitung von Grenzwerten nutzt, wertvolle Einblicke in die wichtigsten Zusammenhänge erster Ordnung für die Stärke der atmosphärischen Zirkulation liefern kann.

Darüber hinaus wird gezeigt, dass die Forschungslinie der letzten Jahrzehnte, die das vorgeschlagene Prinzip der maximalen Entropieproduktion verwendet hat, nicht so weit hergeholt ist, wie es scheinen mag, da sie auch als eine Manifestation der Leistungsmaximierung interpretiert werden kann. Ob am Ende die Entropieproduktion oder die Leistung maximiert wird, ist ein relativ unbedeutender Unterschied, der diese Schlussfolgerungen nicht beeinflusst. Dieser Ansatz sollte in Zukunft weitere Anwendungen ermöglichen, bei denen klimatologische Fragen analytisch angegangen werden können, um Erklärungen und Abschätzungen erster Ordnung abzuleiten, die die aus komplexen numerischen Simulationsmodellen gewonnenen Erkenntnisse ergänzen.

Auf der angewandten Seite zeigt die Arbeit, dass solche theoretischen Überlegungen darüber, wie und in welchem Umfang die Atmosphäre kinetische Energie erzeugt, praktische Auswirkungen auf Windenergieerträge und Ressourcenabschätzungen haben. Es wird erläutert, wie die atmosphärischen Effekte der Windenergienutzung die Effizienz von Windturbinen verringern, wenn die Windenergienutzung in größerem Umfang erfolgt. Diese Ertragseinbußen dürften bei der bevorstehenden Umstellung auf ein erneuerbares Energiesystem eine wichtige Rolle spielen. Eine aktuelle Studie (Agora Energiewende et al., 2020) zeigt, wie unter Berücksichtigung dieser Effekte die erwarteten Erträge der Offshore-Windenergie in realistischen Energieszenarien für das Jahr 2050 in Deutschland um ein Drittel oder mehr sinken können. Um diese Effekte zu berücksichtigen, ist nicht unbedingt ein komplizierter Ansatz erforderlich, wohl aber ein umfassenderer, systembasierter Ansatz, der die kinetische Energie budgetiert. Dies sollte zu besseren, realistischeren Abschätzungen der Windressourcen führen, die zeigen, dass es noch viel erneuerbare Energie zu gewinnen gibt, dass aber auch schädliche atmosphärische Effekte berücksichtigt werden müssen.

Das Lanchester-Betz-Limit

Das Limit dafür, wie viel Energie eine einzelne Windturbine aus der atmosphärischen Strömung entnehmen kann, ist als Lanchester-Betz-Limit bekannt, benannt nach zwei zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätigen Wissenschaftlern, die dieses Limit unabhängig voneinander entdeckten (Lanchester, 1915; Betz, 1920; siehe auch van Kuik, 2007). Diese Grenze ergibt sich aus physikalischen Zwängen, insbesondere aus Massen- und Impulsbilanzen, zwei physikalischen Eigenschaften, die Erhaltungsgesetzen unterliegen. Diese Bilanzen setzen harte Grenzen dafür, wie viel kinetische Energie eine einzelne Windturbine bestenfalls aus der Atmosphäre entnehmen kann, unabhängig von ihrer Technologie.

->Quellen: