Ozean als Verbündeter beim Klimaschutz

Mesokosmen-Experiment auf Gran Canaria untersucht möglichen Lösungsansatz für negative Emissionen

In einem so genannten Mesokosmen-Experiment auf Gran Canaria erforschen Wissenschaftler aus sechs Nationen unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, inwieweit der Ozean mehr CO2 aus der Luft aufnehmen kann, und welchen Einfluss das auf das Leben im Meer hat. Das Experiment findet im Rahmen des von der Europäischen Union geförderte und am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordinierte EU-Projekts Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) statt. Das seit Juli 2020 laufende Projekt hat zum Ziel, eine integrierte Bewertung gezielter Maßnahmen zur CO2-Entnahme im Ozean zu liefern.

Mesokosmen für Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) auf Gran CanariaFoto © Ulf Riebesell, GEOMAR (CC-BY 4.0)

Der durch den Menschen verursachte CO2-Anstieg in der Atmosphäre hält weiterhin an. Mit bekannten Folgen: Das Klima ändert sich, Extremwetterereignisse nehmen vielerorts zu, mit dramatischen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Nach aktuellen Einschätzungen des Weltklimarates (IPCC) ist das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Ziel, die globale Erwärmung auf möglichst 1,5° Celsius zu beschränken, ohne aktive Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre nicht mehr zu schaffen. Ob und in welchem Maße ozeanbasierte Ansätze der CO2-Entnahme hierzu beitragen können, untersucht OceanNETs.

Auf lange Sicht wird das durch den Menschen freigesetzte CO2 größtenteils durch die Verwitterung von Gestein an Land wieder gebunden und im Ozean als gelöstes Hydrogenkarbonat gespeichert werden. Allerdings wird es bis zu zehntausend Jahre dauern, bis der menschliche CO2-Fußabdruck über diesen Prozess wieder weitgehend ausgelöscht ist. Zu lang, um bei der Bewältigung des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten eine nennenswerte Rolle zu spielen. Es sei denn, dieser Prozess ließe sich aktiv beschleunigen. Ob das möglich ist und wie die Lebensgemeinschaften im Meer darauf reagieren, untersuchen aktuell 50 Wissenschaftler aus sechs Nationen unter Leitung des GEOMAR in einem Freiland-Experiment auf Gran Canaria.

In übergroßen Reagenzgläsern im Meerwasser, sogenannten Mesokosmen, simulieren die Forscherinnen und Forscher beschleunigte Verwitterung von Gestein durch Zugabe von Mineralien, wie sie auch durch natürliche Prozesse in die Ozeane eingetragen werden. Je Kilogramm gelöster Gesteinsmineralien kann bei diesem Ansatz etwa ein halbes Kilogramm CO2 zusätzlich im Meerwasser gebunden werden. In den neun Mesokosmen wurden unterschiedliche Mengen an Mineralien mit der entsprechenden Menge an CO2 zugegeben. Der so eingestellte Konzentrationsgradient soll Aufschluss über mögliche Grenzwerte zur Umweltverträglichkeit von beschleunigter Verwitterung geben. Neben der langfristigen Speicherung von CO2 hat der als Ozeanalkalisierung bezeichnete Ansatz den positiven Nebeneffekt, dass er der Ozeanversauerung entgegenwirkt. Die zunehmende Versauerung des Meerwassers ist Folge der anhaltenden CO2-Emissionen. Etwa ein Viertel des jährlich durch Menschen freigesetzten CO2 löst sich nämlich im Meer und reagiert mit dem Wasser zu Kohlensäure – mit gravierenden Auswirkungen auf das Leben im Meer.

„Das Ziel unseres Experiments ist es, die möglichen Risiken und Nebenwirkungen von Ozeanalkalisierung für die Lebensgemeinschaften im Meer zu untersuchen, aber auch eventuelle positive Effekte durch Eindämmung der Ozeanversauerung zu erfassen“, erläutert Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Außerdem hoffen wir, Einblicke zu bekommen, wie wirksam und sicher Ozeanalkalisierung als Methode zur CO2-Entnahme eingesetzt werden könnte.“

Das marine Ökosystem vor Gran Canaria ist repräsentativ für große Bereiche des subtropischen offenen Ozeans. Im kommenden Frühjahr werden Riebesell und sein Team daher, unterstützt von Forschern anderer europäischer und außereuropäischer Institutionen, die Kieler Mesokosmen vor der norwegischen Küste aussetzen und die Studie dort wiederholen. „Im Gegensatz zum nährstoffarmen, subtropischen Ozean um die Kanaren sind die küstennahen Ökosysteme vor Norwegen nährstoffreich und hochproduktiv. Durch den Vergleich zweier gegensätzlicher Ökosystemtypen können wir die Bandbreite an möglichen Einflüssen von Ozeanalkalisierung auf das Leben im Meer besser abschätzen“, so Riebesell.

Die Ergebnisse der Studien werden in eine übergreifende Bewertung aller ozean-basierten Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme einfließen. „Das OceanNETs-Projekt bündelt die Expertise von Wissenschaftlern aus den Naturwissenschaften, dem Ingenieurwesen, der Ökonomie, Soziologie und dem Seerecht,“ erklärt David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Koordinator des OceanNETs-Projekts. „Die von uns erzielten Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern. Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, kann nur durch Abwägung aller Vor- und Nachteile und eingebunden in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.“

Welchen Beitrag Ozeanalkalisierung dabei leisten kann, soll das Experiment vor Gran Canaria nun erstmals an natürlichen Lebensgemeinschaften untersuchen.

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