Netzausbau intelligent beschleunigen

Beteiligung verbessern, Optimierungen von Netzauslastung und -steuerung

Um den Netzausbau für die Energiewende zu beschleunigen, muss sich nicht geltendes Recht, sondern die Praxis der Stromnetzbetreiber ändern. Damit diese technologieoffener als heute arbeiten, muss die Politik Anreize setzen, so dass die bestehenden und die neuen Stromnetze gezielt gesteuert und dadurch optimaler ausgelastet werden können. Auch eine frühzeitigere und strukturierte Berücksichtigung von Einwänden der Öffentlichkeit kann dazu führen, dass spätere Klagen und Verzögerungen vermieden werden. Für eine bessere Beteiligung sowie für die Optimierungen von Netzauslastung und -steuerung hat das Öko-Institut am 26.10.2021 in einem Policy Brief Empfehlungen vorgelegt.

Hochspannungstrasse bei Leuna-Bitterfeld – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Für den Netzausbau liegt ein verlässlicher Rechtsrahmen vor. Diesen zu ändern und dann zu prüfen, ob die Änderungen wirken, braucht Zeit – Zeit, die wir beim Ausbau und Integration der erneuerbaren Energien ins Stromnetz nicht haben“, erläutert Silvia Schütte, Projektleiterin am Öko-Institut. „Neubauprojekte als auch das bestehende Netz müssen höchsten technischen Anforderungen genügen, damit möglichst viel Strom in möglichst wenig Leitung passt – um es mal herunter zu brechen.“

Stromnetze: Auslastung technologieoffen optimieren

Die Stromübertragungsnetze werden heute im Schnitt nur zu rund 35 Prozent ausgelastet – so gelangt zu wenig Strom aus erneuerbaren Quellen im Norden zu den verbrauchsstarken Gegenden im Süden Deutschlands. Heute bereits ein Problem – vor allem aber in Zukunft, wenn Windparks vor der Küste deutlich mehr Strom produzieren sollen. Der Grund: Im bestehenden Wechselstromnetz lässt sich der Strom ohne weitere Netzelemente nicht steuern. Und: Ein Engpass im System begrenzt den Leistungsfluss auch auf den benachbarten Leitungen.

Dies ließe sich jedoch durch technische Lösungen, wie sogenannte Phasenschiebertransformatoren ändern. Das sind große, festinstallierte Transformatoren, die den Lastfluss gezielt steuern. Die Stromflüsse würden gelenkt, das Netz könnte höher ausgelastet werden. Ähnlich arbeiten kleinere, moderne Technologien, sog. statisch-synchrone Serienkompensatoren. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie auch zur temporären Überbrückung von Netzengpässen eingesetzt werden können, da sie per Lkw bewegt werden können.

„Auch ein genaues Monitoring der Witterung kann dazu beitragen, das Stromnetz bei Wind oder in der kühleren Jahreszeit höher auszulasten“, ergänzt Franziska Flachsbarth, Co-Autorin der Studie und Energieexpertin am Öko-Institut. „Doch den deutschen Netzbetreibern fehlt der ökonomische Anreiz, Technologien zur Höherauslastung des Stromnetzes einzusetzen. Dabei läge hier ein enormes Potenzial, deutlich mehr Strom in bestehenden Stromleitungen zu transportieren.“

Mitmachen statt informieren: Bürgerbeteiligung beim Netzausbau

Bereits heute gibt es die Möglichkeit, dass Bürger sich beim Netzausbau beteiligen. Hierfür finden jedoch häufig reine Informationsveranstaltungen statt, die wenig Raum für echte Beteiligung bieten. Zudem sind diese häufig zu spät im Prozess eingeplant, wenn Anregungen nicht mehr aufgegriffen werden können.

Das Öko-Institut schlägt hier konkrete Verbesserungen vor: So sollte mit den aufwendigen Netzberechnungen erst gestartet werden, nachdem die Eingangsdaten öffentlich diskutiert und ggf. überarbeitet wurden. Die Ergebnisse der Netzberechnungen durch die Übertragungsnetzbetreiber sollten in einer gesonderten Beteiligungsveranstaltung diskutiert werden.

Zudem sollten bei Veranstaltungen Entscheidungsträger und -trägerinnen aller beteiligten Akteure – insbesondere von Bundesnetzagentur und von den Übertragungsnetzbetreibern – anwesend sein. So können Sachverhalte direkt geklärt werden, ohne dass auf abwesende Parteien verwiesen wird, was heute häufig der Fall ist.

„Bürgerinnen und Bürger haben aktuell oft das Gefühl, dass ihre Anmerkungen nicht beachtet werden“, beschreibt Flachsbarth aus eigenen Beobachtungen von Beteiligungsformaten, „dabei kommen sie möglicherweise nur zur falschen Zeit. Doch die Verantwortung, den Ablauf eines Netzplanungsprozesses transparent darzustellen und aufzuzeigen, wann wer wie mitsprechen kann, liegt klar bei dem Gesetzgeber – und dieser muss es für die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur regeln. Hier zeigt unser Vorschlag einfache Möglichkeiten der Verbesserung auf.“
Das Gutachten und die Empfehlungen an die Politik wurden im Projekt „Energiewende möglich machen“ entwickelt und aus Eigenmitteln des Instituts, das heißt Auftraggeber-unabhängig, finanziert.

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