„Meilenstein in der globalen Zusammenarbeit“

G20 in Rom: Keine Einigung über Klimaziel
Im Wortlaut: PK von Bundeskanzlerin Merkel und Bundesminister Scholz

Nach dem G20-Gipfel in Rom erklärten die  beiden deutschen Teilnehmer, Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz das Ergebnis der Konferenz als vollen Erfolg – im Unterschied zu den Medien-Kommentatoren. Der in der ewigen Stadt erzielt Kompromiss sei „ein sehr gutes Ergebnis“. Das, obwohl die bereits fest beschlossenen Hilfszahlungen an die Entwicklungsländer, 100 Mrd. pro Jahr, erst 2023, wenn überhaupt beginnen werden. Merkel betonte, die Grenze von „1,5 Grad muss in Reichweite sein“. Scholz sagte, wichtig sei es, „jetzt dafür zu sorgen, dass die Ziele nicht nur Ziele bleiben“. Gegenwärtig errechnen wissenschaftliche Modellierer des IPCC eher eine Temperaturerhöhung auf 2,7 Grad, wenn es bei den aktuellen Zielen bleibt. Solarify dokumentiert die Statements von Merkel und Scholz.

Olaf Scholz, Angela Merkel 2018 – Foto © Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, der G20-Gipfel kann, so glaube ich, erfolgreich abgeschlossen werden. Ich habe Sie gestern schon über die Ergebnisse des ersten Tages, als es um die Weltwirtschaft ging, informiert. Ich will das heute nicht alles wiederholen. Ich möchte nur noch einmal hervorheben, dass die Einigung auf eine weltweite Mindestbesteuerung und jetzt hier bei G20 wirklich ein Meilenstein in der globalen Zusammenarbeit ist. Ich hoffe, dass sich ähnliche Erfolge in nächster Zeit auch bei der Reform der Welthandelsorganisation ergeben. Das wäre ein ganz wichtiges Signal.

Die Diskussionen haben sich dann um das Thema Klima und Nachhaltigkeit gedreht. Natürlich sind auch erhebliche gute Ergebnisse beim Thema Gesundheit erzielt worden. Das Thema Klima hat natürlich eine ganz besondere Bedeutung. Morgen beginnt die Konferenz in Glasgow. Ich habe heute in meinem Beitrag darauf hingewiesen, dass ich die Ehre hatte, schon die erste Vertragsstaatenkonferenz als Umweltministerin zu leiten. Seitdem, in den Jahren danach, haben sich die Voraussagen des Internationalen Klimapanels IPCC immer weiter verschärft. Es ist deutlich geworden, dass der Klimawandel wirklich das drängendste oder eines der drängendsten Probleme weltweit ist – vielleicht neben dem Verlust der Artenvielfalt – und wir darauf reagieren müssen, und zwar sehr viel entschiedener, als das bisher der Fall war.

Gut ist, dass wir nun seit 2016 zum ersten Mal wieder in den G20 zusammen sind und wir uns zu dem Pariser Abkommen bekennen. Dass sich auch alle Mitglieder der G20 der Ratifizierung unterzogen haben, diesmal auch die Türkei, ist eine sehr gute Nachricht. Die Sherpas haben die ganze Nacht verhandelt und gute Ergebnisse erreicht. Das ist ein gutes Signal für Glasgow. Die G20 sind immerhin 75 Prozent der CO?-Emissionen, wenn man die Mitgliedsstaaten hier alle zusammenzählt. Dass man sich darauf einigen konnte, das noch einmal zu verdeutlichen, was in Paris vereinbart worden ist, also das 2-Grad-Ziel zu erreichen und möglichst nah an das 1,5-Grad-Ziel heranzukommen, also zu sagen, 1,5 Grad muss in Reichweite sein, das ist ein sehr gutes Ergebnis, dem sich alle angeschlossen haben.

Mindestens so wichtig ist die Tatsache, dass es auch eine Einigung gibt, sehr bald aus der internationalen Kohlefinanzierung auszusteigen. China hat hier einen bedeutenden Schritt gemacht, dem sich jetzt auch alle anderen angeschlossen haben. Das heißt, die Transformation zu anderen Energiequellen wird jetzt bedeutend schneller erfolgen. Aus unserer Sicht muss da natürlich Erdgas eine zentrale Rolle spielen. Diese nicht mehr stattfindende [Kohlefinanzierung] wird für Afrika eine große Bedeutung haben. Wir werden uns sicherlich darüber Gedanken machen müssen, wie man vernünftige Finanzierung für Afrika, auch gerade im Bereich des Erdgases, bekommt.

Ich kann nur sagen, dass hier sehr viel erreicht wurde und die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen auch dadurch noch einmal unterstrichen wird, dass wir die Zusage, den ärmeren Entwicklungsländern 100 Milliarden US-Dollar für Investitionen im Klimaschutz zu geben, zwar etwas verspätet, aber 2023 erreichen können. Ich glaube, der deutsche Beitrag hierzu ist auch sehr gut und sehr wichtig.

Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass wir gestern natürlich auch über Gesundheit gesprochen haben. Auch hier ist klar: Die Weltgesundheitsorganisation wird ihre zentrale Rolle noch einmal stärken können. Ich hoffe, dass sich das auch auf die Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation auswirkt. Die Impfstoffe müssen jetzt schnell und fair verteilt werden. Das Ziel, 40 Prozent der Menschheit bis zum Ende dieses Jahres und 70 Prozent bis zur Hälfte des Jahres 2022 geimpft zu haben, halte ich für unabdingbar, um auch eine faire Bekämpfung der Pandemie vornehmen zu können. Insgesamt war es also ein Gipfel in sehr guter und konstruktiver Atmosphäre, allerdings auch angesichts der Tatsache, dass viele Themen auf der Welt mehr als drängend sind. Ich glaube, die G20 haben hier heute einen konstruktiven Beitrag geleistet.

BM Scholz: Ein paar ergänzende Bemerkungen von meiner Seite aus. In der Tat glaube ich, dass wir gut daran tun, uns jetzt noch einmal klarzumachen, dass die Erfolge bei der Verständigung über eine internationale Besteuerung von Unternehmen wirklich weitreichend sein werden. Sie werden es möglich machen, dass die Demokratien, dass die Gesellschaften selbst über die richtige Besteuerung von Unternehmen und Wirtschaft entscheiden können und sich nicht in einem weltweiten Wettbewerb nach unten befinden. Da ist ein Fortschritt, den man, sowohl im Hinblick auf die Finanzkraft der Länder und Staaten, aber auch im Hinblick auf ihre eigenständige demokratische Willensbildung, gar nicht unterschätzen kann. Ich glaube, dass er auch ein wichtiger Beitrag dazu sein kann, das Vertrauen in die Globalisierung und ihre Möglichkeiten zu stärken. Denn wenn Globalisierung nur als etwas wahrgenommen wird, was die Lebensbedingungen schwieriger macht, dann ist das ein Problem. Wenn man aber sehen kann, dass gewissermaßen mit dem Zusammenwachsen der Welt auch ein Zusammenwachsen der Verständigung über das, was erforderlich ist, gelingt und wir dabei unsere Handlungsfähigkeit als Nationalstaaten erhalten können, dann ist das ein guter Erfolg.

Die zweite große Fragestellung, die des Klimawandels, ist natürlich diejenige, die uns in den nächsten Jahren sehr beschäftigen wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass man hier sehen kann, dass sich die Welt in die richtige Richtung bewegt. Wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen. Da geht es ja darum, das jetzt schnell zu bewegen. Das, was nun passieren muss, ist jetzt immer mehr die konkrete Umsetzung statt der Formulierung von Zielen. Die Ziele werden zwar noch unterschiedlich gesehen. Deutschland ist sehr ambitioniert mit 2045 als das Jahr, in dem wir klimaneutral wirtschaften wollen. Andere sind bei 2050, 2053 und 2060 angelangt. Aber wenn gewissermaßen gemeinsam die Mitte dieses Jahrhunderts in den Blick genommen wird, dann ist das schon einmal ein Fortschritt, mit dem man vor ein paar Jahren nicht rechnen durfte. Insofern sollte man das nicht unterschätzen. Man darf aber auch die Aufgabe nicht unterschätzen, die damit verbunden ist, jetzt dafür zu sorgen, dass die Ziele nicht nur Ziele bleiben.

Das Dritte ist natürlich die Frage: Wie können wir gemeinsam die COVID-19-Pandemie bekämpfen, nicht nur in ökonomischer Hinsicht, was die Auswirkungen betrifft, sondern auch zum Schutz der Menschen in der Welt, und genügend Impfstoffe bereitstellen? – Dazu ist alles gesagt worden. Das bleibt eine Aufgabe, die nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den nächsten Jahren noch ziemlich zentral sein wird.

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