Deutsche Großstädte mit verschiedenen Umwelt- und Klimaaktivitäten

Kreislaufwirtschaft für Berlin – klimaneutrale Wärmeversorgung in München 2035

Der Münchner Stadtrat hat die Verwaltung damit beauftragt, ein Maßnahmenpaket mit dem Ziel zu entwickeln, München bereits bis 2035 zur klimaneutralen Stadt umzugestalten – besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wärmeversorgung, unterstützt von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. und Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft bmH. Allerdings zweifeln Experten daran, ob der Termin eingehalten werden kann. In Berlin sollen Abfälle als Rohstoffe begriffen und damit Ressourcen geschont werden – kurz: Kreislaufwirtschaft. Damit wollen das IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und das Ecologic Institut im Rahmen des Forschungsverbundes Ecornet Berlin einen Beitrag zur Entwicklung Berlins zu einer Circular City leisten.

Kunststoff-Abfall in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Berliner Institute untersuchen, wie die Synchronisation von privater und öffentlicher Nachfrage von marktreifen Angeboten wie Repair-Cafés oder Kiez-Werkstätten optimiert werden kann. Darüber hinaus werden Akteure bei der Umsetzung von kreislaufwirtschaftsfähigen Ideen und Geschäftsmodellen unterstützt und wissenschaftlich begleitet. Das Projekt wird vom Regierenden Bürgermeister Berlin, Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung gefördert.

Textilien, Elektronik, Bauen: Drei Handlungsfelder im Fokus

Für die Innovationsfelder Zirkuläre Textilien, Circular Electronics sowie zirkuläres Bauen sind drei „Transformationsroadmaps“ entstanden, die den Weg in eine Zukunft weisen, in der Berlin urbane Ressourcenströme langfristig nachhaltig gestaltet. „Heute ist unsere Wirtschaftsweise noch größtenteils auf kurzfristige Effizienz statt auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und nicht zuletzt die Coronakrise hat die Vulnerabilität dieses Systems verdeutlicht. Wir müssen unser Wirtschaften neu denken“, erläutert Projektleiter Siegfried Behrendt vom IZT. „Wir sind überzeugt, dass eine lokale und regionale zirkuläre Wertschöpfung dazu beiträgt, unsere Stadt resilient, inklusiv und sozial-gerecht zu gestalten.“

Workshop mit Berliner Politik

Damit die existierenden Ansätze in der Praxis gut umgesetzt und vor allem auch skaliert werden können, braucht es politische Unterstützung. Wie Berlins Weg zu einer Circular City realisiert und gestaltet werden kann, wird am 2. Dezember 2021 mit Vertretern aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, unterschiedlichen Senatsverwaltungen und Praxisakteuren im Rahmen des Workshops „Circular City Berlin – vom Potenzial zur Umsetzung“ diskutiert. Ziel dabei ist es, gemeinsam zielführende Maßnahmen und Umsetzungsschritte zu skizzieren. „Die Bereiche Textilien, Elektronik und Bauen bieten eine Vielzahl von Ansätzen, Geschäftsmodellen und Anknüpfungspunkten, die über Produktdesign und Produktnutzungssysteme wichtige Beiträge auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft der nächsten Generation leisten können“, so Martin Hirschnitz-Garbers vom Ecologic Institut.

Zirkuläre Textilien

Wie kann Kleidung – statt im Müll zu landen – weitergenutzt werden oder als Rohstoff für neue Kleidung dienen? In der Transformationsroadmap für zirkuläre Textilien wird empfohlen, Modellprojekte angestoßen, etwa um Sammelsysteme und Materialerkennung bei Alttextilien zu verbessern. Strukturen mit Hebelwirkung wie Förderprogramme für nachhaltige Geschäftsmodelle sollten ausgebaut und zirkuläre Prinzipien in die Designausbildung integriert werden. Auch die Zusammenarbeit von Akteuren der textilen Kette muss gestärkt werden, um Berlin gemeinsam in eine treibhausgasneutrale und ressourcenleichte Stadt zu wandeln.

Circular Electronics

Viele nicht genutzte Handys und Laptops bergen ein enormes Potenzial für eine Wiederverwendung und den Gebrauchthandel mit Elektro- und Elektronikgeräten. Wie das in Berlin erschlossen werden kann, zeigt die Transformationsroadmap Circular Electronics. Es werden Chancen der Digitalisierung aufgezeigt, die bereits etablierte Geschäfte nutzen können, um die Nutzung elektronischer Produkte zu verlängern und zu intensivieren. Es bedarf niedrigschwelliger, praxisorientierter Programme, die den Berliner Innovationsakteuren übergreifendes Know-how zugänglich machen. Zur Förderung von Reparatur, Sharing und Upcyling sollte flächendeckend Infrastruktur für offene Werkstätten geschaffen werden.

Zirkuläres Bauen

Im Feld zirkuläres Bauen identifiziert die Transformationsroadmap Ansätze, die dazu beitragen können, das vielschichtige Berliner Bauwesen langfristig nachhaltig zu gestalten. Diese umfassen unter anderem die Förderung von Innovationsprojekten und eine Ausrichtung des rechtlichen Rahmens auf Kreislaufwirtschaft, etwa durch eine Verpflichtung zum selektiven Rückbau in der Berliner Bauordnung. Eine erleichterte Darstellung von Lebenszykluskosten kann vor allem in der öffentlichen Beschaffung dazu führen, Berlin langfristig als Circular City in der Bauwirtschaft zu etablieren.

Klimaneutrale Wärmeversorgung in München 2035

Zur Minderung des Klimawandels wurden in den vergangenen Jahren sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene Ziele zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen gesetzt. Die Landeshauptstadt München versteht sich hierbei als Vorreiter und hat bereits im Jahr 2017 das Ziel festgelegt, die energiebedingten Treibhausgasemissionen der Stadt bis zum Jahr 2050 auf 0,3 Tonnen CO2 pro Einwohner und Jahr zu reduzieren. Der Stadtrat hat die Verwaltung damit beauftragt, ein Maßnahmenpaket mit dem Ziel zu entwickeln, München bereits bis 2035 zu einer klimaneutralen Stadt umzugestalten.

Nachdem in den letzten Jahren bereits große Anstrengungen zur Entwicklung von Konzepten für eine stromseitig klimaneutrale Versorgung der Stadt unternommen wurden, liegt nun ein besonderes Augenmerk auf der Wärmeversorgung. In vorhergehenden Studien hat sich gezeigt, dass die Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung besonders hohe Herausforderungen mit sich bringt. Um diese zu meistern, soll in der Studie „Klimaneutrale Wärme in München“ ermittelt werden, mit welchen technischen Lösungen und zu welchen Kosten die Wärmeversorgung in München so rasch wie möglich auf erneuerbare Energien umgestellt und vollständig klimaneutral gestellt werden kann. Die Bearbeitung des Projektes erfolgt in Kooperation mit dem Öko-Institut.

Zunächst wird die aktuelle Struktur sowie die erwartete Entwicklung des Münchener Wohngebäudebestandes hinsichtlich des bauphysikalischen Zustands, der Wärmeversorgungstechnik und des Wärmeverbrauchs strukturiert. Danach werden die Potenziale sowohl erzeugungs- als auch infrastrukturseitiger Lösungsbausteine ermittelt sowie deren jeweilige CO2-Verminderungskosten abgeleitet.

Basierend auf diesen Grundlagendaten werden dann Szenarien erarbeitet, mit welchen in dem Zeitraum bis 2035 Klimaneutralität erreicht werden kann und welche Kosten hierfür zu erwarten sind. Hierbei wird einbezogen, dass das übergeordnete Ziel einer möglichst kosteneffizienten Umstellung der Wärme auch durch die Minimierung von potenziell gestrandeten Investitionen erreicht werden soll. Gestrandete Investitionen könnten beispielsweise durch Maßnahmen entstehen, die schnelle Erfolge versprechen jedoch langfristig nicht in das Gesamtkonzept der Versorgung passen.

Betrachtet wird die Transformation sowohl der Fernwärme, u.a. durch die weitere Erschließung der Tiefengeothermie, als auch der dezentralen Erzeugungsstruktur zur klimaneutralen Wärmeversorgung. Um alle relevanten Stakeholder in den Prozess mit einzubeziehen und dadurch die Umsetzung der resultierenden Handlungsempfehlungen möglichst bereits zu unterstützen, ist in der Erarbeitung der Studie eine enge Kooperation mit der Auftraggeberin Stadtwerke München sowie der Landeshauptstadt München angestrebt.

Fachleute zweifeln

Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke München, räumte in der Süddeutschen Zeitung ein, dass es schwierig werden dürfte, die Klimaneutralität Münchens bis 2035 zu erreichen. Es sei „wichtig, dass die Münchner Bürgerinnen und Bürger da mitziehen“. Selbst die Gutachter der Studie bezweifeln, dass das von München selbst gesteckte Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein – die Stadtverwaltung soll das sogar bereits bis 2030 schaffen -, überhaupt zu machen ist. Britta Kleinertz von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft betont: „Auch bei erheblichen Anstrengungen könnte die Klimaneutralität bis 2035 nur rechnerisch erreicht werden.“ Das bedeutet, die Stadt müsste Ausgleichszahlungen leisten oder anderweitig in erneuerbare Energien investieren. Aus dem Rathaus sind deshalb schon erste Stimmen zu hören, die Finanzierung der Wärme- und Energiewende sei noch längst nicht geklärt. Die CSU-Fraktion im Stadtrat wird da noch deutlicher: Der am Freitag vorgestellte Plan für ein klimaneutrales München „steht auf tönernen Füßen“, sagt der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl. „Zum einen müssen auf Bundesebene noch zahlreiche Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden. Zum anderen ist die Finanzierung unklar und der Haushalt der Landeshauptstadt ist nach wie vor angespannt.“ Die Wärmestudie und das Gutachten seien wie zwei Elefanten angekündigt worden, „aber was geboren wurde, ist eine Maus“.

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