Unterschiedliche Toxizität vermeintlich gleichartiger Mikroplastik-Partikel

Untersuchung aus Bayreuth: Vermeintlich gleichartige Mikroplastik-Partikel nicht gleich giftig

Weltweit befassen sich immer mehr Studien mit Auswirkungen von Mikroplastik, vor allem im Hinblick auf die Umwelt und die Gesundheit. Oft verwenden sie kugelförmige Polystyrol-Mikropartikel und gelangen dabei zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Bayreuth hat einen Grund dafür entdeckt und im Journal of Hazardous Materials (und auf der Website der Uni Bayreuth) publiziert: Handelsübliche, vermeintlich gleiche Polystyrol-Teilchen unterscheiden sich je nach Hersteller signifikant in Bezug auf ihre Strukturen und Eigenschaften. (Bilder: Elektronenmikroskopische Aufnahmen gleichnamiger Polystyrolpartikel von zwei verschiedenen Herstellern. Die kugelförmigen Partikel zeigen verschiedene Oberflächenmorphologien, die zu unterschiedlichen Zellinteraktionen führen können – © Julia Jasinski, uni.bayreuth.de, jhazmat.2021, BY CC 4.0)

Elektronenmikroskopische Aufnahmen gleichnamiger Polystyrolpartikel von zwei verschiedenen Herstellern. Die kugelförmigen Partikel zeigen verschiedene Oberflächenmorphologien, die zu unterschiedlichen Zellinteraktionen führen können – Bilder © Julia Jasinski, uni.bayreuth.de, jhazmat.2021, BY CC 4.0

Die neuen Forschungsergebnisse wurden exemplarisch an Modellzelllinien von Mäusen gewonnen. „Unsere Studie zeigt eindrucksvoll, wie problematisch es ist, verallgemeinernde Aussagen über gesundheitliche oder ökologische Auswirkungen von Mikroplastik machen zu wollen. Wenn gleich große Partikel des gleichen Kunststofftyps in der gleichen Form bei vertieften Analysen überraschende chemische und physikalische Unterschiede aufweisen und wenn sich diese Unterschiede auf Interaktionen mit lebenden Zellen auswirken – dann ist Vorsicht gegenüber voreiligen Schlussfolgerungen geboten“, sagt Prof. Christian Laforsch, Sprecher des SFB Mikroplastik an der Universität Bayreuth.

„Unsere Befunde enthalten klare Hinweise darauf, dass die in Wirkungsstudien derzeit gern verwendeten Polystyrol-Mikropartikel bisher nur schlecht charakterisiert sind. Weil hochrelevante Unterschiede unentdeckt blieben, haben widersprüchliche Ergebnisse, die unter vermeintlich gleichen Bedingungen erzielt wurden, der Forschung Rätsel aufgegeben. Künftig werden wir in Bayreuth die in unseren Versuchen eingesetzten Mikropartikel noch genauer unter die Lupe nehmen. Die Replizierbarkeit von Experimenten muss in der Mikroplastik-Forschung höchste Priorität haben – gerade wenn es um die Untersuchung gesundheitlicher Auswirkungen geht“, ergänzt Anja Ramsperger, eine der ErstautorInnen der Studie.

Die deutlichen Unterschiede zwischen handelsüblichen Polystyrol-Partikeln, die von verschiedenen Herstellern stammen, betreffen zunächst ihren Gehalt an Monomeren. Diese Grundbausteine der langkettigen Kunststoffmoleküle, die bei der Herstellung der Kunststoffe verkettet werden, können schädlich auf Zellen oder Organismen wirken. Weitere Unterschiede betreffen die elektrische Ladungsverteilung an der Oberfläche der Partikel, das sogenannte Zeta-Potenzial. Die Experimente wurden im Rahmen des SFB 1357 Mikroplastik in Laboratorien der Universität Bayreuth und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung in Dresden durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eindeutig: Wenn Polystyrol-Mikropartikel mit einem höheren Zeta-Potenzial und einer einheitlichen Ladungsverteilung an der Oberfläche in Kontakt mit lebenden Zellen gebracht werden, kommt es zu weitaus häufigeren Interaktionen als bei der Verwendung anderer Polystyrol-Mikropartikel. Im Zuge häufiger Wechselwirkungen können vergleichsweise viele Partikel in die Zellen gelangen. Hier beeinträchtigen sie den Stoffwechsel und die Vermehrung der Zellen – vor allem dann, wenn die Partikelkonzentrationen hoch sind.

„Mittlerweile gibt es zahlreiche toxikologische Studien, die den Auswirkungen von Mikroplastik auf lebende Organismen auf die Spur kommen wollen. Aber erst wenn wir die chemische Zusammensetzung und die Oberflächeneigenschaften der dabei verwendeten Partikel im Detail kennen, lassen sich diese Studien wissenschaftlich vergleichen. Nur auf dieser Basis wird es möglich sein, die Eigenschaften zu entschlüsseln, die bestimmte Arten von Mikroplastik für die Umwelt und den Menschen potenziell gefährlich machen“, betont Ramsperger.

Die neue Untersuchung beruht auf einer engen interdisziplinären Kooperation im DFG-Sonderforschungsbereich 1357 „Mikroplastik“ an der Universität Bayreuth. Die beteiligten AutorInnen forschen und lehren auf Gebieten der Tierökologie, der Biomaterialforschung, der Bioprozesstechnik, der Biophysik und der Anorganischen Chemie. Weiterer Forschungspartner im Rahmen des SFB war das Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden.

->Quellen: