Unerwartete Energiespeicherfähigkeit, wo Wasser auf Metall trifft

Neues Verständnis

Mit einer neuen Methode kann die elektrische Umladung von Grenzschichten zwischen sehr kleinen, metallischen Partikeln und wässrigen Lösungen gemessen und auf molekularer Ebene verstanden werden: Forschende des Exzellenzclusters RESOLV (eines Forschungsverbundes aus RUB, TU Dortmund und vier weiterer wissenschaftlichen Einrichtungen) haben mit Strom- und Spannungsmessungen an einzelnen Nanopartikeln ermittelt (und am 19.01.2022 veröffentlicht), dass die kapazitiv gespeicherte Ladung an Platingrenzflächen deutlich höher sein kann als bisher angenommen.

Nanoimpakt-Elektrochemie ergab eine anomal hohe Kapazität für Pt-Nanopartikel bei Potenzialen, die negativer sind als ihr Null-Ladungspotenzial. MD-Berechnungen zeigten, dass die starke Wechselwirkung des Metalls mit Wassermolekülen zu einer Chemisorption von Wasser und einer Anhäufung von Ionen in der Helmholtz-Schicht führt, die über die Erwartungen hinausgeht, was zu einer höheren Speicherfähigkeit der Grenzflächenladung führt – Grafik © open access, wiley.com

Das führen sie auf eine spezielle Anordnung und Bindung von Wassermolekülen zurück. Dazu kooperierte das internationale Team um Prof. Kristina Tschulik, deren Ideen 2020 u.a. mit einer ERC-Starting-Grant-Förderung des Europäischen Forschungsrates*) ausgezeichnet wurden, mit Partnern aus Frankreich und Israel. Die Ergebnisse beschreiben die Autoren am 19.12.2021 in Angewandte Chemie – online**).

* ) Förderung: Diese Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft innerhalb des Exzellenzclusters RESOLV EXC 2033 – Projektnummer 390677874 gefördert. Weitere finanzielle Unterstützung wurde u. a. von der Europäischen Union im Rahmen des ERC-Starting-Grant MitiCat (Projektnummer 949724), der Stiftung Mercator (Projektnummer 18032) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) erhalten.

Obwohl Grenzflächen zwischen Metallen und Wasser die lokalen Bereiche sind, wo entscheidende Vorgänge wie Wasserspaltung ablaufen, ist bisher nur wenig über ihren Aufbau und Veränderungen während solcher Prozesse bekannt. Die wissenschaftliche Beschreibung solcher Grenzflächen wird seit mehr als 100 Jahren vom Modell der sogenannten elektrochemischen Doppelschicht geprägt. Es besagt, dass sich Ladungsträger einer wässrigen Lösung vermehrt im Grenzbereich zum Metall anordnen, um überschüssige elektrische Ladungen auf der Metallseite auszugleichen. Dabei werden die entgegengesetzten Ladungen durch Wassermoleküle getrennt. Ähnlich zu einem technischen Plattenkondensator kann durch diese nanoskopische Ladungstrennung in der Grenzfläche Energie gespeichert und später wieder abgerufen werden. Vorgänge, bei denen sich der molekulare Aufbau der elektrochemischen Doppelschicht verändert, sind für viele grüne Technologien, wie zum Beispiel Superkondensatoren und Brennstoffzellen, relevant.

Für solche technischen Anwendungen werden verstärkt Nanopartikel untersucht, die tausendmal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Wegen ihres vorteilhaften Verhältnisses von prozessrelevanter Oberfläche zu Volumen bieten sie hierfür besonders gute Voraussetzungen. Die vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst geförderte iranische Wissenschaftlerin Mahnaz Azimzadeh Sani verwendete sogenannte kolloidale Nanopartikeldispersionen. Dort liegen Nanopartikel voneinander getrennt und fein verteilt in wässriger Lösung vor und schlagen zufällig hin und wieder auf einer unter Spannung stehenden Mikroelektrode ein. Mithilfe von computergestützten Molekulardynamik-Simulationen konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede spannungsabhängig gemessener kapazitiver Ströme verschiedener Arten von Nanopartikel-Dispersionen interpretiert werden. Die unerwartet hohen Kapazitäten werden auf gelöste geladene Teilchen zurückgeführt, die sich vermehrt in Zwischenräumen einer kompakten an Platin (und schwächer an Gold) gebundenen Wasserschicht und einer angrenzenden Wasserschicht anderer Anordnung ansammeln.

**) Schlussfolgerungen

Um unser Verständnis von fest/flüssigen Grenzflächen auf molekularer Ebene zu verbessern, haben wir Platin- und Gold-Nanopartikel/Wasser-Grenzflächen mit Hilfe der Nano-Impact-Elektrochemie untersucht. Diese Technik erweist sich als ein neues und leistungsfähiges Instrument zur Gewinnung physikalisch-chemischer Informationen über strukturelle Auswirkungen auf die elektrochemische Doppelschichtkapazität von Nanomaterialien, ohne mögliche Artefakte aufgrund von Filmporosität oder Zusatzstoffen. Darüber hinaus eröffnet es neue Möglichkeiten zur Charakterisierung kolloidaler Nanopartkel, wie hier durch die Abschätzung ihres Potenzials in Lösung gezeigt. Es wurde festgestellt, dass die Ladungsspeicherfähigkeit der Doppelschicht im Vergleich zu den Vorhersagen auf der Grundlage traditioneller Mittelfeldmodelle um etwa eine Größenordnung zunimmt.

Die große Kapazität, die für Platin- und Goldoberflächen gemessen wurde, ist vermutlich auf starke Wechselwirkungen zwischen der Metalloberfläche und der Wasserschicht zurückzuführen. Diese fördern die Chemisorption von Wasser und die Ansammlung von Ionen an der Grenzfläche. Der niedrigere Kapazitätswert, der für Gold gemessen wurde, wird auf eine schwächere Bindung der Wasseradlayer an Gold- im Vergleich zu Platinoberflächen zurückgeführt, wobei letztere durch die Analyse von Lösungsmitteldichtefluktuationen aus klassischen molekulardynamischen Simulationen quantifiziert wurde. Auf der Grundlage unserer Ergebnisse schlagen wir vor, dass die aktive Abstimmung der Wechselwirkungen zwischen Festkörper und Lösungsmittel sowie zwischen den Lösungsmitteln, die durch die Wasseradditivschicht gebildet werden, ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung verbesserter nachhaltiger Energieumwandlungs- und -speicherungstechnologien sein könnte.

->Quellen: