Solar- und Windkraft zur Dekarbonisierung der Schweiz

Mit Wind und Sonne gegen emissionsreichen Importstrom

Mehr Wärmepumpen in Gebäuden und mehr Elektroautos auf den Straßen führen künftig zu einem Anstieg des Stromverbrauchs. Zur Deckung dieses steigenden Bedarfs ist die Schweiz (und auch die Bundesrepublik Deutschland) auf Stromimporte angewiesen, die allerdings häufig einen großen CO2-Fußabdruck aufweisen, da sie etwa aus Gas- oder Kohlekraftwerken stammen. In einer in Energy Policy open access publizierten Untersuchung zeigen Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und der Universität Genf UNIGE anhand verschiedener Szenarien auf, wie die Schweiz mit einem diversifizierten Zubau von erneuerbaren Energien die CO2-belasteten Stromimporte reduzieren kann.

PV und Windenergie – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Um das zu erreichen und gleichzeitig den zukünftigen Elektrifizierungsbedarf zu decken, empfehlen die Empa- und UNIGE-Forscher einheimische Produktion aus Windkraft und Photovoltaik, die durch Importe ergänzt wird. Das alles ohne Einsatz von Kernenergie. Dieses Szenario würde den Anteil der Schweiz an den globalen Treibhausgasemissionen um 45% senken. In der Schweiz stammt der benötigte Strom heute größtenteils aus Kern- und Wasserkraftwerken – Technologien mit einem geringen CO2-Fußabdruck. Betrachtet man aber ganz Europa, sieht die Lage anders aus: Schätzungen zufolge sind fossile Kraftwerke zur Stromerzeugung für rund 25% der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Sieben verschiedene Szenarien wurden entwickelt, die in unterschiedlichem Maße Solar-, Wind- und Wasserkraft einbeziehen. Das Ganze mit und ohne Nutzung der Kernenergie, da der Bund einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2050 plant“, erklärt Elliot Romano, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement F.-A. Forel für Umwelt- und Wasserwissenschaften der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der UNIGE. Die Forscher berücksichtigten auch die Versorgungsmöglichkeiten aus dem Ausland, die für die Deckung der Nachfrage von entscheidender Bedeutung sind, sowie den Bedarf der Bevölkerung an Elektrifizierung (Mobilität und Heizung).

Aus den verschiedenen Varianten ermittelte das Forschungsteam, dass eine Mischung aus PV- und Windenergieproduktion das optimale Szenario wäre. „Dieser Mix stellt die beste Möglichkeit dar, den Fußabdruck des Landes zu verringern, ist aber auch die beste Alternative zur Kernenergie“, sagt Martin Rüdisüli, Forscher am Labor für urbane Energiesysteme der Empa und Erstautor der Studie. Konkret geht das Modell von einer Windproduktion von 12 TWh und einer Solarproduktion von 25TWh aus. Zum Vergleich: 2021 betrug diese Produktion in der Schweiz 2.72 TWh bei der Solarenergie und 0.13 TWh bei der Windkraft. Im Vergleich zu einer Lösung mit Kernenergie kann mit dem vorgeschlagenen Produktionsmix der Importbedarf von 16 TWh auf 13.7 TWh gesenkt werden.

Dieses Szenario – das auch den zukünftigen Strombedarf durch Elektromobilität und den Wärmebedarf von Gebäuden berücksichtigt – würde den CO2-Fußabdruck des Schweizer Verbrauchs von 89g CO2 pro kWh auf 131g CO2 pro kWh erhöhen. Insgesamt würde die Elektrifizierung dieses Bedarfs den Beitrag der Schweiz zu den globalen Treibhausgasemissionen jedoch um 45% senken.

„Bisher basierte die Forschung zum Fußabdruck der Stromerzeugung auf durchschnittlichen Verbrauchswerten, insbesondere auf Jahreswerten. Die Stärke unserer Studie liegt in der Verwendung von stündlichen und damit viel genaueren Werten“, erklärt Elliot Romano. Der direkte, aber auch der indirekte Fußabdruck dieser Produktion wurde einbezogen. „Wir haben den Fußabdruck berücksichtigt, den zum Beispiel die Herstellung des Betons erzeugt, der für den Bau eines Kraftwerks verwendet wird. Mit dieser Methode konnten wir also den Lebenszyklus der Stromerzeugung umfassend analysieren.“

Wind gegen die Winterstromlücke – und „Power-to-X“-Technologien

Im Winter wird die Schweiz aufgrund geringerer Erträge aus der Photovoltaik weiterhin am stärksten auf Stromimporte angewiesen sein. Das Szenario, das hinsichtlich Emissionsreduktion in der Studie am besten abgeschnitten hat, sieht deshalb neben einem Ausbau der Solarenergie auf 25 Terawattstunden (von derzeit 2.7 TWh) auch einen großen Anteil an Windenergie von rund 12 Terawattstunden (von derzeit 0.1 TWh) vor. „Windenergie fällt mehrheitlich im Winter und in der Nacht an“, so Martin Rüdisüli. „Sie kann also helfen, unsere Importabhängigkeit in diesen Zeiten zu verringern.“

Eine zunehmend große Herausforderung orten die Studienautoren bei der saisonalen Speicherung von Energie. In allen durchgerechneten Szenarien sind aufgrund der ausgebauten Photovoltaik große Stromüberschüsse im Sommer zu erwarten. Das grösste Potenzial, diese Überschüsse in den Winter zu überführen, sehen die Forschenden in „Power-to-X“-Technologien, die die Umwandlung von überschüssigem Strom in speicherbare chemische Energieträger wie Wasserstoff oder synthetisches Methan ermöglichen, sowie in thermischen Speichern wie etwa Erdsondenfeldern.

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