Seegräser setzen auch nach ihrem Absterben Methan frei

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie: „Tot oder lebendig“

Seegraswiesen spielen eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf des Meeres und für unser Klima. Einerseits nehmen sie Kohlendioxid auf und speichern es in ihren Sedimenten, andererseits setzen sie das starke Treibhausgas Methan frei. Dabei machen sie es den beteiligten Mikroorganismen einfach: Sie produzieren methylierte Verbindungen, die schnell in Methan umgewandelt werden können, sogar noch lange nach dem Tod der Pflanzen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen haben einer Medienmitteilung vom 14.02.2022 folgend untersucht, was die Methanproduktion und -freisetzung von Seegraswiesen steuert. Ihre Ergebnisse stellen sie in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vor.

Seegraswiesen bedecken insgesamt an die 600.000 Quadratkilometer weltweit, was etwa der Fläche von Frankreich entspricht – Foto m.frdl. Genehmigung © HYDRA Marine Sciences GmbH, mpi-bremen.de

In See­gras­wie­sen wird Me­than ge­bil­det und frei­ge­setzt, auch noch Jahr­zehn­te nach dem Ab­ster­ben der Pflan­zen.See­grä­ser wach­sen welt­weit in fla­chen Küs­ten­re­gio­nen ge­mä­ßig­ter und tro­pi­scher Mee­re. See­gras­wie­sen bil­den die Grund­la­ge für ein wich­ti­ges Öko­sys­tem, das zahl­rei­chen Tie­ren, dar­un­ter auch be­droh­te Ar­ten wie Mee­res­schild­krö­ten und See­pferd­chen, ein Zu­hau­se ist. Au­ßer­dem schüt­zen sie die da­hin­ter­lie­gen­den Küs­ten vor Ab­tra­gung und neh­men je­des Jahr Mil­lio­nen von Ton­nen an Koh­len­di­oxid aus der At­mo­sphä­re auf. Aber See­gras­wie­sen set­zen auch Treib­haus­ga­se frei – al­len vor­an Me­than, das ei­nen sehr viel stär­ke­ren Ef­fekt auf un­ser Kli­ma hat als Koh­len­di­oxid.

Sina Schorn und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen vom Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut und Hy­dra Ma­ri­ne Sci­en­ces un­ter­such­ten zu­nächst, wor­aus das Me­than in den See­gras­wie­sen ent­steht. See­grä­ser bil­den, wie vie­le Land­pflan­zen, gro­ße Tor­f­ab­la­ge­run­gen un­ter der Se­di­men­to­ber­flä­che. Ter­res­tri­scher Torf setzt beim Ab­bau des or­ga­ni­schen Ma­te­ri­als gro­ße Men­gen an Me­than frei. Die For­schen­den ver­mu­te­ten also, dass Me­than in See­gras­wie­sen auf ganz ähn­li­che Wei­se ge­bil­det wird. Je­doch: Das Ge­gen­teil war der Fall. „Hier er­leb­ten wir un­se­re ers­te Über­ra­schung“, er­klärt Schorn, Er­st­au­to­rin der Stu­die. „In den Se­di­men­ten der See­gras­wie­sen ent­steht das Me­than nur aus ei­ner Grup­pe or­ga­ni­scher Ver­bin­dun­gen“, so Schorn. „Die­se so­ge­nann­ten me­thy­lier­ten Ver­bin­dun­gen stellt die See­gras­pflan­ze selbst her. Be­son­de­re Mi­kro­or­ga­nis­men, die me­tha­no­ge­nen Ar­chae­en, er­le­di­gen dann die Um­wand­lung zu Me­than.“ Zu die­sen Ver­bin­dun­gen ge­hört bei­spiels­wei­se Be­tain – eine Ver­bin­dung, die See­grä­sern hilft, mit dem schwan­ken­den Salz­ge­halt des Meer­was­sers klar­zu­kom­men. Da die me­tha­no­ge­nen Mi­kro­or­ga­nis­men die­se Ver­bin­dun­gen di­rekt nut­zen kön­nen, ist die Me­than­pro­duk­ti­on in den See­gras­wie­sen sehr ef­fi­zi­ent und un­emp­find­lich ge­gen­über Um­welt­ein­flüs­sen.

Und noch et­was ist in den See­gras­wie­sen an­ders als an Land: Die Frei­set­zung des Me­thans ins Was­ser geht sehr schnell. Wie durch ei­nen Stroh­halm kann das Gas durch das Pflan­zen­ge­we­be aus dem Mee­res­bo­den ins Was­ser ent­wei­chen. Da See­grä­ser nur im fla­chen Was­ser wach­sen, ha­ben Mi­kro­or­ga­nis­men im Was­ser kaum Ge­le­gen­heit, das Me­than wie­der ab­zu­bau­en. Zu­dem wäscht das Meer­was­ser, das durch den Sand un­ter­halb der See­grä­ser strömt, das Me­than schnell aus dem Se­di­ment aus.

Im Rah­men ih­rer Stu­die be­prob­ten die Bre­mer For­schen­den auch eine ab­ge­stor­be­ne See­gras­wie­se. „Da­bei er­leb­ten wir eine wei­te­re Über­ra­schung“, be­rich­tet Jana Mi­lucka, Se­nior­au­to­rin der Ver­öf­fent­li­chung und Lei­te­rin der For­schungs­grup­pe Treib­haus­ga­se am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie. „Die Ra­ten der Me­than­pro­duk­ti­on wa­ren dort ähn­lich hoch wie in der in­tak­ten See­gras­wie­se.“ Auch in ab­ge­stor­be­nen See­gras­wie­sen ent­steht also noch Me­than. „Wir ge­hen da­von aus, dass der Grund für die­se an­hal­ten­de Me­than­pro­duk­ti­on dar­in liegt, dass die me­thy­lier­ten Ver­bin­dun­gen sehr lan­ge im Ge­we­be der Pflan­zen er­hal­ten blei­ben“, so Mi­lucka. Sie fan­den sich so­gar noch in Pflan­zen­ge­we­be, das vor mehr als zwei Jahr­zehn­ten ab­ge­stor­ben war.

„Der­zeit er­le­ben wir welt­weit ein Ab­ster­ben von See­gras­wie­sen, was ver­hee­ren­de Aus­wir­kun­gen auf die Küs­ten hat. Un­se­re Er­geb­nis­se zei­gen nun, dass nach dem Ab­ster­ben der Pflan­zen zwar kein Koh­len­di­oxid mehr aus der At­mo­sphä­re ge­bun­den und im Se­di­ment als ‚blau­er Koh­len­stoff‘ ge­spei­chert wird, Me­than aber wei­ter­hin frei­ge­setzt wird“, er­klärt Mi­lucka. Die vor­lie­gen­de Stu­die ver­deut­licht, welch wich­ti­ge Rol­le See­gras­wie­sen für das Kli­ma spie­len und wie wich­tig es ist, die­se Öko­sys­te­me bes­ser zu ver­ste­hen und zu er­hal­ten. See­gras­wie­sen sind küs­ten­na­he Le­bens­räu­me, und Küs­ten sind am stärks­ten von den mensch­ge­mach­ten Ver­än­de­run­gen be­trof­fen. „Nur wenn wir ver­ste­hen, wie das Öko­sys­tem See­gras­wie­se funk­tio­niert, kön­nen wir auch die Aus­wir­kun­gen des fort­schrei­ten­den glo­ba­len Wan­dels auf sie er­mit­teln“, be­tont Schorn.

Als nächs­tes pla­nen die For­schen­den des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, ihre Mes­sun­gen auf an­de­re Re­gio­nen und an­de­re See­grasar­ten aus­zu­wei­ten. Au­ßer­dem wol­len sie die Mi­kro­or­ga­nis­men, die an der Me­than­pro­duk­ti­on be­tei­ligt sind, noch ge­nau­er un­ter­su­chen, da die­se er­staun­lich viel­fäl­tig und weit­ge­hend un­er­forscht sind.

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