Kreislaufschließung auf mehreren Ebenen angestrebt

Carbon2Chem®-Diskurs über Klimaschutz und Veränderungsprozesse

„Wir müssen jetzt handeln. Je eher wir beginnen, CO2-Emissionen zu minimieren, desto größer die Chance, dass wir die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen.“ Mit diesen eindringlichen Worten richtete sich Prof. Görge Deerberg an die Teilnehmenden des Workshops „Every day for Future – Transformation im Zuge der Energiewende“ am 10.06.2022. An welchen Klimaschutz-Lösungen Forschung und Industrie arbeiten und wie Einzelne motiviert werden können, sich an diesem Veränderungsprozess zu beteiligen, beleuchtete der stellv. Institutsleiter des Fraunhofer UMSICHT gemeinsam mit weiteren Referenten aus der Wissenschaft.

Carbon2Chem – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Seinen Vortrag hielt Deerberg in seiner Rolle als einer von drei Koordinatoren des Verbundprojektes Carbon2Chem®. „Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung befassen wir uns mit zwei Problemstellungen: dem Klimaschutz und unserer Abhängigkeit von Kohlenstoff.“ Im Kern entstehen dabei Technologien, mit deren Hilfe sich Kohlendioxid, das auch in Zukunft in Stahl- und Zementindustrie oder Müllverbrennung ausgestoßen wird, in Grundstoffe für die chemische Industrie umwandeln lässt. „Wir streben eine Kreislaufschließung auf mehreren Ebenen an – und das kann nur durch einen Sektor übergreifenden Ansatz gelingen“, so Deerberg. „Deshalb sind wir sehr froh, dass wir so eng und zielführend mit 19 Projektpartnern aus ganz unterschiedlichen Branchen zusammenarbeiten.“

Chemie Ingenieur Technik: Überbrückung der analytischen Lücke zwischen Gasaufbereitungs- und Reaktoranlagen in Carbon2Chem

Im Abstract des am 02.08.2022 in Chemie Ingenieur Technik open access publizierten Essays „Bridging the Analytical Gap Between Gas Treatment and Reactor Plants in Carbon2Chem®“ schreiben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr (MPI CEC): „Die Verwendung von gereinigten Prozessgasen als Ausgangsmaterial für nachfolgende Prozesse erfordert eine detaillierte Überprüfung der Gasreinheit, um eine lange Lebensdauer der eingesetzten Katalysatoren zu gewährleisten. In dem Beitrag wird die analytische Infrastruktur für die Messungen der gereinigten Gase vorgestellt. Es wird ein Überblick über alle Probenahmestellen für die Off- und Online-Analyse gegeben. Die detaillierte Entschlüsselung der Zusammensetzung des gereinigten Gichtgases, seiner Hauptkomponenten sowie seiner Spuren wird dargestellt. Dabei konnten über 99 % der Gesamtsignalstärke dieser komplexen Gasmatrix, gemessen mit einem Protonentransferreaktionsmassenspektrometer mit H3O+ als Reagenzion, aufgedeckt werden. Darüber hinaus wurde am Beispiel des Katalysatorgifts H2S die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung der Gasmatrix auf bestimmte Verbindungen nachgewiesen.“

Die Verwertung von bei der Stahlherstellung anfallendem CO2 durch chemische Umwandlung, z.B. in Methanol, sei ein wichtiges Ziel von Carbon2Chem®. Dieses Gemeinschaftsprojekt von 18 Partnern aus Industrie und Wissenschaft verbinde verschiedene Sektoren wie Chemie, Stahl und Energie, um einen erneuerbaren Kohlenstoffkreislauf aufzubauen, in dem CO2 kein Abfall, sondern eine Ressource sei. Dieser Ansatz der Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (CCU) von Hüttengasen kann dazu beitragen, die Netto-Treibhausgasemissionen zu verringern. Auch wenn mehrere Untersuchungen bereits gezeigt hätten, dass die Verwendung von Hüttengasen als Ausgangsmaterial für katalytische Prozesse möglich ist, müssten verschiedene Herausforderungen für einen zuverlässigen und leistungsfähigen Syntheseprozess gemeistert werden. Neben den Hauptkomponenten sind in den Hüttengasen eine Vielzahl von Spurenkomponenten wie Metalle, polyaromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe, sauerstoff-, stickstoff-, schwefelhaltige und halogenierte Verbindungen enthalten. Ohne eine umfassende und zeitlich angepasste Gasaufbereitung der drei metallurgischen Gase Kokereigas (COG), Hochofengas (BFG) und Sauerstoffblasgas (BOFG) sei eine Katalysatorvergiftung und damit eine Störung der nachgeschalteten Prozesse nicht auszuschließen. Da sich die Betriebsarten in einem Stahlwerk ändern könnten, seien außerdem Schwankungen in den Konzentrationen der Haupt- und Spurenkomponenten zu erwarten. Um diese hochkomplexen Herausforderungen zu bewältigen, sei es unerlässlich, ein präzises und flexibles Analysesystem vorzuschalten, das die Frage nach der Auslegung einer Gasaufbereitungsanlage beantworte. Dies gelang Salazar Gómez et. al. durch die Realisierung des sogenannten HüGaProp-Containers, eines mobilen, mit einem hochmodernen Massenspektrometer ausgestatteten Containers, der sowohl Spuren und Schwankungen in den Rohgasen bis in den ppt-Bereich als auch den Verlauf der Hauptkomponenten mittels Gaschromatographie (GC) überwachen kann.

Während COG eine hervorragende Wasserstoffquelle ist, würde die Verwendung von BFG den CO2-Ausstoß am meisten verringern. BFG habe nicht nur einen hohen CO2-Gehalt, sondern weise auch den größten Volumenanteil aller Hüttengase auf und wird mit 1-7 × 105 Nm3h-1 produziert. Daher sei die Verwendung von BFG als Ausgangsstoff für die katalytische Synthese von Methanol und anderen Grundchemikalien sehr vielversprechend.

Während eine detaillierte Kenntnis der Hauptkomponenten erforderlich sei, um geeignete Prozessrouten für die Nutzung zu entwickeln, sei das Wissen über die Spurenkomponenten zwingend erforderlich, um die Lebensdauer des Katalysators im nachfolgenden Prozess zu beurteilen. Um beispielsweise die Langzeitaktivität des Cu-basierten Methanolsynthesekatalysators Cu/ZnO/Al2O3 zu gewährleisten, sei es sehr empfehlenswert, die Gesamtschwefelkonzentration unter 0,1 ppm zu halten. Aber selbst nach einer konventionellen zweistufigen Behandlung in einem Stahlwerk sei eine gewisse Menge H2S im BFG vorhanden, so dass eine gründliche Gasbehandlung unumgänglich sei, um eine Katalysatorvergiftung in nachgeschalteten Prozessen zu verhindern. Einer der Schlüsselprozesse bei Carbon2Chem® sei daher die Gasaufbereitungsanlage im Technikum in Duisburg, in der verschiedene Möglichkeiten der Gasreinigung im technischen Maßstab getestet werden. Die Hauptkomponenten in den gereinigten Gasen würden bestimmt und die Gase in verschiedenen Reaktoranlagen des Zentrums nach den im Projekt vorgesehenen Prozessrouten weiterverarbeitet. Nach der Gasaufbereitungsanlage und vor den Reaktoranlagen werde jedoch ein Analysesystem benötigt, das in der Lage sei, alle Hauptkomponenten und auch Spurenkomponenten zu messen. Dieses System sollte valide Informationen über die detaillierte Gaszusammensetzung in Echtzeit liefern und als Frühwarnsystem fungieren, um eine Katalysatorvergiftung im Falle eines Komponentendurchbruchs zu verhindern. Der Einsatz eines solchen Systems in einem Labor würde nicht nur die Katalysatoren in nachgeschalteten Prozessen und damit die Reaktoranlagen schützen, sondern wäre auch eine wesentliche Informationsquelle für die weitere Optimierung der Gasaufbereitungsanlage. Diese Aufgabe werde in einem im Technikum eingerichteten Labor angegangen.

Dieses Labor sei mit festen Installationen wie Gasschränken, Druckminderern und einem Wasserabscheider sowie einer mobilen Einheit, dem so genannten mobilen Analysesystem (Masy), ausgestattet, das aus einem Protonentransferreaktions-Quadrupol-Schnittstellen-Flugzeit-Massenspektrometer (PTR-QiTOF-MS), zwei Mikro-GCs und einem Verdünnungssystem besteht. Es sei möglich, alle im Technikum in Carbon2Chem® bereitgestellten gereinigten Gase im Labor sowohl in einer Hochdruck- als auch in einer Niederdruckvariante zu messen. Darüber hinaus kann jedes Gas in verschiedenen Aufbereitungsstufen innerhalb und außerhalb des Technikums von Carbon2Chem® mit dem mobilen Analysesystem Masy analysiert werden. Um weitere Einblicke in das Labor zu erhalten, ist auch der virtuelle Laborrundgang sehr zu empfehlen (www.cec.mpg.de/de/projekte-und-foerderungen/carbon2chem-reg).

->Quellen: