Regierung muss jetzt Weichen für Kohleausstieg 2030 stellen

ClientEarth-Kurzstudie zeigt wie

Die Kurzstudie „Kohleausstieg 2030 – Rechtliche Möglichkeiten für das Vorziehen der Stilllegungen von Braun- und Steinkohlekraftwerken“ der Umweltrechtsorganisation ClientEarth anlässlich des ersten Überprüfungsstichtags (15.08.2022) des Kohleausstiegsgesetzes (KVBG) zeigt die Möglichkeiten für einen beschleunigten Kohleausstieg auf. Demnach sei ein Vorziehen des Steinkohleausstiegs auf 2030 ohne zusätzliche Kosten für den Staat möglich. Bei Braunkohle bestehe hingegen das Risiko, dass die Betreiber als Resultat von Verhandlungen zusätzliche Entschädigungen erhielten.

Braunkohletagebau Welzow Süd – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

„Die aktuellen Hitzewellen, Dürren und Waldbrände haben wieder einmal verdeutlicht, dass die Klimakrise nicht wartet und die Zeit für eine Energiewende in jeder Hinsicht drängt“, mahnt Francesca Mascha Klein, Juristin bei ClientEarth – Anwälte der Erde. “Bereits stillgelegte Kohlemeiler werden jetzt wieder angeworfen, weil die Vorgängerregierungen den Ausbau der Erneuerbaren nicht ausreichend vorangebracht und stattdessen auf den fossilen Energieträger Gas gesetzt haben. Das hat negative Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Gesundheit und den Strompreis. Umso dringender ist es daher, dass die jetzige Bundesregierung das Ziel eines beschleunigten Ausstiegs Deutschlands aus der Kohle nicht aus den Augen verliert und dafür jetzt schon Rechts- und Planungssicherheit schafft.”

“Mit Blick auf die derzeit hohen Gas- und Strompreise wäre es fahrlässig, sich für den Kohleausstieg bis 2030 allein auf den Markt zu verlassen. Die Bundesregierung muss jetzt die im Kohlegesetz vorgesehenen Möglichkeiten für die vorzeitige Stilllegung bis 2035 voll ausschöpfen und den Prozess für den Ausstieg bis 2030 einleiten. Dabei sollte sie die gesetzliche sowie vertragliche Verankerung ernsthaft in Betracht ziehen“, so Klein weiter.

Damit Deutschland sich an die Ziele des Pariser Klimaabkommens halten kann, hatten sich Regierungsparteien im Koalitionsvertrag auf einen Kohleausstieg bis 2030 – anstelle des bislang gesetzlich vorgesehenen Zieldatums 2038 – geeinigt.

Für die Verhandlungsposition der Bundesregierung werde von Bedeutung sein, inwieweit die gesetzlichen Fristen für das entschädigungslose Vorziehen nach dem derzeitigen Ausstiegsgesetz bereits verstrichen seien, wie die demnächst anstehende Entscheidung der Europäischen Kommission ausfalle, aber auch wie sich die Energiekrise und der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland entwickle, so Klein.

Hintergrund:

Dem Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (KVBG) vom August 2020 zufolge, steigt Deutschland bis spätestens Ende 2038 aus der Kohle aus. Dies ist zur Erreichung der Pariser Klimaziele deutlich zu spät; um seine völkerrechtlichen Mindestverpflichtungen zur Begrenzung der globalen Erderwärmung einzuhalten, muss Deutschland bis spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen. Die aktuelle Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen und sich gleichzeitig zum Ziel gesetzt „keine zusätzlichen Entschädigungen an Unternehmen zu zahlen.“

Angesichts der im April 2021 veröffentlichten Begründung der EU-Kommission zum Prüfverfahren zu den Entschädigungszahlungen im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes gilt es als unsicher, ob das Milliarden Euro schwere Entschädigungspaket für die Braunkohlebetreiber RWE und LEAG Bestand haben wird. Die Experten der Generaldirektion Wettbewerb äußerten erhebliche Zweifel an der Berechnungsgrundlage der Zahlungen.

Über ClientEarth – Anwälte der Erde

„ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt, um die Erde und ihre Bewohner zu schützen. Zusammen mit Bürgern und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteuren in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.“

Im Wortlaut: Kohleausstieg rechtlich schneller möglich

In der neuen Untersuchung macht Client Earth deutlich: Wenn die Ampel den Kohleausstieg wirklich auf 2030 vorziehen will, muss sie jetzt handeln. Rechtlich möglich wäre es offenbar auch, Kohlekraftwerke noch deutlich eher vom Netz zu nehmen, um die CO2-Mehremissionen wegen der Gaskrise auszugleichen.

Dem Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (KVBG) vom August 2020 zufolge, steigt Deutschland bis spätestens Ende 2038 aus der Kohle aus. Dies ist zur Erreichung der Pariser Klimaziele deutlich zu spät; um seine völkerrechtlichen Mindestverpflichtungen zur Begrenzung der globalen Erderwärmung einzuhalten, muss Deutschland bis spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen.

Die als Reaktion auf den sog. „Klimabeschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes nachgeschärften Klimaziele sehen nun für den Sektor der Energiewirtschaft für das Jahr 2030 eine maximale Emissionsmenge von 108 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vor. Dieses Ziel ist in erster Linie durch den Kohleausstieg bis 2030 erreichbar. Die aktuelle Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen und sich gleichzeitig zum Ziel gesetzt „keine zusätzlichen Entschädigungen an Unternehmen zu zahlen“.

Im KVBG ist der Ausstieg aus der Steinkohle und der aus der Braunkohle unterschiedlich geregelt: Betreiber von Steinkohlekraftwerken können Gebote abgeben, um für die Stilllegung eine Entschädigung zu erhalten. Ab 2027, bzw. bei Unterzeichnung der Ausschreibungen auch schon ab 2024, sind gem. § 27 KVBG ordnungsrechtliche Stilllegungen vorgesehen (sog. gesetzliche Reduzierung der Steinkohleverstromung). Die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken erfolgt hingegen nach der in Anlage 2 KVBG gesetzlich festgelegten Stilllegungsreihenfolge. Als Entschädigung erhalten die Betreiber LEAG und RWE eine Zahlung von insgesamt 4,35 Milliarden EUR (§ 44 Abs. 1 S. 1 KVBG). Zur Zahlung dieser Entschädigung hat sich die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestags zusätzlich im Februar 2021 in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Braunkohlebetreibern verpflichtet („Öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland“, nachfolgend: Vertrag). Durch diesen Vertrag wird den Betreibern auf Kosten der eigentlich benötigten Flexibilität in der Klimapolitik eine starke Rechtsposition eingeräumt, denn anders als ein Gesetz kann der Vertrag nur mit der Zustimmung der Braunkohlebetreiber geändert werden. Für den Fall, dass es zu Beeinträchtigungen des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses kommt, werden den Betreibern besondere vertragliche Rechte zugesprochen, um dieses wieder herzustellen. Rechtlich gesehen wären im Rahmen des Kohleausstiegs keine Entschädigungen erforderlich gewesen. Dennoch sieht der Vertrag als eine Hauptleistungspflicht die Zahlung der Entschädigungen vor, die laut Angaben der Bundesregierung sowohl entgangene Gewinne und zusätzliche Tagebaufolgekosten ausgleichen soll. Wie sich die Beträge genau zusammensetzen hat die damalige Bundesregierung nie öffentlich nachvollziehbar dargelegt. Berechnungen zufolge sind sie um ca. 2 Milliarden Euro überhöht.

Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zu den Entschädigungen für Braunkohlebetreiber stehen unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung (§ 25 Abs. 1 Vertrag, Art. 10 Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze). Während die Europäische Kommission die in Ausschreibungen zu ermittelnden Zahlungen für die Steinkohlebetreiber genehmigt hat, hat sie an der Vereinbarkeit der Braunkohleentschädigungen mit dem EU-Beihilfenrecht erhebliche Zweifel geäußert und ein formelles Prüfverfahren eingeleitet. Insbesondere hat sie im Hinblick auf die Angemessenheit der Entschädigungssummen Bedenken geäußert, also ob sie auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sind.

Gem. § 54 Abs. 1 KVBG überprüft die Bundesregierung jeweils zum 15. August der Jahre 2022, 2026, 2029 sowie 2032, welche Auswirkungen der Kohleausstieg auf u.a. die Versorgungssicherheit und den Strompreis hat und welchen Beitrag er zur Erreichung der Klimaziele leistet. Dem Gesetz zufolge ist spätestens ab 2026 zu prüfen, ob die Stilllegungszeitpunkte auf 2035 vorgezogen werden können. Die Parteien der aktuellen Bundesregierung haben sich allerdings in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt, dass sie „den für 2026 im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritt bis spätestens Ende 2022 analog zum Gesetz vornehmen“. Anlässlich der damit in diesem Jahr anstehenden Prüfungen zum Kohleausstieg werden im Folgenden die Möglichkeiten für einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 erläutert.

1 Freiwillige bzw. marktbasierte Stilllegungen

Abhängig von der Entwicklung der Importpreise für fossile Brennstoffe, sowie der Preise für CO2– Zertifikate wird angenommen, dass die Wirtschaftlichkeit der Kohle derart abnehmen könnte, dass Betreiber ihre Anlagen marktgetrieben früher stilllegen. Auch die Bundesregierung spricht dem CO2– Preis im Strommarktdesign eine „zentrale Rolle” zu. Im Koalitionsvertrag ist außerdem der ETS- Mindestpreis und eine Stiftung, „die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert” genannt. Offen gelassen wurde aber, wie genau die Beschleunigung des Kohleausstiegs erreicht werden soll.

Früheren freiwilligen Stilllegungen stände rechtlich nichts im Wege. Für Braunkohlebetreiber würde sich gem. § 44 Abs. 3 KVBG bzw. § 10 Abs. 4 Vertrag eine frühere, freiwillige Stilllegung nicht auf ihren Entschädigungsanspruch nach § 44 Abs. 1 S. 1 KVBG auswirken. Für sie besteht daher nicht das Risiko, dass die Zahlungen verringert werden, wenn sie beispielsweise wegen des erhöhten Zertifikatspreises früher den Betrieb ihrer Kraftwerke einstellen als im KVBG vorgesehen. In § 21 Abs. 4 S. 2 lit. a Vertrag ist zudem explizit geregelt, dass Änderungen in Bezug auf bestehende oder künftige CO2-Bepreisungsmodelle nicht als “wesentliche Änderungen der Verhältnisse zu Lasten einer Vertragspartei“ gelten und daher keinen vertraglichen Anspruch auf Anpassung begründen.

Auch Steinkohlebetreibern stände es frei, ihre Kraftwerke bis 2030 stillzulegen, indem sie sich entweder bis 2026 an den Stilllegungsausschreibungen beteiligten oder ohne Zuschlag freiwillig stilllegten. Selbst wenn man grundsätzlich von einer hinreichenden Lenkungswirkung des Emissionshandels ausgeht, ist jedoch, insbesondere aufgrund der durch die hohen Gaspreise ausgelösten großen Nachfrage nach Energie aus anderen Quellen, zweifelhaft, dass die Betreiber diesen Weg beschreiten werden. Zugunsten der Planungs- und Rechtssicherheit sowie des Klimaschutzes empfehlen sich eine klare politische Entscheidung und die gesetzliche Verankerung des Kohleausstiegs jedenfalls bis 2035, wenn nicht sogar bis 2030.

2 Änderung des Gesetzes und ggf. des Vertrags
2.1 Vorziehen auf 2035 gem. den gesetzlichen Bestimmungen
Das KVBG in Kombination mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, der mit Braunkohlebetreibern geschlossen wurde, eröffnet die Möglichkeit, den Stilllegungspfad in begrenztem Maße vorzuziehen, ohne dass dadurch ein Anspruch auf zusätzliche Entschädigungen entsteht.

2.1.1 Braunkohle
Im Rahmen der Überprüfung nach §§ 54 Abs. 1, 56 S. 1 KVBG untersucht die Bundesregierung, ob Stilllegungen nach 2030 um drei Jahre, also bis Ende 2035, vorgezogen werden können. Darauf nimmt auch der öffentlich-rechtliche Vertrag Bezug. In § 22 Abs. 2 lit. a Vertrag heißt es weiter, dass das Vorziehen des Braunkohleausstiegs entschädigungslos möglich ist, wenn die Stilllegung fünf Jahre vor dem neuen Stilllegungszeitpunkt beschlossen wird.

2.1.2 Steinkohle
Für die Steinkohle gilt die Regelung des § 56 S. 1, 2 KVBG, nach der geprüft wird, ob Stilllegungen nach 2030 vorgezogen werden können und das Zielniveau nach § 4 KVBG entsprechend anzupassen ist. Anders als bei der Braunkohle werden aber keine weiteren Voraussetzungen aufgestellt, sodass ein früher angelegtes und umfassenderes Vorziehen der Stilllegungen ohne die Begründung von Ansprüchen beispielsweise auf Entschädigungen möglich erscheint. Insbesondere wurde über die Steinkohleanlagen auch kein Vertrag geschlossen, so dass die Betreiber hier keine entsprechende Rechtsposition haben.

2.2 Vorziehen auf 2030
Die Möglichkeit, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, ist nicht explizit im KVBG vorgesehen und würde eine Änderung oder Ergänzung sowohl des Gesetzes als auch des Vertrags erfordern.

2.2.1 Braunkohle Um den Braunkohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, bedürfte es der Änderung von u.a. §§ 2 Abs. 2, 4 KVBG, die die höchstens zugelassene Summe der Nettonennleistung in den Jahren 2022, 2030 und 2038 festlegen, sowie des Stilllegungspfades in Anlage 2 des KVBG.

Bei einem derartigen Vorziehen des Braunkohleausstiegs könnte ein Anspruch der Betreiber auf „angemessene Anpassung“ des Vertragsinhalts entstehen. Eine solche kann die betroffene Vertragspartei gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Vertrag im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse verlangen. Nach § 21 Abs. 1 lit. a Vertrag kann ein über die vorzeitige Stilllegung nach § 22 Abs. 2 Vertrag hinausgehendes Vorziehen der im Stilllegungspfad angegebenen Stilllegungszeitpunkte als eine solche „wesentliche Änderung“ qualifiziert werden kann. Der hieraus resultierende Anpassungsanspruch ist darauf gerichtet, die Vertragsäquivalenz unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls wiederherzustellen (§ 21 Abs. 2 S. 1 Vertrag). Dazu zählen insbesondere die vertragliche oder gesetzliche Lasten- und Risikoverteilung und die für die jeweilige Vertragspartei mit der wesentlichen Änderung einhergehenden entlastenden Entwicklungen.

Was genau dies bedeutet, lässt der Vertrag offen. Die Tatsache, dass die Zusammensetzung der bereits festgelegten Entschädigungssummen nicht nachvollziehbar ist, erschwert die sachgerechte Vertragsauslegung und Beurteilung über eine angemessene Anpassung. So birgt die Anpassung in Form der Vereinbarung zusätzlicher Entschädigungen das Risiko zusätzlicher Überkompensierungen. Politisch wären diese mit Blick auf die bereits festgelegten und überhöhten Beträge, die damit verbundenen beihilferechtlichen Bedenken und die Absichtserklärung dazu im Koalitionsvertrag nur schwer vertretbar. In prozeduraler Hinsicht verlangt § 21 Abs. 3 S. 1 Vertrag von den Parteien, über die Anpassung ernsthaft zu verhandeln. Gelingt auf diese Weise innerhalb von zwölf Monaten keine Vertragsanpassung, steht den Vertragsparteien diesbezüglich der Rechtsweg offen (§ 21 Abs. 3 S. 2 Vertrag).

Im Ergebnis könnte der Gesetzgeber also den Ausstieg aus der Braunkohle durch Änderung der gesetzlichen Regelungen auf 2030 vorziehen. Die Betreiber hätten dann in Hand, ob sie eine Anpassung des Vertrags im Sinne des § 21 Abs. 2 S. 1 verlangen und zusätzliche Forderungen aufstellen. Sie hätten aber auch die Möglichkeit, von ihrem Anspruch auf Anpassung keinen Gebrauch zu machen. Sollte die EU-Kommission feststellen, dass die bereits vereinbarten Entschädigungen für Braunkohlebetreiber nicht mit dem Beihilfenrecht vereinbar sind, könnte ohnehin eine Anpassung gem. § 21 Abs. 2 S. 2 Vertrag erforderlich sein. Eine endgültige Entscheidung darüber steht noch aus.

2.2.2 Steinkohle
Für den früheren Ausstieg aus der Steinkohle müssten die entsprechenden Regelungen wie §§ 4, 5, 6 KVBG geändert werden. Denkbar wäre, dass die Ausschreibungen, die bis 2026 vorgesehen sind, bis 2024 durchgeführt werden und der Zeitpunkt der gesetzlichen Reduzierungen – sprich der ordnungsrechtlichen Stilllegung der verbleibenden Kapazitäten – auf 2027 (bis 2030) vorverlegt wird. Dadurch wird, jedenfalls nach dem KVBG, kein Anspruch auf Entschädigungen begründet. Bei Bedarf könnten ggf. Ausschreibungsvolumina auch erhöht oder die Ausschreibungen um ein bis zwei Jahre verlängert werden. Die Bundesregierung hatte um „den Wettbewerbscharakter des Ausschreibungsverfahrens sicherzustellen“ die Ausschreibungsrunde, die ursprünglich für 2027 geplant war, zurückgenommen. Eine erneute Änderung dessen könnte mit zusätzlichen Kosten einhergehen, den Wettbewerbscharakter der Ausschreibungen in Frage stellen und ein beihilferechtliches Verfahren nach sich ziehen.

Verfassungsrechtlich wäre das gesetzliche Vorziehen der Stilllegungen als sog. Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentumsgrundrechts der Betreiber zu qualifizieren (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Diese lösen, im Gegensatz zur Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG, grundsätzlich keine Entschädigungspflicht aus. Beim Schaffen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind aber auch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes zu berücksichtigen.30 Dass das Vorziehen nur gegen eine (zusätzliche) Entschädigung verhältnismäßig wäre, ist angesichts des langen Planungshorizontes bis 2030 sowie der bereits 2021 erfolgten Ankündigung im Koalitionsvertrags zu bezweifeln, zumal kein Recht darauf besteht, von Neuregelungen verschont zu bleiben.

Fazit

Die Klimakrise erfordert einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2030. Damit dieser rechtssicher erfolgen kann, bedarf es so früh wie möglich einer gesetzlichen Verankerung des Ausstiegs bis mindestens 2035. Möglich ist auch den Kohleausstieg gesetzlich bis 2030 vorzuziehen, dies würde aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Neuverhandlungen oder Anpassungen des Vertrags mit den Braunkohlebetreibern zur Folge haben. Der Prozess zum Vorziehen des Kohleausstiegs sollte baldmöglich eingeleitet werden, um Planungs- und Rechtssicherheit zu gewährleisten und soweit wie möglich zusätzliche Entschädigungen zu vermeiden. Verzögerungen steigern insbesondere weiter das Risiko, dass die Rekultivierung von Tagebauflächen nicht durch die Betreiber finanziert werden kann. Diese bilden über Jahrzehnte Rückstellungen zur Deckung der Wiedernutzbarmachungskosten nach Tagebauende. Wird der Kohleausstieg vorgezogen, müssen diese Mittel früher zur Verfügung stehen, dh. die Finanzierungsplanung muss möglichst weit im Voraus angepasst werden.

Während das Vorziehen des Steinkohleausstiegs auf 2030 auch ohne zusätzlichen Kosten möglich wäre, besteht ein erhöhtes Risiko, dass Braunkohlebetreiber als Resultat von Verhandlungen zusätzliche Entschädigungen erhalten. Für die Verhandlungsposition der Bundesregierung wird von Bedeutung sein, inwieweit die gesetzlichen Fristen für das entschädigungslose Vorziehen nach dem derzeitigen KVBG bereits verstrichen sind, wie die Entscheidung der Europäischen Kommission über die Entschädigungen ausfällt, aber auch wie sich die Energiekrise und der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland entwickelt. Zu berücksichtigen wären außerdem auch Entlastungen wie die ersparten Kosten für umweltrechtliche erforderliche Nachrüstungen, von denen Betreiber bei einem früheren Kohleausstieg profitieren.

Für den Fall, dass sich die Bundesregierung für zusätzliche Zahlungen an Kohlebetreiber entscheidet, muss anders als beim KVBG transparent und nachvollziehbar dargelegt werden, wie diese sich zusammensetzen.

Eine Gefährdung der Versorgungssicherheit ist, wie zahlreiche Studien zeigen, durch einen Kohleausstieg bis 2030 nicht zu befürchten. Anlagen, die stillgelegt aber unter Umständen weiterhin für die Versorgung benötigt werden, können in die Reserve überführt werden. Dabei sind zahlreiche Möglichkeiten wie die Netzreserve oder für Braunkohlekraftwerke die sog. „zeitlich gestreckte Stilllegung“ nach § 50 KVBG vorgesehen. Die Anlagen laufen dann nicht mehr auf Volllast, sondern können bei Bedarf eingesetzt werden und stoßen dann deutlich weniger Emissionen aus. Zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sind zudem im kürzlich verabschiedeten Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz vorgesehen. Um den Weg für einen Kohleausstieg 2030 rechtssicher zu ebnen, sollte die Bundesregierung so früh wie möglich handeln und neben der rechtlichen Verankerung im KVBG den Ausbau erneuerbarer Energien sowie Maßnahmen zur Energieeinsparung voranbringen.

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