Klimakiller US-Flüssiggas?

LNG-Importe aus den USA in die EU fast verdreifacht

Laut EU-Kommission sind die weltweiten LNG-Exporte nach Europa seit März im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent gestiegen, nachdem die EU Sanktionen gegen Moskau verhängt hat. Der größte Teil davon kommt aus den USA. Im März erklärte sich Washington bereit, in diesem Jahr 15 Milliarden Kubikmeter zusätzliches LNG auf die EU-Märkte zu liefern – ein Ziel, das es nun wahrscheinlich noch übertreffen wird. Während die US-Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) nach Europa im Zuge des russischen Einmarsches in der Ukraine stark ansteigen, wachsen auch die Sorgen um die Auswirkungen auf das Klima, schreibt Nikolaus J. Kurmayer am 22.08.2022 auf EURACTIV.com.

Gasfackel in Katar – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Bis Juni 2022 exportierten die USA etwa 57 Milliarden Kubikmeter LNG, von denen 39 Mrd. m3 nach Europa gingen, wie aus den Ende-Juli veröffentlichten Daten von Refinitiv hervorgeht. „Die LNG-Exporte aus den Vereinigten Staaten in die Europäische Union haben sich fast verdreifacht“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juli. Der Anstieg der LNG-Importe aus den USA wirft jedoch auch Fragen zu deren Auswirkungen auf das Klima auf. Die Frage stellte sich bisher nicht, denn die Europäer haben amerikanisches LNG gemieden: Es war teuer und hatte einen schlechten Ruf.

Denn amerikanisches Gas wird zumeist durch Fracking gewonnen, eine Technologie, die in der EU aufgrund von Umweltbedenken weitgehend verboten ist. Außerdem benötigt amerikanisches LNG mehr Energie als russisches Pipeline-Gas, da es gekühlt und unter Druck gesetzt werden muss, bevor es über den Atlantik transportiert wird. So wurde der französische Energieversorger Engie 2020 aufgefordert, ein US-LNG-Importgeschäft aufzugeben. Das Projekt sei „nicht mit Frankreichs Klimazielen und Umweltvision in Einklang zu bringen“, so eine von Reuters zitierte französische Quelle.

Berlin steht dem US-Schiefergas ähnlich zurückhaltend gegenüber, auch wenn es im Moment kaum Alternativen zu russischen Importen hat. In Deutschland ist Fracking zudem nach wie vor verboten. „Es gibt andere Lieferanten, es muss nicht Amerika sein“, sagte der Vizekanzler Robert Habeck schon am 28.02.2022, wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Die EU werde „Erdgaslieferungen aus anderen Teilen der Welt“ importieren und „nicht das Fracking-Gas aus den USA“, sagte er damals vor Journalisten in Brüssel. Dennoch kündigte Habeck am 16.08.2022 die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit deutschen Energieversorgern an, um die LNG-Importkapazitäten des Landes bestmöglich zu nutzen.

Im Rahmen der Vereinbarung garantierten Uniper, RWE und EnBW, dass sie bis 2024 unabhängig von den Kosten LNG kaufen werden, um sicherzustellen, dass die deutschen Regasifizierungsterminals mit einer Jahreskapazität von 12,5 Milliarden Kubikmetern voll ausgelastet sind.

Doch es regt sich Unmut. Am 13. August wurde Luisa Neubauer, eine der prominentesten deutschen Klimaaktivistinnen, bei einer Demonstration in Hamburg, wo künftig LNG-Terminals gebaut werden sollen, mit blau-roten Schildern und der Aufschrift „F**K LNG“ gesehen.

US-Gas vs. russisches Gas

Wie wirkt sich nun aber US-LNG im Vergleich zu russischem Pipeline-Gas auf das Klima aus? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Fossiles Gas wird traditionell als klimafreundlichere Alternative zu Kohle angesehen, da es bei der Verbrennung zur Stromerzeugung etwa 50 Prozent weniger CO2 ausstößt (Volker Quaschning). Das Hauptproblem dabei sind vor der Verbrennung entstehende Lecks. Methan ist zwar eierseits ein extrem starkes Treibhausgas, das nach Angaben der US-Umweltschutzbehörde auf 100-Jahres-Basis 27- bis 30-mal stärker wirkt als CO2, aber mit neun (UBA: 12,4) Jahren Verweildauer nur einen Bruchteil der Zeit in der Atmosphäre verbleibt (siehe: solarify.eu/methan).

Die Messung von Lecks – und deren Auswirkungen auf das Klima – ist jedoch kein leichtes Unterfangen: „Es ist derzeit nicht möglich, die Emissionen von US-amerikanischem LNG mit denen von russischem Gas zu vergleichen, da es an Daten mangelt“, sagt Daniel Zavala, leitender Wissenschaftler beim Environmental Defense Fund (EDF) in den USA, einer grünen Kampagnengruppe. Während es „viele Fortschritte bei der Schätzung der Methanemissionen aus den US-Förderregionen“ gegeben habe, biete Russland nicht viel an „begrenzt transparenten, auf Messungen basierenden Daten“, erklärte er gegenüber EURACTIV.

In einer Analyse vom März 2022 kam der Umwelt-Think-tank Rocky Mountain Insitute (RMI) jedoch zu dem Schluss, dass die Klimabilanz von russischem Gas für Deutschland zwei- bis dreimal so groß sei wie die von US-amerikanischem und katarischem Gas. Die Berechnungen basierten allerdings auf der Annahme, dass russische Pipelines zwei Mal so undicht sind wie ihre US-amerikanischen Pendants.

Gazprom behauptet, dass die Lecks nahe null liegen, weil Methan in Russland als „giftige Substanz“ eingestuft werde. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2020 sagte Konstantin Romanov, Leiter der Abteilung für nachhaltiges Ressourcenmanagement bei Gazprom, die Methanemissionen beliefen sich auf 0,02 Prozent der geförderten, 0,29 Prozent des beförderten und 0,03 Prozent der unterirdisch gespeicherten Gasmengen. Auf der Grundlage von Messungen Dritter schätzen Forscher jedoch die russische Mindestleckagerate auf 2 Prozent – deutlich höher als die von Gazprom angegebene Rate. Dennoch ist auch die Erdgasförderung in den USA nicht leckfrei, wie Berichte über massive Methanlecks im Permian-Becken zeigen: Ganze 9 Prozent des Gases sollen dort in die Atmosphäre entweichen.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) sind 2021 in den USA infolge der Gasproduktion etwa 6.339.000 Tonnen Methan ausgetreten. In Russland hingegen ist von 5.039.000 Tonnen Methan die Rede – wobei die IEA darauf hinwies, dass die Satellitendaten nicht feinmaschig genug sind für eine abschließende Einschätzung. Da die USA mit 965 Mrd. m3 im Jahr 2021 im Vergleich zu 762 Mrd. m3 in Russland ein größerer Erdgasproduzent sind, sind diese Leckraten auf höheren Gasvolumen zu berücksichtigen. In einem kürzlich erschienenen Bericht von Greenpeace USA wurde einem US-Unternehmen vorgeworfen, ihre LNG-Ladungen durch kreative Zertifizierungen „grünzuwaschen.“ Klar beantworten lässt sich die Frage also nicht.

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