Älteste PV-Anlage Europas liefert seit 40 Jahren Strom

1982 ans Netz angeschlossen

Selbst nach 40 Jahren liegt die Leistung der besten Module noch innerhalb der Garantiebedingungen, so Mauro Caccivio, Leiter des Photovoltaiklabors der Tessiner Fachhochschule Supsi in einem Interview mit Energeia, dem Magazin des Schweizer Bundesamtes für Energie BFE am 11.08.2022. Die Zehn-Kilowatt-Anlage wurde 1982 auf dem Dach eines Gebäudes der Tessiner Fachhochschule in Lugano installiert. Die meisten Module erreichen noch immer einen hohen Wirkungsgrad.

Siemens-Interatom-PV-Modul, ebenfalls 40 Jahre alt – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Ticino Solare oder abgekürzt TISO-10 wurde auf dem Dach eines Fachhochschulgebäudes in der Nähe von Lugano installiert. Am 13. Mai 1982 lieferte die nach Süden ausgerichtete Anlage Strom ins Netz. Die installierte Leistung: 10 kWp – darum die „10“ im Namen. Das war für damals außergewöhnlich. Später wurden die Panels auf ein anderes Gebäude umgezogen.

Regelmäßig wurden Zustand, Beschaffenheit, Farbe und Leistung der Solarzellen kontrolliert und gemessen. Eine Untersuchung nach 35 Jahren Betrieb ergab, dass die Zellen Abnützungserscheinungen zeigen – Korrosion, verbrannte Stellen (Hot spots), Risse oder Defekte bei Verbindungskabeln. Doch: Die Mehrheit der Module funktionierte immer noch gut und lieferte über alles gesehen nach wie vor mindestens 80 Prozent der Leistung. Hersteller von Solarpanels garantieren in der Regel eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren.

Nach 40 Jahren sind die Spuren der Alterung bei einem Großteil der Module deutlich sichtbar. So treten häufig Probleme mit Hotspots auf, die durch eine nicht optimale Verbindung der Steckverbinder verursacht werden. Ebenso lösen sich die Backsheets. Dies ist laut Caccivio jedoch nicht bei allen Modulen der Fall. Sie stammten nämlich aus mindestens drei verschiedenen Produktionschargen und eine davon war besonders gut und langlebig. Der Direktor erklärte weiter, dass die verwendeten Module kleiner seien als die heutigen und zudem dickere Zellen enthielten. Dadurch seien sie sehr robust. Er fügte jedoch hinzu, dass sich seitdem die Prüf- und Zertifizierungsverfahren sowie das Wissen über die Materialien und ihre Alterung erheblich verbessert haben.

Zwar war es damals schon üblich, Photovoltaikmodule zur Versorgung von abgelegenen Berghütten zu verwenden. Aber eine für die damalige Zeit große Anlage mit Netzanschluss zu realisieren – das war Neuland, berichtet Mauro Caccivio: „Wenn man sich die Schwarz-Weiß-Fotos von damals anschaut und sich den technologischen Fortschritt vergegenwärtigt, der seither erzielt wurde, versteht man, wie visionär das Projekt war. TISO war für die spätere massive Verbreitung der Solarenergie bedeutend: Die Photovoltaik-Technologie war bereits zu Beginn ihrer industriellen Phase in der Lage, die für die Herstellung der Solarmodule benötigte Energie um ein Vielfaches ins Stromnetz zurückzuliefern. Dies ist entscheidend, um die Auswirkungen auf Umwelt und Natur so gering wie möglich zu halten, und dies gilt heute umso mehr, angesichts der enormen Weiterentwicklung, die wir erleben.

Laut Caccivio war der Anschluss ans Netz „eine echte Premiere: Eine so ‚riesige‘ Anlage, die in freistehenden Strukturen montiert und mit einem industriellen Ansatz an das Stromnetz angeschlossen wurde, hatte es in Europa noch nie gegeben. Zudem: 1982 waren Solarmodule noch kein Massenprodukt und daher teuer. Sie wurden hauptsächlich zur Energieversorgung von abgelegenen Chalets in den Bergen eingesetzt. Die Idee hinter dem TISO-Projekt bestand darin, die Entwicklung der Leistungen genau und konstant zu überwachen, was zu einer wichtigen Zusammenarbeit mit dem 50 km von Lugano entfernten European Joint Research Test Center führte. Diese Idee war die Geburtsstunde der Tessiner Solarforschung und ermöglichte es, das Labor für Photovoltaik an der SUPSI aufzubauen.“

Frühe Kreislaufwirtschaft: Der Preis pro Watt für die TISO-Module war 1982 100-mal höher als heute, die Solarzellen wurden aus dem Siliziumabfall der Elektronikindustrie hergestellt. Die Module hatten eine Leistung von 10kWp – das galt damals als außergewöhnlich. Heute sind die Panels viel leistungsfähiger.

Caccivio: „Die Panels wurden sorgfältig ausgewählt. ARCO Solar war der erste Hersteller, der 1982 in den Megawattbereich vorstieß, und seine Technologie erwies sich auch in den Vorversuchen als zuverlässig. Heute nähern wir uns weltweit der Terawatt-Skala. Die Leistung ist heute also eine Million Mal höher. Die damaligen Module stammten direkt aus der Raumfahrttechnik und hatten einen Wirkungsgrad von 10 Prozent. Der Rekordwirkungsgrad der heutigen Module liegt bei 25 Prozent. Weiterentwicklungen zeigen, dass ein Wirkungsgrad von 30 Prozent realistisch ist, wie bei den Solarzellenfeldern aus dem Weltraum.“

Zum Rückstand der Schweiz bei der Produktion von Solarzellen gegenüber China sagte Caccivio, die Schweiz könne Chinas Vosprung wieder aufholen: „Die Schweiz verfügt über das Know-how und die Erfahrung, um eine führende Rolle in der neuen Phase, in der die Industrie und die Produktion wieder in Europa angesiedelt sein werden, zu übernehmen (die Prognose sieht 20 GW lokale Produktion bis 2025 vor). Die Meyer Burger Gruppe mit Hauptsitz in Thun BE plant, die Produktion von PV-Panels in diesem Jahr auf 1,4 GW zu erhöhen und 2027 7 GW/Jahr zu produzieren. Mehrere Schweizer Unternehmen sind führend im Bereich gebäudeintegrierter Photovoltaik, um das jährliche Potenzial von 67 TWh Stromproduktion von Dächern und Fassaden zu nutzen. Und nicht zuletzt arbeitet die Forschung intensiv an neuen Entwicklungen, wobei die EPFL/CSEM kürzlich einen Rekordwirkungsgrad von über 30 % bei Silizium-Dünnschicht-Doppelschicht-Solarzellen erzielte.

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