„Privates Autofahren muss finanziell unattraktiv werden“

TU-Forschungsprojekt „Pull & Push – Gut & Böse“ will Verkehrswende anleiern – weg von der Subventionspolitik fürs Auto

Die Verkehrswende kommt nicht voran. In 30 Jahren, von 1990 bis 2020, wurden die CO2-Emissionen des Verkehrssektors laut Bundesumweltamt nur um zehn Prozent verringert. Lag der Treibhausgas-Ausstoß 1990 bei 164 Millionen Tonnen CO2, waren es 2020 immer noch 146 Mio. t. Erst am 26.08.2022 lehnte der Klimaexpertenrat den Notfallplan des Verkehrsministers als unzureichend ab. „Und dass die Bundesregierung ihr Ziel erreicht, die Emissionen des Verkehrssektor bis 2030 auf höchstens 85 Mio. t CO2 zu reduzieren, ist fraglich“, sagt Prof. Oliver Schwedes, Leiter des Fachgebietes Integrierte Verkehrsplanung der Technischen Universität Berlin laut einer Medienmitteilung vom 30.08.2022.

Verkehr in Berlin – Stau oder S-Bahn, eine Alternative – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Angesichts dieser Bilanz hat der Verkehrswissenschaftler das neue von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderte Projekt „Pull & Push – Gut und Böse“ initiiert. Das kümmere sich um einen der schwerstwiegenden Fehler deutscher Verkehrspolitik, die Parallelfinanzierung von ÖPNV und privatem Autoverkehr, die eine Verkehrswende verhindere. Schwedes: „Die zeitgleiche Einführung des 9-Euro-Tickets und des Tankrabattes war ein Klassiker falscher deutscher Verkehrspolitik. Aus welchem Grund sollte ein Autofahrer auf den ÖPNV umsteigen, wenn ihm gleichzeitig der Sprit subventioniert wird? Es gibt keinen“.

Mit der Parallelfinanzierung trete deutsche Verkehrspolitik seit Jahren auf der Stelle. Dahinter verberge sich fehlender Mut der Politik, die attraktiven Angeboten (Pull-Maßnahmen), die den Autofahrer zu Bahn und ÖPNV ziehen sollen, konsequent mit Verordnungen zu kombinieren, die ihm das Autofahren verleiden (Push-Maßnahmen) oder anders ausgedrückt, die das Autofahren finanziell unattraktiv machen. „Die Zeiten, in denen das Auto den Vorrang vor allen anderen Verkehrsmitteln hat, sind vorbei“, so der TU-Wissenschaftler. Bislang scheue sich die Politik, die Autofahrer mit dieser Wahrheit zu konfrontieren.

In der Wissenschaft besteht Konsens darüber, dass die attraktiven Angebote wie Umweltkarten und Taktverdichtungen von unattraktiven Maßnahmen wie City-Maut, Parkraumbewirtschaftung oder Bepreisung von Firmenparkplätzen flankiert werden müssen, damit Autofahrer das Auto stehen lassen und eine Verkehrswende möglich wird. „Leider ist diese Erkenntnis in der Politik noch nicht hinreichend angekommen und vielleicht muss sich die Wissenschaft auch selbst an die Nase fassen, es nicht überzeugend kommuniziert zu haben“, gibt sich Schwedes selbstkritisch.

Pendlerpauschale, Dieselsubventionierung und Dienstwagenprivileg abschaffen

Deshalb soll das Forschungsprojektes wissenschaftlich fundiert für die Politik untersuchen, welche Pull- und Push-Maßnahmen in Kombination den besten Effekt erzielen, aber auch diejenigen, die einander blockieren. „All das wollen wir zu Handlungsstrategien für die Politik zusammentragen als Grundlage für die Gestaltung einer nachhaltigen Verkehrspolitik, die sich am Klimawandel orientiert und nicht mehr am Wohl des Autofahrers.“ Das bedeutet für die Politik, so Schwedes, sich von der Subventionspolitik für das Auto zu verabschieden, also von der Pendlerpauschale, der Dieselsubventionierung und dem Dienstwagenprivileg.

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