Anders essen…

…um der Klimaziele willen

Nur mit massiven Umstellungen in der Landwirtschaft lassen sich die deutschen Klimaziele bis 2050 erreichen. Laut einer am 01.09.2022 in Sustainability Science open access publizierten Untersuchung des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg halten Stakeholder aus dem Agrarbereich diese Ziele grundsätzlich für erreichbar, allerdings nur, wenn die Bevölkerung ihre Ernährungsgewohnheiten ändert. Erstmals wurde berechnet, was die erwarteten Effekte für den Klimaschutz bringen würden. Demnach wäre eine Reduktion der landwirtschaftlichen Emissionen bis 2050 um mindestens zwei Drittel möglich.

Fleisch und Wurst – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Deutschland hat festgelegt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 zunächst um 65 Prozent zu verringern, die Landwirtschaft soll davon 36 Prozent übernehmen. Gleichzeitig sollen durch eine veränderte Nutzung von Weiden und Äckern bis 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen CO2 aus der Luft langfristig gespeichert werden. Die jetzt im Fachjournal Sustainability Science veröffentlichte Studie fragt an der Basis nach: Für wie realistisch halten Stakeholder-Gruppen außerhalb der Politik die geplanten Maßnahmen?

Livia Rasche von CLICCS und ihr Team führten eine Befragung von 25 Schlüsselinstitutionen aus Landwirtschaft und Ernährung durch. Diese lassen sich in drei Gruppen aufteilen: Bauernverbände (privater Sektor, 25%); Behörden, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (öffentlicher Sektor, 25%), landwirtschaftliche Institute (akademischer Sektor, 50%). Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ, die Studie bietet jedoch erstmals Einblick in die Erwartungen relevanter Expertengruppen außerhalb der Politik.

Was erwarten die Befragten, wie die Deutschen in Zukunft einkaufen werden? Wieviel Prozent weniger Fleisch, wieviel mehr Eier oder Hülsenfrüchte liegen 2050 im Einkaufskorb? Davon hängt ab, ob sich die CO2-Ziele in der Landwirtschaft erreichen lassen. Ebenso wurde nach der Produktivität in der Fleischindustrie und bei pflanzlichen Erzeugnissen gefragt, aber auch, um wieviel Prozent sich Lebensmittelabfälle bis 2050 realistisch reduzieren lassen.

Die Einschätzungen der Stakeholder wurden mit einem komplexen landwirtschaftlichen Modell ausgewertet und in zukünftige CO2-Emissionen umgerechnet. Demnach könnten die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft bis 2050 um mindestens zwei Drittel reduziert werden, von 66 Millionen Tonnen CO2 (-Äquivalente) auf 22 Millionen Tonnen CO2 und mehr. Gleichzeitig könnten naturnahe Flächen von heute 19 Prozent der Landesfläche auf 27 bis 32 Prozent zunehmen.

Alle Gruppen halten die beschlossenen Ziele für erreichbar, vorausgesetzt, die Bevölkerung stellt ihre Ernährung entsprechend um. Konkret wurde erwartet, dass die Deutschen 50 bis 60 Prozent weniger Fleisch essen und 20 Prozent mehr Gemüse konsumieren sowie insgesamt durchschnittlich weniger Kalorien zu sich nehmen. Im Gruppenvergleich hielten die Stakeholder aus dem akademischen und dem öffentlichen Sektor diese Entwicklung für deutlich wahrscheinlicher als die Bauernverbände.

Die Produktion von Fleisch erzeugt deutlich mehr CO2 als pflanzliche Nahrung. Hier würde viel CO2 eingespart. Gleichzeitig werden Weideflächen und Flächen für Futterpflanzen frei, wenn die Menschen ihren Fleischkonsum reduzieren. Diese könnten in Naturräume umgewandelt werden und so zusätzliches CO2 speichern.

Die Stakeholder-Gruppen

Für die Umfrage wurden 51 Organisationen aus den unten aufgeführten Bereichen angeschrieben und um Teilnahme gebeten. Das Team erhielt 25 Antworten. Rund die Hälfte der Befragten gab an, in einer wissenschaftlichen Einrichtung zu arbeiten, ein Viertel in einer Behörde und ein weiteres Viertel in einem Verein oder Verband des privaten Sektors.

Privater Sektor: Bauernverbände, Zentralverband Gartenbau, Naturland e.V., Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Meine Landwirtschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.(DGE), verschiedene Supermarktketten

Öffentlicher Sektor: Landwirtschaftskammern, Landwirtschaftsministerien der Bundesländer, Umweltbundesamt, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Akademischer Sektor: Forschungsinstitut biologischer Landbau (FiBL), Thünen-Institute für Agrarklimaschutz und Ökologischen Landbau, Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Agrarwissenschaftliche Institute der Uni Hohenheim, Uni Göttingen und TU München

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