LUT: Schnellerer Ausstieg aus konventioneller Energieerzeugung bis 2035 günstiger

Europa klimaneutral bis 2035 mit bis zu 4,5 Terawatt Photovoltaik ist günstiger als 2050-Ziel

Fossile Brennstoffe sind sehr teuer geworden. Angesichts dessen, haben Forschende der Lappeenranta-Lahti University of Technology (LUT) in Finnland (LUT) berechnet, dass ein schnellerer Ausstieg aus der konventionellen Energieerzeugung bis 2035 günstiger wäre, als – wie bisher geplant – die Klimaneutralität bis 2050 anzustreben.

PV-Anlage typical - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

PV-Anlage – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Mehr als vier Terawatt Photovoltaik brauche es, um bis 2035 in die Klimaneutralität zu kommen. Das ist günstiger als weiterhin teures Gas und Öl zukaufen. Es wäre günstiger das europäische Energiesystem bis 2035 in die Klimaneutralität zu führen, als damit bis 2050 zu warten. Zu diesen Erkenntnissen ist eine Gruppe Forschender der Lappeenranta-Lahti University of Technology (LUT) in Finnland gekommen. Sie haben im Auftrag der Europaparlamentsfraktion Grüne/EFA verschiedene Preisszenarien der europäischen Energiewende durchgespielt.

Jeder sieht es auf den Rechnungen für Strom und Gas. Die russische Invasion in die Ukraine hat die Kosten der europäischen Energieversorgung in die Höhe getrieben. Im Jahr 2025 soll das Energiesystem 70 Prozent teurer sein als 2020. Der Fehler, ist dass das Energiesystem zum einen stark zentralisiert ist und zum anderen auf den Import von preisvolatilen fossilen Brennstoffen basiert, so die Forschenden. Aktuell sieht die Europäischen Union vor, bis 2050 klimaneutral wirtschaften zu können. Dieser Pfad bildet das Referenzszenario in der Studie ab. Ziel war es herauszufinden, welche Kosten entstehen oder gespart werden können, wenn der Weg in die Klimaneutralität auf 2040 oder 2035 beschleunigt wird.

Sauber ist günstiger

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass ein ambitioniertes Szenario, in dem eine klimaneutrale Energieversorgung bereits 2035 erreicht wird, gerade einmal zehn bis zwölf Prozent mehr Kosten verursachen würde, als das europäische Energiesystem im Jahr 2020 benötigte. Um dahin zu kommen sind große Investitionen notwendig. Bis zum Ende der Dekade sollten die Mitgliedstaaten 2900 Milliarden Euro in erneuerbare Energie und entsprechende Infrastrukturen investieren.

Ließe Europa sich Zeit bis 2040 wären das nur 1500 Milliarden Euro, im Referenzszenario müsste die Europäer lediglich 1300 Milliarden Euro bis 2030 berappen. Auch in den Jahrzehnten danach wären enorme Investitionen fällig. Von 3,4 Billionen Euro im Referenzszenario reden die LUT-Forschenden, bis zu 5,2 Billionen Euro im Szenario 2035.

Trotz der hohen Investitionskosten würden die Gesamtsystemkosten im Rahmen und vor allem stabil bleiben. Bei den Stromgestehungskosten berechnete sie im Referenzszenario 73 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2030. Im beschleunigten Szenario 2035 sind es hingegen nur 52 Euro pro Megawattstunde.

Der LUT-Bericht

Während im Herzen Europas eine weitere nachteilige Auswirkung des Klimawandels in den Vordergrund gerückt ist, entwickelt sich in der ganzen Welt eine geopolitische Krise, die die Komplexität der Energiewende verdeutlicht. Energieversorgungssicherheit und Energieunabhängigkeit haben die künftigen Energieentscheidungen nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt geprägt. Europa hat den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung vorangetrieben und den Klimaschutz vorangebracht.

Die Energiewende hin zu einem höheren Anteil an erneuerbaren Energien ist in vielen europäischen Ländern bereits weit fortgeschritten, insbesondere im Stromsektor. Die Europäische Kommission hat mit dem Europäischen Green Deal eine langfristige Vision der Klimaneutralität ins Auge gefasst. Die sich verschärfenden Krisen, darunter die russische Invasion in der Ukraine, haben jedoch die Kosten für die europäische Wirtschaft, die mit einem zentralisierten Energiesystem verbunden sind, das in hohem Maße von importierten fossilen Brennstoffen abhängt, noch verdeutlicht. Vor diesem Hintergrund ist die Beschleunigung der Energiewende in der gesamten Europäischen Union (EU) von wesentlicher Bedeutung für die Verbesserung der Energiesicherheit, die Gewährleistung langfristiger Preisstabilität und die Eindämmung des Klimawandels.

Inmitten der aktuellen Unkenrufe besteht für Europa die langfristige Chance, mit einem beschleunigten Übergang zu einem hocheffizienten Energiesystem, das zu 100 % auf erneuerbaren Energien basiert, eine globale Führungsrolle einzunehmen, was nicht nur für seine Wirtschaft, sondern auch für andere Volkswirtschaften auf der ganzen Welt eine Reihe von Vorteilen mit sich bringen wird.
Diese von der Universität LUT durchgeführte und von den Grünen / der Freien Europäischen Allianz in Auftrag gegebene Forschungsstudie stellt eine erste technologieorientierte, sektorübergreifende, multiregionale und auf Kostenoptimierung basierende Analyse der Energiewendepfade für die EU und ihre Mitgliedstaaten vor. Die Energiewendepfade für die EU werden in drei verschiedenen Szenarien erforscht: REFERENZ-Szenario (REF-Szenario): eine langsamere Energiewende im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 des aktuellen Green Deal.

  • Szenario ERNEUERBARES ENERGIESYSTEM – 2040 (RES-2040): eine beschleunigte Energiewende hin zu einem hocheffizienten und zu 100 % auf erneuerbaren Energien basierenden integrierten Energiesystem in der Europäischen Union bis 2040.
  • Szenario ERNEUERBARES ENERGIESYSTEM – 2035 (RES-2035): eine rasche Energiewende im nächsten Jahrzehnt, die bis 2035 zu einem hocheffizienten und zu 100 % auf erneuerbaren Energien basierenden integrierten Energiesystem in der gesamten Europäischen Union führt.

In dieser Studie wird ein technisch-wirtschaftliches Konzept vorgestellt, das kostenoptimale Wege für die Umstellung der Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie auf ein integriertes, effizientes und nachhaltiges Energiesystem in der gesamten EU aufzeigt, das mittel- bis langfristig, von 2035 bis 2050, in Europa eingebettet ist.

Großer Gewinner: Photovoltaik

Der Technologien, die bei der Dekarbonisierung zum Einsatz kommen sollen, sind divers, aber Photovoltaik und Windkraft sollen in allen drei Ausbauszenarien die wichtigsten Säulen des Energiesystems bilden. Der Grund dafür liegt in der technologischen Verfügbarkeit und in den geringen Kosten beider Technologien. Je nachdem wie schnell der Weg in die Klimaneutralität bestritten werden soll, werden in Europa zwischen 3 und 4,5 Terawatt Photovoltaik zugebaut, schätzen die Forschenden.

Das ist deutlich mehr als bei der Windkraft. Hier würden wohl 800 bis 1000 Gigawatt an neuer Windkraftleistung hinzukommen. Das zeigt sich auch am Anteil des Stromverbrauchs. So würde 2050 etwa 50 bis 54 Prozent des Stroms aus der Photovoltaik kommen. Zehn Prozent über dem Anteil den die Windkraftanlagen leisten werden.

Neben den Eckpunkten für den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft und den geschätzten Kosten, enthält die Studie (hier auf Englisch zum Nachlesen) auch noch detaillierte Pläne zu dem Gebrauch von Wärmepumpen und den Einsatz von grünem Wasserstoff, beziehungsweise Folgeprodukte wie Ammoniak und Methanol.

->Quellen: