Endbericht Gaskommission – Stimmen

Die von der Bundesregierung eingesetzten Experten schlagen zweistufige Entlastung vor

Im Kampf gegen die hohen Gaspreise hat die Expertenkommission am 10.10.2022 laut tagesschau.de und weiteren Medienberichten ein zweistufiges Entlastungsverfahren vorgeschlagen: Gas- und Fernwärmekunden sollen in zwei Schritten entlastet werden. Der Staat soll den Ausgleich im Dezember komplett übernehmen. Die Abschläge für Industrie und Kraftwerke zur Stromerzeugung übernimmt der Staat nicht. In einem zweiten Schritt soll ab Anfang März 2023 bis mindestens Ende April 2024 eine Gas- und Wärmepreisbremse greifen.

Gas – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Diese sieht einen staatlich garantierten Bruttopreis inklusive aller auch staatlich veranlassten Preisbestandteile von 12 ct/kWh für eine Grundmenge von 80 Prozent des Verbrauchs vor, welcher der Abschlagszahlung für September 2022 zugrunde lag. Oberhalb dieses Kontingents sollen Marktpreise gelten. Der Verbrauch für Fernwärmekunden soll mittels einer Wärmepreisbremse begrenzt werden. Analog zum Gaspreis soll es hier einen garantierten Bruttopreis von 9,5 ct/kWh Fernwärme geben, auch hier wieder für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Verbrauchs.

Die Bundesregierung kündigte an, die Vorschläge der Expertenkommission zur Gaspreisbremse zügig zu prüfen und die Umsetzung zu beraten. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die Kommission habe trotz des engen Zeitplans eine sehr gute Grundlage erarbeitet. „Unser Ziel ist klar: Die hohen Gaspreise zu senken und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten“, sagte Hebestreit. Dazu gehöre auch der sorgsame Umgang mit dem knappen Gas. Welche Vorschläge die Regierung in die Tat umsetzen werde, sei offen. Es sei unter anderem eine europarechtliche Prüfung nötig, sagte Hebestreit. Wichtig sei es, dass die beiden Energiepreisbremsen für Gas und Strom „zusammengedacht“ würden. Bis zu den Länderberatungen am Ende der kommenden Woche sollten die verantwortlichen Ministerien über den Stand der Umsetzung berichten, kündigte Hebestreit an.

Die Gaskommission will in ihrem Abschlussbericht, der in drei Wochen erwartet wird, weitere Vorschläge machen. Es solle vor allem darum gehen, das Gasangebot auszuweiten und die Nachfrage nach Gas zu senken, sagten die Mitglieder der Expertenkommission. Auch sollten Missbrauchsrisiken minimiert und Details verfeinert werden.

Reaktionen auf Gaspreisbremse

Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change:

„Drei Risiken gibt es bei dem ansonsten guten Vorschlag der Gaskommission: Erstens, dass in Deutschland weiterhin zu wenig Gas gespart wird, zweitens, dass die Haushalte zu wenig entlastet werden, und drittens, dass die anderen europäischen Mitgliedsstaaten ihre Subventionen für den Gasverbrauch nicht zurückfahren, weil Deutschland zu wenig spart. Letzteres mit dem Risiko, dass der Emissionsdeckel im europäischen Emissionshandel gelockert wird, um den weiteren Anstieg des Strompreises und damit auch des CO2-Preises zu verhindern.

Die Gaskommission hat unter einem gewaltigen Zeitdruck und unter großer Unsicherheit einen Vorschlag vorgelegt, der schnell umsetzbar sein musste. Dieser Vorschlag sollte aus klima- und energieökonomischer Sicht drei Kriterien genügen:

  • Es sollten ausreichend Anreize zur Einsparung von Gas für Haushalte und Industrie geschaffen werden.
  • Haushalte und Industrie sollten schnell entlastet werden können.
  • Angesichts der Unsicherheit, ob die Anreize und die Entlastung ausreichend sind, sollten jetzt schon Instrumente für das Nachsteuern vorgeschlagen werden.

Die Kommission versucht, diesen Kriterien Rechnung zu tragen. So schlägt die Kommission vor, dass Haushalte einen Grundverbrauch zu einem verbilligten Preis erhalten, für den darüberhinausgehenden Bedarf müssen sie den Marktpreis bezahlen. Daher bleibt für diesen Zusatzbedarf der Anreiz zur Einsparung erhalten. Für die Haushalte wird im Dezember die Abschlagszahlung durch den Staat übernommen, ab März erhalten Haushalte eine Rückerstattung, die einen Anreiz zur zusätzlichen Einsparung bietet. Aber nur wenn die Haushalte den Mechanismus ausreichend verstehen und sich rational verhalten. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass Verbraucher auf vergleichbare Tarifstrukturen in der Regel nicht rational reagieren. Daher besteht ein hohes Risiko, dass die Einsparungen nicht ausreichen.

Der Industrie wird ein physisches Gaskontingent zugestanden, das Firmen auf dem Markt handeln können; dadurch ist ein Anreiz zur Einsparung gegeben. Für die Umsetzung dieses Vorschlages müssen erhebliche administrative Hürden überwunden werden.

Entscheidend wird sein, wie glaubwürdig die europäischen Nachbarn die Anstrengungen Deutschlands zur Einsparung von Gas bewerten. Kann Deutschland den Gasverbrauch nicht ausreichend senken, werden die Gaspreise in Europa weiter steigen und für die anderen Mitgliedsstaaten weiterhin Anreize schaffen für ihre Bevölkerung den Gasverbrauch zu subventionieren. Steigende Gaspreise setzen aber auch die Funktionsfähigkeit des Emissionshandels unter Druck, weil steigende Gaspreise auch den CO2 Preis ansteigen lassen. Damit steigt das Risiko, dass die Emissionsobergrenze gelockert wird.

Daher ist es entscheidend, dass es Instrumente der Nachsteuerung gibt. So muss die administrative Möglichkeit geschaffen werden, Haushalten eine Direktzahlung zu überweisen; auch sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass Haushalte und Industrie eine Prämie für die Gaseinsparung bezahlt wird, sollte sich herausstellen, dass zu wenig gespart wird. Die Gaskommission hat nur erste Ansätze skizziert, hier sind Nachbesserungen und Konkretisierungen notwendig.“

Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:

„Mit den Zwischenergebnissen besteht für die Politik die Chance, schnelle, wirksame und umsetzbare Entlastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft umzusetzen. Bereits im Dezember ist damit für die Haushalte eine erste zusätzliche Entlastung möglich. Es ist gut, dass die Kommission hier auf komplizierte Modelle verzichtet hat. Wichtig ist auch, dass die Fernwärme-Kundinnen und Kunden berücksichtigt werden sollen. Richtig ist, dass die Energieversorger die ausfallenden Dezember-Zahlungen direkt über eine staatliche Stelle erstattet bekommen. So wird die Liquidität der Unternehmen, die sich ohnehin in einer sehr angespannten finanziellen Lage befinden, geschont. Richtig ist auch, dass die Umsetzung kosteneffizient erfolgen kann und auf umständliche Formen und Fristen verzichtet werden soll.

Die Branche hat sich in den vergangenen Monaten sehr intensiv dafür eingesetzt, dass die Kunden bei den außergewöhnlich hohen Preisen kurzfristig entlastet werden. Dies gelingt nur mit einfach umsetzbaren und kurzfristig möglichen Maßnahmen. Es ist gut, dass die Vorschläge der Kommission dies klar berücksichtigen.

Die Politik ist jetzt aufgerufen, schnell einfach umsetzbare gesetzliche Regelungen zu verabschieden. Klar ist aber auch: Das Thema Energiesparen wird weiterhin sehr wichtig sein. Trotz aller richtigen und notwendigen staatlichen Unterstützung: Ein hundertprozentiger Ausgleich der Belastungen wird angesichts der historischen Dimensionen, in denen wir uns mit Blick auf die Energie-Kosten bewegen, leider nicht möglich sein. Es bleibt deshalb für die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wichtig, so viel Energie wie möglich einzusparen. Die Energiewirtschaft wird seine Kunden dabei wo es geht unterstützen.“

Lutz Weischer, Germanwatch: 

„In der Energiepreiskrise brauchen von Energiearmut bedrohte Haushalte und wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen schnelle Entlastung. Was die Gaskommission jetzt aber vorschlägt, soll mit der Gießkanne an alle verteilt werden– ob arm oder reich, ob konkursbedroht oder profitabel. Das ist hochproblematisch. Es wäre sozial- und energiepolitisch sinnvoller, nicht die Preise zu drücken, sondern stattdessen bedürftige Verbraucher und Unternehmen mit Direktzahlungen zu unterstützen. Es rächt sich, dass für solche Direktzahlungen an Bürgerinnen immer noch kein Auszahlungsmechanismus vorhanden ist. Die Bundesregierung sollte als Teil des Schutzschirms jetzt endlich einen Auszahlungsmechanismus entwickeln und die mittelfristigen Entlastungen sobald wie möglich in den kommenden Monaten auf Direktzahlungen umstellen. Die Bundesregierung muss die Zukunftsinvestitionen jetzt angehen, wenn sie den geplanten Schutzschirm ausgestaltet. Für jeden Euro, der in kurzfristige Entlastungen fließt, brauchen wir einen Euro für Zukunftsinvestitionen, die die Wurzeln des Problems bekämpfen. Die vorgeschlagenen Entlastungen für große Industriekunden müssen an verbindliche Bedingungen für Energieeinsparungen und verbesserte Effizienz geknüpft werden. Gerade wenn das Preissignal für Einsparungen abgeschwächt wird, sind verbindliche gesetzliche Rahmensetzungen umso wichtiger.“

Martin Bornholdt, geschäftsführender Vorstand der DENEFF:

“Wenn es nicht gelingt, die Verbrauchswende durch strukturelle Investitionen in energieeffizientere Gebäude, Anlagen und Infrastruktur einzuleiten, droht eine Verschärfung der Mangellage und im nächsten Jahr muss das nächste sogenannte Entlastungspaket verabschiedet werden, das von unseren Kindern abbezahlt werden muss. Kurzfristige Entlastungen für vulnerable Gruppen sind wichtig für den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit. Sie lösen aber das Problem nicht. Das geht nur, wenn wir in die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten investieren.”

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing:

„Das war keine leichte Aufgabe: Schnelligkeit, Sparanreize und gerechte Lösungen mussten unter einen Hut gebracht werden und das buchstäblich in Windeseile übers Wochenende. Der Kommission ist das gelungen. Auf der Habenseite steht: es wurde ein Konzept mit Spielarten, aber am Ende für alle Verbraucher gefunden – vom Privathaushalt über den Mittelständler bis zum Industriebetrieb. Richtigerweise wurden alle Fernwärmekunden einbezogen. Ab dem Frühjahr soll dann ein Modell gelten, dass per Rabatt eine bedarfsgerechte Mindestentlastung unterschiedlicher Haushaltsgrößen und Endkunden sicherstellt. Da der nötige soziale Ausgleich nicht über eine Energiepreisgestaltung erreicht werden kann, ist es sachgerecht, die staatliche Energiepreisbremse steuerrechtlich anzurechnen und so für den sozialen Ausgleich zu sorgen.

Die Kommission befürwortet außerdem flankierende Maßnahmen, wie sie in der Vergangenheit auch der VKU gefordert hat. Dazu zählen: ein Hilfsfonds für Mieterinnen und Mieter sowie für Vermieterinnen und Vermieter und die bereits angekündigte Wohngeldreform sowie in der Perspektive auch ein System staatlicher Direktzahlungen nach Bedürftigkeit. Hinzukommen Härtefallregelungen und weitere effizienzfördernde Maßnahmen auch für den gewerblich-industriellen Bereich. Natürlich erzeugen die unterschiedlichen Schritte und zielgruppenabhängigen Entlastungen für die Energieversorger beträchtlichen Aufwand. Abrechnungsverfahren und die zugehörige IT müssen darauf eingestellt werden. Das trauen sich die Stadtwerke aber zu. Sie sind bereit, ihren Teil zur Umsetzung und zum Gelingen beizutragen.

Es muss sichergestellt werden, dass die staatliche Leistung rechtzeitig bei den Versorgern ankommt. Die Stadtwerke können z.B. nicht die Einmalzahlung des Dezemberabschlages vorfinanzieren: Das wären rd. 8% des Jahresumsatzes und würde die ohnehin schon angespannte Liquidität der Stadtwerke zusätzlich beeinträchtigen. “

BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter:

„Es ist richtig und wichtig, dass angesichts drastischer Gaspreissteigerungen schnell für eine Entlastung von Haushalten und Unternehmen gesorgt wird. Aber: die Krise der fossilen Gase muss grundsätzlich überwunden werden. Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen dürfen nicht in trügerische Sicherheit gewogen werden, dass Erdgas wie bislang zur Verfügung stehe. Neben konsequenter Gaseinsparung muss die Energiewende auch im Wärme- und Industriesektor nun konsequent umgesetzt werden. Der Erneuerbare Wärmeturbo garantiert den vollständigen Ausstieg aus der fossilen Gaskrise“, ist sich BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter sicher.
Die fossile Energiekrise schüre die Preisespirale, der perspektivisch nur mit Erneuerbaren Wärmelösungen zu begegnen sei. „Nur Erneuerbare Energien sichern nachhaltig die Versorgung, stabile Preise und die Einhaltung der Klimaziele. Dies gilt für grüne Gase ebenso wie für die Wärmepumpe, die Solar- und Geothermie und Holz oder Pellets. Für jede Anwendung ist die passende Lösung vorhanden,“ so Peter. Der BEE habe sich mit einem Maßnahmenpapier und einem dringenden Appell an die Politik gewendet, um die Wärmewende nun in den Fokus zu nehmen.

Bei der Ausgestaltung der Vorschläge der Gaskommission seien zudem negative Rückwirkungen und Fehlanreize auf den Strommarkt zu vermeiden, da sie die Krise sonst noch verschärfen könnten. Hier sei auch der europäische Binnenmarkt zu berücksichtigen. Ebenso stelle sich die Frage, wie das bisherige „Einpreissystem“ (ein Preis für jeden Verbrauch, egal wann und egal wieviel) organisatorisch und technisch in ein „Mehrpreissystem“ (zwei Preise, die über einen Bezug zum Verbrauch des Vorjahres bei jedem Kunden bei unterschiedlichen Energiemengen aktiviert werden) überführt werde. Zudem sei offen, was bei einem Versorgerwechsel im Zeitraum des Kompensationsmodell passiere. „Es braucht jetzt Sicherheit für die Kundinnen und Kunden, keine neue Verunsicherung“, so Peter abschließend.

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Den Schutz von Grundbedürfnissen an Energie hätte die Expertenkommission stärker gewichten müssen. Ein lebensnotwendiges Grundkontingent an Strom und Gas sollte vollständig bezahlbar sein. Gleichzeitig müssen die Preise für darüber hinausgehende Verbräuche stark steigen. Damit könnte auch die Entlastung für die Befriedigung von Grundbedürfnissen gegenfinanziert und der Staatshaushalt entlastet werden. Werden Vorjahresverbräuche als Grundlage für die Gaspreisbremse herangezogen, muss außerdem der Grenzwert bei sehr hohen Verbräuchen strenger angelegt werden. Das ist notwendig, um die Subvention von Luxusverbräuchen zu verhindern und um Menschen, die bereits früher sehr sparsam gelebt haben, nicht zu benachteiligen.
Dennoch: Die Gaskommission hat grundsätzlich die richtigen Prioritäten zur Ausgestaltung einer Gaspreisbremse gesetzt. Schnelligkeit, Wirksamkeit, und Einsparanreize und die Beschleunigung der Transformation sind dringend gefragt, um eine passende staatliche Antwort auf die Energieversorgungskrise zu definieren. Über die Details muss aber weitergesprochen werden. Mit der neuen Normalität an den Energiemärkten werden viele Haushalte zu kämpfen haben, deswegen muss die Gaspreisbreme aufzeigen, wie eine verlässliche soziale Absicherung des Energieverbrauchs aussehen kann. Die Politik muss die Vorschläge der Expertenkommission nun nachjustieren und eine klare Botschaft für eine bezahlbare Grundversorgung und gleichzeitig ein Ende der Energieverschwendung senden. Für die Industrie müssen dringend flankierende Maßnahmen, wie ein Effizienzgesetz mit verbindlichen Sektorzielen, auf den Weg gebracht werden, damit sie den Einsparanforderungen gerecht wird.“

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