Esa will im Weltall Solarstrom erzeugen

Als ergänzende Energiequelle auf Weg zur Dekarbonisierung von großem Nutzen

Die europäische Weltraumorganisation Esa erwägt derzeit, im Weltall Solarstrom zu erzeugen und in Form von Mikrowellen zur Erde zu übertragen (siehe: solarify.eu/2022/09/12/997-lesehinweis-koennten-wir-solarenergie-aus-dem-weltall-beziehen). Im November will der ESA-Ministerrat entscheiden, ob intensiver an einer Technik geforscht werden soll, mit der sich im Weltraum Solarenergie gewinnen lässt. Die ESA hat Anfang 2022 zwei unabhängige Kosten-Nutzen-Studien zur weltraumgestützten Solarenergie für den terrestrischen Energiebedarf bei Frazer-Nash in Großbritannien und Roland Berger in Deutschland in Auftrag gegeben.

Deutscher Umweltsatellit EnMAP – Grafik © DLR CC BY-NC-ND 3.0

Die Untersuchungen sollten die ESA und ihre Mitgliedstaaten mit den notwendigen technischen und programmatischen Informationen über die Machbarkeit und das Potenzial der weltraumgestützten Solarenergie versorgen, um umweltverträgliche, erschwingliche und saubere Energie für Europa bereitzustellen, damit es seinen wachsenden Energiebedarf decken kann und das Netto-Null-Ziel für 2050 erreicht.

SBSP (space-based solar power)-Technologien befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung. Die ESA hatte sich seit 2006 nicht mehr ernsthaft mit dem Thema befasst. Daher rief das Discovery-Programm der ESA kürzlich dazu auf, Ideen zu entwickeln, die eine Antwort auf die Frage geben: Wie kann man eine große Menge an Sonnenenergie in eine nützliche Form umwandeln und sie so effizient wie möglich auf die Erde oder eine andere Planetenoberfläche strahlen? Diese Frage ist hochaktuell. Seit der COP26 wird viel über technische Lösungen zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen und zur Erreichung von Netto-Null diskutiert. In der Zwischenzeit ist der Zugang zum Weltraum einfacher, billiger und nachhaltiger geworden, was eine der größten Hürden auf dem Weg zur SBSP abbaut.

Die Untersuchungen wurden im August 2022 abgeschlossen und kamen beide zu dem Schluss, dass:

  • SBSP könnte die europäischen Haushalte und Unternehmen bis 2040 zu wettbewerbsfähigen Preisen mit Strom versorgen, fossile Energiequellen ersetzen und die vorhandenen erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Windkraft ergänzen, wodurch sich der Bedarf an groß angelegten Speicherlösungen verringert.
  • Wenn sie in großem Maßstab eingesetzt wird, würde die SBSP erhebliche ökologische, wirtschaftliche und strategische Vorteile für Europa bringen, einschließlich der Energiesicherheit.
  • Es sind noch viele anspruchsvolle technologische Entwicklungen erforderlich, um die Machbarkeit der Sammlung von Gigawatt Energie im Weltraum per Satellit und deren effiziente und sichere Lieferung an die Nutzer auf der Erde zu erreichen. Europa verfügt jedoch bereits über die wichtigsten Bausteine, und die Entwicklungen in den erforderlichen Technologiebereichen werden sowohl auf der Erde als auch im Weltraum breite Anwendung finden.
  • Wenn Europa rechtzeitig von dieser bahnbrechenden Fähigkeit profitieren soll, um etwas für das Klima zu bewirken, sind jetzt Sensibilisierungsmaßnahmen, insbesondere im Energiesektor und bei den Behörden, sowie weitere Investitionen in die technologische Forschung und Entwicklung erforderlich.

Die weltraumgestützte Solarenergie scheint als ergänzende Energiequelle neben den Erneuerbaren Energien an Land auf unserem Weg zur Dekarbonisierung von großem Nutzen zu sein. Sie birgt jedoch auch viele Herausforderungen, sowohl technischer als auch nichttechnischer Art, die angegangen werden müssen, um genügend Vertrauen zu schaffen, bevor im Jahr 2025 eine Entscheidung über ein umfassendes Entwicklungsprogramm getroffen wird. Um die technische Machbarkeit und die Kosten der weltraumgestützten Solarenergie weiter zu untersuchen und zu verstehen, schlägt die ESA daher ein neues kleines, aber bedeutendes Programm namens SOLARIS vor, das zwischen 2023 und 2025 durchgeführt werden soll. Die Ergebnisse von SOLARIS werden es Europa dann ermöglichen, im Jahr 2025 eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob es diese Fähigkeit weiter verfolgen will oder nicht.

Auch die USA, China und Japan erforschen schon länger ein solches Verfahren. Nur galt die Energiegewinnung im Weltraum lange Zeit als zu teuer und technisch schwierig. Es war bisher unwahrscheinlich, dass wirklich eine Solarstation im All errichtet würde. Durch Entwicklungen der vergangenen Jahre glauben nun jedoch immer mehr Experten und Expertinnen an die Umsetzbarkeit eines solchen Projekts. Auch wenn es nach wie vor technische Hürden gibt.

Um Sonnenenergie aus dem Weltraum zu nutzen, müssten Satelliten mit Solarpanels in den geostationären Erdorbit (GEO) gebracht werden, eine Umlaufbahn auf Höhe des Äquators in etwa 36.000 Kilometern Entfernung zu unserem Planeten. Sonnenstrahlung im geostationären Orbit einzufangen hat zwei Vorteile: Anders als Solarstationen auf der Erde würden Satelliten in dieser Umlaufbahn fast 24 Stunden lang von der Sonne bestrahlt. Zudem ist die Sonnenstrahlung im Weltall stärker als auf der Erde.

Die Energie, die von den Satelliten eingefangen wird, müsste in einer Weltraumsolaranlage in Mikrowellen umgewandelt werden. Diese Mikrowellen sollen dann zur Erde geschickt und dort von Solarpanels oder Antennen eingefangen werden.

Um für die Industrie oder Privathaushalte nutzbar zu werden, müssen die Mikrowellen auf der Erde in einem letzten Schritt erneut in Elektrizität umgewandelt werden. Der Energietransfer aus dem Weltraum zur Erde gehört zu den Schwächen des Modells. Obwohl die Energieausbeute im All eigentlich größer ist, ginge ein großer Teil davon durch die Umwandlungsprozesse und beim Transport verloren, was das Verfahren wieder weniger effizient macht.

Geschätzt 418 Milliarden Euro Kosten

Wie aus einer Machbarkeitsstudie hervorgeht, die die Esa beim Unternehmen Frazer-Nash in Auftrag gegeben hatte, gibt es noch ein weiteres Problem: Es würden viel zu viele Weltraumflüge nötig, um die benötigte Technik ins All zu bringen. Um nur einen Satelliten mit Solaranlage ins Weltall zu schießen, würde es derzeit vier bis sechs Jahre dauern. Es müssten aber mindestens 21 und bis zu 54 Anlagen entstehen, damit es sich lohnt, die Solarenergie aus dem Weltraum zu nutzen. Um die größtmögliche Strommenge zu liefern, müsste die Zahl der Weltraumflüge um das 200-Fache erhöht werden, so Frazer-Nash. Daher seien „erhebliche Investitionen in neue Weltraumtransportstandorte und Trägerraketen erforderlich“. Frazer-Nash bringt dabei den Bau eines neuen „europaeigenen“ Raumfahrtzentrums ins Spiel. Insgesamt sei bei einem Ausbau der Technologie mit einem Bedarf an Hunderten oder sogar Tausenden Raketenstarts pro Jahr zu rechnen.

In der Studie von Frazer-Nash wurden auch die Kosten für die Installation der Solaranlagen geschätzt. Rund 15,7 Millionen Euro werden dabei für ein 18 Jahre dauerndes Entwicklungsprogramm und die Entwicklung eines Prototypen veranschlagt. Weitere 9,8 Milliarden Euro kämen dann für die erste voll funktionsfähige Station hinzu sowie 3,5 Milliarden jährliche Betriebskosten. Je mehr Anlagen installiert würden, desto niedriger wäre der Preis pro Anlage. Die Gesamtkosten für 54 Satelliten, die bis zum Jahr 2070 ins All geschossen werden könnten, schätzt das Unternehmen auf 418 Milliarden Euro. Die Energieausbeute könnte dann bei bis zu 800 Terawattstunden (TWh) pro Jahr liegen. Das wäre mehr als der jährliche Energieverbrauch von Deutschland, dieser lag laut Bundesumweltamt im vergangenen Jahr bei 565 TWh.

->Quellen: