Mehr Gips-Recycling, keine neuen Abbaugebiete

Für den Schutz wichtiger Ökosysteme fordern die Verbände daher u.a. den Einsatz von mehr Recyclinggips

Im Gipskarstgürtel im südlichen Harz wird seit 100 Jahren Gips abgebaut. Die Karstlandschaft Südharz war bisher davon ausgeschlossen, doch das könnte sich ändern. In der unberührten Naturlandschaft sollen Probebohrungen das Potenzial erkunden. Mehrere Verbände warnen vor der Ausweitung des Gipsabbaus im Südharz. Stattdessen fordern sie von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck eine verbindliche Rohstoffstrategie für einen kreislaufgerechten Einsatz von Gips, wie Petra Franke für energiezukunft recherchiert hat.

Questenberg liegt in der Gipskarstlandschaft Unterharz, der Karstwanderweg führt hier entlang – Foto © DGuendel auf Wikimedia, CC BY 4.0

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Grüne Liga und der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VdHK) beziehen sich auf Aktivitäten der Gipsindustrie, die den durch den Kohleausstieg bedingten Wegfall von Gipsen aus der Rauchgasentschwefelung durch zusätzlichen Abbau in Naturräumen ausgleichen will. Auch die Karstlandschaft Südharz, ein Biosphärenreservat von weltweiter Bedeutung, ist gefährdet.

Dabei ließen sich Materialengpässe auch ohne Raubbau an der Natur vermeiden. Für den Schutz wichtiger Ökosysteme fordern die Verbände daher den Einsatz von mehr Recyclinggips, die Erschließung weiterer Sekundärgipsquellen, einen Exportstopp für Naturgips, und einen effizienteren Einsatz und die Verwendung von Ersatzstoffen.

„Es ist völlig inakzeptabel, dass über den Abbau von Gips in weltweit einzigartigen Naturlandschaften wie dem Südharzer Gipskarstgebiet diskutiert wird, obwohl noch nicht einmal ansatzweise alternative Gipsquellen erschlossen worden sind. Länder wie Dänemark oder die Niederlande recyceln bereits 40 Prozent der Gipskartonplatten. Hierzulande sind es jämmerliche fünf Prozent der gesamten Gipsabfälle, die recycelt werden“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Um das zu ändern, müsse das Gipsrecycling politisch gefördert werden, indem die selektive Rückbau- und Recyclingfähigkeit von Gipsprodukten verpflichtend gemacht werde. Weitere potentielle Sekundärgipsquellen wie etwa Phosphorgipse müssten erschlossen, Effizienzstandards für Gipsprodukte festgelegt, der Naturgipsexport gestoppt und der Einsatz alternativer Baustoffe, wie zum Beispiel Holz, vorangebracht werden.

Dass die Industrie nicht vor dem Gipsabbau in Naturschutzgebieten Halt macht, zeige die Firma Knauf. Dieses Unternehmen führe derzeit mit Politik und Verwaltung in Sachsen-Anhalt Gespräche zur Erlaubnis von Probebohrungen im dortigen Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz. Große Teile des weltweit einzigartigen Gipskarstgürtels in Deutschland würden bereits abgebaut oder wurden dazu ausgewiesen. Das Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz sei das größte bislang unberührte Gebiet, warnen die Verbände.

Der Südharzer Gipskarstgürtel zieht sich durch die Bundesländer Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Aus Sicht der Höhlen- und Karstkunde ist es das weltweit bedeutendste Gebiet dieser Art. Es erfüllt mit seinen Geo- und Biotopen, insbesondere den Karsterscheinungen und den Kalkbuchenwäldern, die Kriterien eines UNESCO-Welterbegebiets. Nur ein Teil des Gebiets steht bisher unter Naturschutz. „Seine weitere Teilzerstörung durch den Gipsabbau ist nicht notwendig, weil es genügend technische Gipse auf dem Markt gibt“, sagt die Vorsitzende des VdHK Bärbel Vogel.

Gipsabbau in Naturräumen verursache irreversible Schäden. Neben der geologischen Einzigartigkeit seien die größten Flächen der durch Gipsabbau zerstörten Biotope im Südharz natürliche klimastabile Laubwaldlebensräume, die in ihrer Artenvielfalt nicht wiederherstellbar seien, so Vogel weiter.

In dem offenen Brief liefern die Verbände weitere Argumente: Gips weist hervorragende Eigenschaften für ein Recycling auf, etwa durch eine hohe Stoffreinheit in den Gipsprodukten – so kann Gips problemlos häufig im Kreislauf geführt werden. In Deutschland werden jedoch lediglich rund 5 Prozent der Gipsabfälle recycelt. In vielen anderen Ländern ist die Recyclingquote deutlich höher, wie etwa in Dänemark oder in den Niederlanden. Hier lag die Recyclingquote 2012 von Gipskartonplatten bereits bei 60 bzw. 40 Prozent. Ein Grund hierfür ist, dass in Deutschland fast ausnahmslos Gips aus Industrieabfällen oder Verschnitt zurückgewonnen wird, jedoch nicht Gips aus Bauabfällen. Echter Recyclinggips aus bereits verwendeten Bauplatten oder Komponenten wird jedoch nur geringfügig zurückgewonnen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass ein Gipsrecycling derzeit noch mit hohen Kosten verbunden ist bzw. der Recyclinggips im Vergleich zu REA- und Naturgips deutlich teurer ist.

Die Kapazitäten der in Deutschland bereits vorhanden Gipsrecyclinganlagen werden nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft. In 2018 lagen sie bei etwa 10 Prozent und sollten dringend vollständig ausgelastet und bei steigender Nachfrage ausgebaut werden. pf

Das Koordinationszentrum Natur und Umwelt e.V. dokumentiert die Folgen des Gipsabbaus im Südharz.

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