PV-Anlagen ab 01.01.2023 MWSt-frei

Bundestag hat Jahressteuergesetz beschlossen – Kleinanlagenbetreiber werden von Einkommensteuer befreit

Das am 02.12.2022 beschlossene Jahressteuergesetz 2022 enthält erstmals drei wesentliche Änderungen für die Photovoltaik: Bei der Umsatzsteuer wird ein neuer Steuersatz mit null Prozent eingeführt, der vielen Käufern künftig praktisch eine Anschaffung ohne Mehrwertsteuer ermöglicht. Die Betreiber kleiner PV-Anlagen werden von der Einkommensteuer befreit; das gilt sowohl für neue wie bestehende Anlagen. Das Steuerberatungsgesetz wird so geändert, dass Lohnsteuerhilfevereine künftig die Einkommensteuererklärung auch für die Betreiber von PV-Anlagen erstellen dürfen, wenn sie von der Einkommensteuerbefreiung betroffen sind. Thomas Seltmann fasste auf pv magazine zusammen.

Neues Steuerrecht für Photovoltaik-Anlagen: Null Prozent MWSt – sinnvoll oder Bürokratie?

Dach-PV-Anlage in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Mit den neuen Regeln wird ein Großteil der steuerlichen Probleme bei kleinen PV-Anlagen gelöst und die Steuerbürokratie bei diesen Anlagen weitgehend abgeschafft. Gerade in der Übergangszeit werden die neuen Regeln aber noch viele Anwendungsfragen aufwerfen. So sorgte, seit die Pläne bekannt wurden, vor allem die Umsatzsteuer für zahlreiche Fragen. Gewöhnungsbedürftig ist der neu eingeführte Steuersatz für Photovoltaik-Anlagen von null Prozent, den es im deutschen Steuerrecht bisher nicht gibt. Möglich wird dieser durch eine erst kürzlich geschaffene Regelung in der europäischen Umsatzsteuerrichtlinie und Deutschland ist hier Vorreiter in der Umsetzung.

Formal handelt es sich nicht um eine Umsatzsteuerbefreiung beim Verkauf einer Photovoltaik-Anlage, sondern der Lieferant oder Installateur stellt dem Kunden den Nettopreis „zuzüglich 0 Prozent Umsatzsteuer“ in Rechnung. Eine Umsatzsteuerbefreiung hätte nämlich zur Folge, dass der Installationsbetrieb seinerseits beim Kauf der Komponenten die Vorsteuer nicht vom Finanzamt verrechnet bekäme und somit teurer einkaufen müsste. Die jetzt gefundene Regelung mit dem Nullsteuersatz ermöglicht dagegen die übliche Vorsteuererstattung in der gesamten Lieferkette. Erst in der Rechnung an den Endanwender wird der Nullsteuersatz angewandt.

Die neuen Photovoltaik-Steuerregeln im Überblick

  1. Umsatzsteuersatz null
    • Lieferung und Installation von Photovoltaik-Anlage mit dem notwendigen Zubehör und Speicher
    • Anlagen auf Wohngebäuden, öffentlichen Gebäuden und Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden
    • Größe der Anlage nicht begrenzt, aber Vereinfachungsregel: Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn max. 30 kWp Anlagenleistung
    • Lieferungen und Installationen ab 1.1.2023
    • Neuer Absatz 3 in § 12 Umsatzsteuergesetz UStG 2. Einkommensteuer-Befreiung
  2. Einkommensteuer-Befreiung
    • Einkünfte (und Entnahmen) beim Betreiben von Photovoltaik-Anlagen sind von der Einkommensteuer befreit
    • Anzuwenden für Anlagen bis 30 kWp Leistung auf Einfamilienhäusern (und anderen Gebäuden), bei Mehrfamilienhäusern 15 kWp je Wohn- und Gewerbeeinheit
    • Insgesamt maximal 100 kWp pro Steuerperson
    • Nicht nur neue Anlagen, sondern alle auch bestehenden Anlagen und Steuerpersonen bei denen die Kriterien erfüllt sind
    • Abschreibungen und Kosten können nicht mehr geltend gemacht werden
    • Regelung gilt rückwirkend schon für das Steuerjahr 2022, also auch für die Steuererklärung für dieses Jahr
    • Keine Änderung der Steuerbescheide für die Steuerjahre bis 2021 (anders als bei der bisherigen Liebhabereiregelung)
    • Liebhabereiregelung nach BMF-Schreiben entfällt künftig
    • Neue Nummer 72 in § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
  3. Lohnsteuerhilfevereine
    • Beratungsbefugnis künftig auch für die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen, wenn deren Einkünfte von der Einkommensteuer befreit sind
    • Anwendbar ab dem Steuerjahr 2022
    • Weiterhin keine Befugnis zum Erstellen einer Umsatzsteuererklärung

Nullsteuersatz auch für Batteriespeicher

Laut Gesetzentwurf soll die Lieferung und Installation von PV-Anlagen beim Betreiber der Anlage dem Nullsteuersatz unterliegen, wobei alle für den Betrieb der Anlage notwendigen Komponenten begünstigt werden. Fraglich ist derzeit noch, ob die Ladestation für das E-Auto, das Energiemanagementsystem und die Erneuerung des Zählerschrankes wie sie in vielen Fällen von Netzbetreibern bei der Anmeldung einer neuen Anlage gefordert werden, dazu gehören. Das Gerüst, das für die Montage der Anlage nötig ist, sollte aber mit dem Nullsteuersatz abzurechnen sein, wenn es in der Rechnung für die PV-Anlage enthalten ist.

Für diese und weiteren Praxisfragen wird die Finanzverwaltung nach Inkrafttreten des Gesetzes noch einmal ausführliche Hinweise geben müssen. Wie beispielsweise auch zu der Frage, in welchen Fällen der Nullsteuersatz anzuwenden ist. Im Gesetzentwurf ist nämlich von Anlagen „auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden“ die Rede.

Wie „in der Nähe“ auszulegen ist und wie „öffentliche Gebäude“ und „Gebäude die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden“, definiert werden, ergibt sich aus dem Wortlaut und der Begründung des Gesetzes nicht. Wenigstens muss man sich darüber keine Gedanken machen, wenn die Anlagenleistung nicht mehr als 30 Kilowatt beträgt. Bei Anlagen bis zu dieser Grenze kann grundsätzlich mit dem Umsatzsteuersatz null abgerechnet werden.

Verantwortung verlagert auf Photovoltaik-Fachbetriebe

Für die Praxis bedeutet dies bei Anlagen größer als 30 Kilowatt, dass Verkäufer oder Installateur diese Voraussetzungen prüfen müssen, um den richtigen Steuersatz – 19 oder null Prozent – anzuwenden, denn der Aussteller der Rechnung ist für die korrekte Deklaration und gegebenenfalls Zahlung der Umsatzsteuer ans Finanzamt verantwortlich, nicht der Anlagenbetreiber. So verschiebt sich der umsatzsteuerliche Teil der Steuerfragen bei PV-Anlagen von den Betreibern zu den Lieferanten und die Fachbetriebe sind gut beraten, sich mit diesem Thema zu befassen.

Hintergrund der Einführung des Nullsteuersatzes für PV-Anlagen ist die Tatsache, dass private Betreiber häufig zur Umsatzsteuerpflicht optieren, um die beim Kauf der Anlage bezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückzuerhalten. Dieser ganz legale Steuertrick des Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung in der Umsatzsteuer führt bei den Steuerpflichtigen ebenso wie bei den Finanzämtern zu umfangreicher Bürokratie, Aufwand und Kosten. Nicht selten führt es auch zu kostspieligen Fehlern, wenn beispielsweise vergessen wird, dem Netzbetreiber die Umsatzsteuerpflicht oder den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung mitzuteilen, was sogar zu ungewollter Steuerhinterziehung führen kann.

Unterschiede zwischen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer im neuen Photovoltaik-Steuerrecht

Einkommensteuer Umsatzsteuer
Betroffene Anlagen Bestehende und neue Anlagen, auch Ü20-Anlagen, ab Steuerjahr 2022 Nur Neuanlagen oder Nachrüstung wesentlicher Komponenten und Speicher, Lieferung oder Fertigstellung ab 1.1.2023,
Steuerbefreiung Einnahmen und Entnahmen aus der Erzeugung und Weitergabe oder dem privaten Eigenverbrauch des Solarstroms Umsatzsteuersatz null beim Kauf der Anlage bzw. der notwendigen Komponenten (auch Speicher)
Betroffene Anlagen Wohngebäude,
bis 30 kWp alle Gebäudearten
Wohngebäude, öffentliche Gebäude, Gebäude für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten
Anlagengröße Bis 30 kWp (EFH) bzw. 15 kWp je Einheit im MFH, max. 100 kWp je Steuerperson Keine Größenbegrenzung, Vereinfachung bis 30 kWp
Einkünfte aus der Weitergabe des Solarstroms steuerfrei Ja Nein (falls Betreiber umsatzsteuerpflichtig)

Aktuelle Fragen und erste Antworten

Damit der Nullsteuersatz angewandt werden kann, darf die Lieferung und/oder Installation erst ab dem 1.1.2023 abgeschlossen sein. Wenn eine Lieferung und Installation vereinbart wurde, sollte deshalb die Anlage erst im neuen Jahr in fertiggestellt und in Betrieb genommen werden, damit der Lieferant den Nullsteuersatz anwenden darf.

Die Nachrüstung eines Speichers bei einer bestehenden Anlage wird voraussichtlich mit dem Nullsteuersatz in Rechnung gestellt werden können. Das gleiche gilt für den Austausch wesentlicher Komponenten in bestehenden Anlagen (Solarmodule, Wechselrichter) ab 2023.

Die Mehrwertsteuer für eine bereits gekaufte Anlage kann vom Finanzamt nicht erstattet werden, denn es handelt sich beim Nullsteuersatz nicht um eine Erstattungsmöglichkeit für bezahlten Umsatzsteuer, sondern um einen Steuersatz, der bei Abrechnung der Lieferung oder Installation anzuwenden ist. Falls der Fachbetrieb aber für eine Anlage, die erst 2023 fertiggestellt wird, fälschlicherweise zunächst mit 19 Prozent abrechnet, kann er diese Rechnung korrigieren.

Wenn die Lieferung und Installation der Anlage tatsächlich erst im Jahr 2023 abgeschlossen wird, ist der Nullsteuersatz für den Gesamtbetrag abzurechnen. Anzahlungen aus dem Jahr 2022 wurden richtigerweise noch mit 19 Prozent in Rechnung gestellt. Der Fachbetrieb rechnet in der Schlussrechnung gegenüber dem Kunden den Gesamtpreis der Anlage mit dem Nullsteuersatz ab. Dabei werden die zuvor bezahlten Anzahlungen einschließlich Umsatzsteuer abgezogen. So zahlt der Kunde nur den Nettobetrag. Der Fachbetrieb korrigiert die Umsatzsteuer aus den Anzahlungen gegenüber dem Finanzamt und erhält die bereits abgeführte Umsatzsteuer aus den Anzahlungsrechnungen auf diese Weise zurück.

Der Nullsteuersatz gilt für die Anschaffung und Installation der Anlage und wesentlicher Komponenten – nicht für die Lieferung von Strom, den die Anlage erzeugt. Stromlieferungen sind weiterhin mit 19 Prozent Umsatzsteuer abzurechnen, falls der Verkäufer umsatzsteuerpflichtig ist. Kann er die Kleinunternehmerregelung wählen und tut das, fällt keine Umsatzsteuer bei der Stromlieferung an.

Man kann vom Nullsteuersatz profitieren und gleichzeitig die Handwerkerleistung bei der Einkommensteuer geltend machen, weil das Umsatzsteuerrecht nicht mit dem Einkommensteuerrecht verknüpft ist.

Autor Thomas Seltmann dankt diesen Steuerfachleuten für ihre wertvollen Hinweise bei der Recherche dieses Beitrags: Laura Neugebauer (Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München), Oliver Zugmaier und  Atanas Mateev (Kanzlei KMLZ, München) und Stefan Mücke (Kanzlei BVWM, Kleinwallstadt).

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