Schon auf der frü­hen an­oxi­schen Erde ent­stan­den

Eine Mi­kro­be, die Stick­stoff auf­bricht, wäh­rend sie Me­than bil­det

Koh­len­stoff und Stick­stoff sind die Grund­bau­stei­ne des Le­bens. Man­che Or­ga­nis­men spie­len eine ent­schei­den­de Rol­le für den Kreis­lauf bei­der Ele­men­te. Ein­bli­cke in eine „hei­ße” Mi­kro­be, die Stick­stoff zum Wach­sen nutzt und wäh­rend­des­. sen Me­than er­zeugt, haben Forschende des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (mpi-bremen) am 21.11.2022 zufolge open access in ASM Journals/mBio publiziert; sie kultivierten erfolgreich einen Mikroorganismus, der gleichzeitig Stickstoff (N2) fixiert sowie Methan (CH4) und Ammoniak (NH3) produziert und deckten spannende Details seines Stoffwechsels auf.

Mittelmeer – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Batch-Kulturen von Methanothermococcus thermolithotrophicus etwa ermöglichten es, verschiedene Wachstumsbedingungen ganz ohne Sauerstoff genau zu testen. Hin­ter dem kom­pli­zier­ten Na­men ver­birgt sich eine kom­pli­zier­te Mi­kro­be. M. thermolithotrophicus ist ther­mo­phil – sie be­vor­zugt Tem­pe­ra­tu­ren um 65°C – und ge­hört zu den Me­tha­no­ge­nen, den me­than­bil­den­den Mi­kro­ben. Sie lebt im Mee­res­bo­den, in san­di­gen Strän­den eben­so wie in Salz­mar­schen und in der Tief­see. Mit Hil­fe von Was­ser­stoff (H2) wan­delt sie Stick­stoff (N2) und Koh­len­di­oxid (CO2) in Am­mo­ni­ak (NH3) und Me­than (CH4) um. Bei­de End­pro­duk­te, Am­mo­ni­ak und Me­than, sind sehr in­ter­es­sant für bio­tech­no­lo­gi­sche An­wen­dun­gen in der Dün­ge­mit­tel- und Bio­sprit­pro­duk­ti­on.

Tris­tan Wag­ner und Ne­ve­na Mas­la? (mpi-bremen) ist es nun ge­lun­gen, die­se Mi­kro­be in ei­nem Fer­men­ter zu züch­ten – eine gro­ße Her­aus­for­de­rung. „Es ist sehr kom­pli­ziert, die op­ti­ma­len Be­din­gun­gen zu schaf­fen, da­mit M. thermolithotrophicus wächst und ge­deiht, wäh­rend es Stick­stoff fi­xiert. Es braucht hohe Tem­pe­ra­tu­ren, kei­nen Sau­er­stoff und man muss den Ge­halt an Was­ser­stoff und Koh­len­di­oxid sehr ge­nau im Blick be­hal­ten“, sagt Mas­la?, die die­se Stu­die im Rah­men ih­rer Dok­tor­ar­beit durch­ge­führt hat. „Aber mit Ein­falls­reich­tum und Aus­dau­er ist es uns ge­lun­gen, dass die Mi­kro­be in un­se­rem La­bor nicht nur ge­wach­sen ist, son­dern so­gar die höchs­te bis­her be­kann­te Zell­dich­te er­reicht hat.“ So­bald die Kul­tu­ren am Lau­fen wa­ren, konn­ten die For­schen­den die Phy­sio­lo­gie der Mi­kro­be im De­tail un­ter­su­chen und an­schlie­ßend un­ter­su­chen, wie sich der Stoff­wech­sel der Mi­kro­be an die N2-Fi­xie­rung an­passt. „In en­ger Zu­sam­men­ar­beit mit Chand­ni Sid­hu und Han­no Tee­ling, eben­falls For­schen­de am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut, kom­bi­nier­ten wir phy­sio­lo­gi­sche Tests und dif­fe­ren­ti­el­le Tran­skrip­to­mik und konn­ten den Stoff­wech­sel von M. thermolithotrophicus da­durch ganz ge­nau un­ter­su­chen“, er­klärt Mas­la.

„Das thermophile anaerobe Archaeon M. thermolithotrophicus ist ein besonders geeigneter Modellorganismus zur Untersuchung der Kopplung von Methanogenese und Diazotrophie. Auch seine Fähigkeit, gleichzeitig N2 und CO2 mit H2 zu NH3 und CH4 zu reduzieren, macht ihn zu einem geeigneten Ziel für die Biokraftstoffproduktion.“ (Abstract aus mbio)

So un­wahr­schein­lich wie eine Hum­mel

Der Stoff­wech­sel von M. thermolithotrophicus ist fas­zi­nie­rend: Die­se Mi­kro­be ge­winnt En­er­gie mit­tels Me­tha­no­ge­ne­se, die schon auf der frü­hen an­oxi­schen Erde ent­stan­den ist. Ver­gli­chen mit uns Men­schen, die Sau­er­stoff zur Um­wand­lung von Glu­ko­se in Koh­len­di­oxid nut­zen, ge­win­nen Me­tha­no­ge­ne nur sehr we­nig En­er­gie aus der Me­tha­no­ge­ne­se. Da­bei braucht die Stick­stoff­fi­xie­rung gi­gan­ti­sche Men­gen an En­er­gie, die die Mi­kro­be ei­gent­lich gar nicht lie­fern kann. „Sie sind ein biss­chen wie Hum­meln, die theo­re­tisch zu schwer zum Flie­gen sind, es aber of­fen­sicht­lich trotz­dem tun“, sagt Tris­tan Wag­ner, Grup­pen­lei­ter der Max-Planck-For­schungs­grup­pe Mi­kro­bi­el­le Me­ta­bo­lis­men. „Trotz die­ser En­er­gie­knapp­heit sind die­se fas­zi­nie­ren­den Mi­kro­ben so­gar die Haupt­stick­stoff­fi­xie­rer in man­chen Le­bens­räu­men.“

Eine wi­der­stands­fä­hi­ge Ni­tro­ge­na­se

Das En­zym, mit dem Le­be­we­sen Stick­stoff fi­xie­ren, ist die Ni­tro­ge­na­se. Die meis­ten Ni­tro­ge­na­sen brau­chen Mo­lyb­dän, um die Re­ak­ti­on durch­zu­füh­ren. Über die Mo­lyb­dän-Ni­tro­ge­na­se gibt es be­reits zahl­rei­che Stu­di­en, weil es sie auch in sym­bi­on­ti­schen Bak­te­ri­en in Pflan­zen­wur­zeln gibt. Die­se Ni­tro­ge­na­se wird durch Wolf­ramat ge­hemmt. Über­ra­schen­der­wei­se ist das bei M. thermolithotrophicus an­ders: Mas­l? und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ent­deck­ten, dass de­ren stick­stoff­ba­sier­tes Wachs­tum nicht durch Wolf­ramat ge­stört wird. „Un­se­re Mi­kro­be war bei der Stick­stoff­fi­xie­rung al­lei­ne von Mo­lyb­dän ab­hän­gig und küm­mer­te sich nicht um das Wolf­ramat. Das lässt ver­mu­ten, dass die Mi­kro­be ein an­ge­pass­tes Sys­tem der Me­tall­auf­nah­me hat, was sie noch at­trak­ti­ver für mög­li­che tech­no­lo­gi­sche Nut­zun­gen macht“, so Mas­la?.

Am­mo­niak­pro­duk­ti­on neu den­ken

Stick­stoff­fi­xie­rung, also die Ge­win­nung von Stick­stoff aus N2, ist der Haupt­weg, auf dem Stick­stoff in den bio­lo­gi­schen Kreis­lauf ge­langt. Für die in­dus­tri­el­le Dün­ge­mit­tel­pro­duk­ti­on wird die­ser Pro­zess durch das Ha­ber-Bosch-Ver­fah­ren er­mög­licht, bei dem Stick­stoff künst­lich fi­xiert wird, um un­ter ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren und Drü­cken mit Was­ser­stoff Am­mo­ni­ak zu er­zeu­gen. So er­folgt der al­ler­größ­te Teil der glo­ba­len Pro­duk­ti­on von Am­mo­ni­ak, das als Dün­ge­mit­tel für die welt­wei­te Land­wirt­schaft un­er­läss­lich ist.

Das Ha­ber-Bosch-Ver­fah­ren braucht sehr viel En­er­gie: Es ver­braucht, 2% der welt­wei­ten En­er­gie­pro­duk­ti­on und ist gleich­zei­tig ver­ant­wort­lich für bis zu 1,4 % der glo­ba­len Koh­len­stoff­emis­sio­nen. Da­her braucht es un­be­dingt nach­hal­ti­ge­re Al­ter­na­ti­ven der Am­mo­niak­pro­duk­ti­on. „Der von M. thermolithotrophicus ge­wähl­te Weg zeigt klar, dass es da drau­ßen in der Welt der Mi­kro­ben Lö­sun­gen für eine ef­fi­zi­en­te­re Am­mo­niak­pro­duk­ti­on ge­ben kann, wo­mög­lich so­gar in Kom­bi­na­ti­on mit ei­ner Pro­duk­ti­on des Bio­kraft­stoffs Me­than”, so Wag­ner. „Un­se­re Stu­die hat ge­zeigt, dass die­ser Me­tha­no­ge­nen un­ter stick­stoff­fi­xie­ren­den Be­din­gun­gen ihre ei­ge­ne Pro­te­in­pro­duk­ti­on zu­guns­ten der Stick­stoff­bin­dung op­fern, eine be­son­ders schlaue Stra­te­gie der En­er­gie­um­ver­tei­lung“, fasst Wag­ner zu­sam­men. „Als Nächs­tes wer­den wir die mo­le­ku­la­ren Fein­hei­ten des Pro­zes­ses und der be­tei­lig­ten En­zy­me ge­nau­er er­for­schen und auch an­de­re As­pek­te des Stoff­wech­sels die­ser Mi­kro­be un­ter die Lupe neh­men.“

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