ARL-Kommentar zum „Wind-an-Land-Gesetz“

Stellungnahme zu den gesetzlichen Neuregelungen für die Windenergieplanung

Am 28.07.2022 ist das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land („Wind-an-Land-Gesetz“) verkündet worden. Dessen Regelungen zur planerischen Ausweisung von Standorten für Windenergieanlagen verändern die Planungsverfahren grundsätzlich. Weil damit (auch über den engeren Anwendungsbereich hinaus) erhebliche Folgen für den Stellenwert der Raumordnung insgesamt verbunden sind, erreichen die Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) aktuell zahlreiche Anfragen zum Wind-an-Land-Gesetz und den darin enthaltenen Änderungen bestehender Gesetze, insbesondere des Baugesetzbuchs. Einige am 07.12.2022 veröffentlichte Kommentare zu den umfangreichen Novellierungen, die zum Teil erst in den nächsten Jahren in vollem Umfang wirksam werden:

Bau eines Windgenerators in der Lausitz – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

  • „Klare gesetzliche Grundlagen einschließlich konkreter und gut begründeter Flächenvorgaben sind wegen der Dringlichkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien unverzichtbar. In diesem Sinne begrüßt das Präsidium der ARL ausdrücklich die Initiative des Bundes zur Bereinigung der bisherigen Rechtslage. Diese ist komplex und hochgradig durch Gerichtsurteile geprägt, so dass es selbst für leistungsfähige kommunale und regionale Planungsträger in den letzten Jahren kaum noch möglich war, gerichtsfeste Pläne zu erstellen.
  • Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) enthält die Zielvorgabe für das Jahr 2032, dass 2 % des Bundesgebiets für Windenergie bereitgestellt werden. Aus diesem Wert werden im Wind-an-Land-Gesetz konkrete, rein quantitativ angesetzte Flächenbeitragswerte für die Länder abgeleitet. Das jetzt auf Landesebene anstehende „Herunterbrechen“ des jeweiligen länderspezifischen Wertes auf Teilräume muss deren raumstrukturellen Besonderheiten Rechnung tragen. Aus einzelnen Bundesländern bekannt gewordene Überlegungen, das Landes-Flächenziel unverändert an die Regionen weiterzureichen, sind dort nicht nachvollziehbar, wo die Regionen erhebliche Unterschiede bezüglich der Topographie und der Siedlungsdichte aufweisen und Flächen für andere politische Zielsetzungen (z. B. die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum) bereitzustellen haben.
  • Durch die künftig geltenden Regelungen bei Nichterreichen der Flächenziele werden die Länder, im operativen Bereich aber insbesondere die regionalen Planungsträger erheblich unter Druck gesetzt. Die ARL weist ausdrücklich darauf hin, dass die Regionalplanung bereits bisher in vielen Regionen Wegbereiter und Treiber des Ausbaus der Windenergie war, was häufig nur gegen erhebliche Widerstände von Kommunen, Fachplanungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen möglich war. Ein weiterer wesentlicher Grund für die Verzögerungen auf der Ebene der Regionalplanung waren umfangreiche Gerichtsverfahren, z. T. über mehrere Instanzen, mit überraschenden und kaum erfüllbaren Anforderungen an die Regionalplanung.
  • Das Präsidium der ARL sieht mit Sorge, dass in Regionen, die das vorgegebene Flächenziel nicht erreichen, die Funktionsfähigkeit der Regionalplanung durch die Novellierungen bewusst und weitgehend beeinträchtigt wird. So sind der Schaffung von Windenergieflächen entgegenstehende Festlegungen in Raumordnungsplänen in diesen Regionen künftig unbeachtlich, ebenso „sonstige Maßnahmen der Landesplanung“. Hier ist der Gesetzgeber aus Sicht des Präsidiums über das Ziel hinausgeschossen. Eine Beschleunigung der Ausweisung von Flächen für die Windenergie darf die Regionalplanung nicht in ihren anderen Aufgabenfeldern beeinträchtigen. Sie hat die Verantwortung für eine Abstimmung der unterschiedlichsten Nutzungsansprüche an den Raum im Sinne des Leitbilds der nachhaltigen Raumentwicklung. Dabei ist es erforderlich, stets auch die Akzeptanz für die Planinhalte zu fördern. Hier sind die Neuregelungen so schnell wie möglich zu justieren. Ausdrücklich nicht erfasst von dieser Kritik ist die Regelung, dass in denjenigen Regionen, in denen die Flächenziele bislang nicht erreicht werden, die flächendeckende Privilegierung weitergilt.
  • Das Präsidium ruft dazu auf, das in der Gesellschaft fortbestehende Protestpotenzial nicht zu unterschätzen. Das bedeutet, dass trotz der gebotenen Eile stets sorgfältig gearbeitet werden muss, um keine Angriffsflächen für künftige Klagen gegen Windenergieanlagen zu bieten. Neben der Planungsbeschleunigung muss der Verbesserung der Akzeptanz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, etwa durch Beteiligung der Standorträume und ihrer Bevölkerung am wirtschaftlichen Ertrag der Energieproduktion.
  • Die ARL unterstützt nach eigenen Angaben die Energiewende und will, dass die räumliche Planung einen deutlichen Beitrag zu deren Gelingen leistet. In diesem Sinne wird sie sich weiter in die fachliche und politische Diskussion einbringen und einen Erfahrungsaustausch über “best practice“ regionaler Umsetzung der Energiewende initiieren.“

->Quelle: arl-net.de/gesetzlichen-neuregelungen-fuer-windenergieplanung